🦌 13. DҽȥҽɱႦҽɾ 🦌

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Es war nicht wie Fahrradfahren. Ganz und gar nicht.
Marshall fluchte leise vor sich hin, als er unsicher über das Eis schlitterte. Am liebsten hätte er sich eine dieser Plastikfiguren geschnappt, die für kleine Kinder bereitstanden, damit sie sicher Laufen lernen konnten, aber so bescheuert wollte er vor Rose nicht dastehen.
„Wie lange ist es her, als du das letzte Mal auf dem Eis standest?"
Rose hatte wohl Mitleid mit ihm, denn sie fuhr langsam neben ihm her, während Archer immer wieder an ihnen vorbeiflitzte und Marshall sein Können zeigte.
„Es ist verdammt lange her, Rose. Und ich merke gerade, dass ich einen bösen Fehler gemacht habe."
Wenn er scharf darüber nachdachte, war es vielleicht schon über zwanzig Jahre oder sogar länger her, dass er auf dem Eis stand. In Florida war es eben nicht so, dass es überall Eishallen oder Eisflächen gab, auf die man schnell mal konnte.
Er schlitterte etwas und seine Beine schienen sich ineinanderschieben zu wollen. In letzter Sekunde konnte er sich noch an der Bande festhalten, die hier angebracht waren. Den Himmel sein Dank.
Er hörte, wie Rose ein Lachen zu unterdrücken versuchte.
„Oh je. Lass mich dir helfen."
Sie nahm seinen Arm und führte ihn weg von der Bande.
„Rose. Das ist ein größerer Fehler, als meine Idee, euch zum Schlittschuhfahren zu fahren und selbst auf das Eis zu steigen."
Sie kicherte.
„Nein. Das war kein Fehler. Schau dir doch Archer an. Ich glaube, so fröhlich habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Du hast ihn abgelenkt und glücklich gemacht."
Das war schon wahr.
Der Kleine fuhr in einem Wahnsinnstempo über das Eis und beeindruckte damit sogar einige Teenies, die versuchten lässig zu wirken, in dem sie nur ab und zu auf dem Eis irgendwelche Kunststückchen zeigten. Manchmal fuhren auch Gleichaltrige mit Archie und man hörte sie lachen.
„Archer hat es auch nicht leicht."
Sie schüttelte den Kopf.
„Das hat er wirklich nicht. Es gibt in seiner Klasse nur einen Jungen, der sich regelmäßig mit ihm nach der Schule trifft. Die Familie ist vor zwei Jahren in unsere Nähe gezogen und wusste nichts von den Gerüchten um mich. Jetzt interessiert es sie auch nicht. Aber die Gerüchte werden immer wieder geschürt. Ich weiß nur nicht, von wem. Aber Archer bekommt es mit."
Marshall zog die Nase kraus.
„Ich werde Chloe kündigen, denn ich bin mir sicher, dass sie auch etwas damit zu tun hat. Ich kann so eine Angestellte nicht gebrauchen, die überall Lügen herumerzählt, nur weil sie Hoffnung hat, ihren Chef für sich zu gewinnen. Was nicht passieren wird, denn mich widert es an, was sie tut."
Rose schüttelte den Kopf.
„Ich denke, das ist ein schlechter Einfall, Marshall. Du kannst sie doch nicht einfach kündigen, nur, weil sie in ihrer Freizeit eine Tratschtante ist. Dann kommst auch du in Verruf und hast bald keine Kunden mehr. Das will ich nicht verantworten."
Er schnaubte, musste aber zugeben, dass Rose in dem Fall richtig lag. Er würde als Tyrann gelten, wenn er Chloe einfach so kündigte.
„Sie müsste von sich alleine aus kündigen.", murmelte er.
Rose nickte.
„Ja, denn du hast sehr viele Angestellte, die loyal zu deinem Onkel stehen und auch zu dir. Ich habe schon von einigen gehört, dass sie gerne mit dir zusammenarbeiten. Chloe kann dann nicht behaupten, dass du ein schlechter Chef bist."
Er nickte.
Doch wie konnte er es anstellen, dass diese Schlange ging, ohne ihm oder Rose zu schaden. Oder auch Archer.
Er war so in Gedanken, dass er nicht einmal merkte, wie sehr sie sich vom äußeren Rand der Eisfläche wegbewegten und er noch kein einziges Mal gestolpert war.
„Mr. Marshall! Schau mal!"
Okay, das war nun zu viel.
Archer huschte an ihm vorbei und Marshall wollte ihm hinterher sehen, verlor aber das Gleichgewicht. Rose, die ihn immer noch am Arm hielt, konnte sich ebenfalls nicht mehr halten und fiel auf Marshall, der seine Arme um sie schlang, damit nicht auch sie auf das Eis knallte.
„Uff!"
Marshall spürte einen Stich im Rücken und er wünschte sich, dass er mit den beiden ins Kino gegangen wäre.
Verfluchte Weihnachtsromantik.
„Marshall? Geht es dir gut?"
Er öffnete die Augen und Roses Gesicht schwebte engelsgleich über ihn.
Verflixt. Er musste sich den Kopf aufgeschlagen haben und lag nun im Koma oder so was in der Art. Anders konnte er sich seine seltsam romantischen Gedanken wirklich nicht erklären.
„Ich bin mir nicht sicher. Mein Rücken..."
Sie wollte sich erheben, aber er hielt sie fest.
„Küss mich, dann wird es besser."
Sie lachte leise, gab ihm dann aber tatsächlich einen kurzen Kuss.
Nicht gerade das, was er sich vorgestellt hatte, aber okay. Sie waren in der Öffentlichkeit und es waren Kinder anwesend. Da sollte man sich etwas beherrschen.
Sie half ihm beim Aufstehen. Aber das erwies sich nun als ziemlich schwierig. Kaum hob er seinen Oberkörper an, fuhr ihm wieder ein Schmerz durch die Wirbelsäule.
„Verfluchter Mist!"
Rose sah, dass es ihm wirklich nicht gut ging.
„Okay. Das ist nun im ersten Moment eine doofe Situation, aber wir bekommen das hin. Zuerst musst du aufstehen und wir müssen vom Eis."
Sie pfiff den Jugendlichen zu.
„Jungs? Ich könnte ein paar starke Männer und Frauen gebrauchen, die meinen Freund hier helfen."
Freund?
Also das gefiel Marshall.
Was ihm nicht gefiel, war, dass sich wirklich einige Kerle, die wohl Footballer waren, auf ihn zu schlitterten, um ihm aufzuhelfen.
Aber das war nicht so einfach, denn die Schmerzen wurden schlimmer.
Marshall hatte keine Ahnung, wie Rose es schaffte, ihn ins Auto zu schaffen, nebenbei noch Archer einzufangen, der sich aber sichtlich Sorgen um Marshall machte und sich dann hinter das Steuer des Autos zu setzen und nach Hause zu fahren. Nebenbei rief sie auch den Arzt an und bestellte ihn zur Bäckerei.
Vor der Bäckerei wartete auch wieder dieser Hank, der half, Marshall zu seiner Wohnung zu bringen.
„Es tut mir so leid, Rose. Ich wollte mit euch einen schönen Abend verbringen und nun das."
Sie lachte und zog ihm vorsichtig die Jacke aus.
„Wir hatten einen schönen Abend, bis du dich gentlemanlike auf das Eis geworfen hast, damit ich mich nicht verletze."
Stöhnend versuchte er, eine Lage zu finden, die ihn nicht schmerzte. Rose war schon wieder aus dem Zimmer getreten und erklärte Archer, dass er mit Hank nach Hause gehen sollte. Sie würde sich um Marshall kümmern.
Das wollte er nun auch nicht. Sie sollte ihn nicht so sehen, wie er jammerte. Das war nun nicht gerade sehr männlich.
Es wurde still, nachdem sich Archer und auch Hank verabschiedeten. Marshall versuchte, in der Position zu bleiben, die er gerade hatte und döste etwas weg, als es klingelte und er erschrak.
Wieder bekam er Schmerzen und er fluchte.
„Das Fluchen geht aber immer, richtig?"
Ein älterer Mann kam in sein Zimmer und setzte sich zu ihm, nachdem er seine Arzttasche abgestellt hatte.
„Marshall Baker, richtig? Erzählen Sie mir doch mal, was geschehen ist."
Marshall erzählte von seinem Sturz und wie er auf das Eis geknallt war.
Der Doc untersuchte ihn und schnalzte dann mit der Zunge.
„Ein Hexenschuss ist es keiner, aber Sie haben sich wohl übel den Rücken etwas verrenkt. Salopp gesagt. Ich werde ihnen eine Schmerzspritze geben. Außerdem sollte Rose...Rose, Mädchen...bist du hier?"
Er hörte ihre Stimme und war wirklich froh, dass sie doch noch nicht gegangen war.
„Die Muskeln in seinem Rücken sind verspannt. Wärme hilft da. Und er sollte sich auf den Boden legen. Beine nach oben. Zumindest, bis die Schmerzen abklingen. Es gibt doch diesen Sporttherapeut hier."
Rose nickte.
„Du meinst Sven? Den Schweden?"
Der Doc nickte.
„Am besten rufst du Sven morgen an. Er weiß Bescheid, was man noch machen kann. Aber erst einmal..."
Er zog eine Spritze auf und jagte sie Marshall dann in den Rücken.
„Bewegung ist gut. Vorbeugen und Belastung sollten Sie aber in der nächsten Zeit vermeiden."
Marshall wimmerte.
„Ich bin der Bäcker hier und es ist kurz vor Weihnachten. Ich habe noch so viel zu tun."
Rose legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Wir alle werden dir helfen. Werde du erst einmal wieder gesund. Hast du eine Wärmflasche? Nein? Ich werde schnell losfahren und eine holen. Mach dir keine Gedanken. Ich komme gleich wieder."
Sie zog im Gehen schon ihre Jacke an und nach einer Weile hörte man ihr altersschwaches Auto.
Der Arzt grinste.
„Rose ist so ein tüchtiges Mädchen. Schade, dass diese Gerüchte viele Männer daran hindern, mal mit ihr auszugehen."
Marshall knurrte.
„Gerüchte interessieren mich nicht. Ich bin dennoch mit ihr ausgegangen."
Der Arzt nickte wohlwollend.
„Und damit sind Sie bei mir aufgestiegen. Ziemlich weit nach oben sogar."

Winterwonderland - Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt