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Marshall fügte eine der Pralinen auf den Märchenturm, den er mit Rose in den letzten Tagen aus Torte und Keksen kreierte. Er ging einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk, ehe er lächelnd die Handschuhe auszog und in einen Mülleimer warf.
Es war einfach nur perfekt.
Statt eines einfachen Büffet hatten sie eine Landschaft erschaffen, der alle möglichen Leckereien beinhaltete.
Sogar der Schokobrunnen hatte einen Platz, doch weil dunkle Schokolade nicht gerade passend als Bach aussah, hatte er noch helle Schokolade besorgt und sie mit Lebensmittelfarbe Blau gefärbt. Die Bäume waren aus einem Keks-Teig gebacken und die Blätter war hauchdünner Marzipan, den sie ausgerollt, ausgestanzt und geformt hatten, bis beide den Eindruck hatten, sie würden schielen, weil sie die Augen zu arg angestrengt hatten.
Kleine Wolken aus Zuckerwatte hingen über dem Märchenturm und kleine Lebkuchenmännchen tanzten auf der Wiese, die er aus Fondant formte.
„Da traut man sich gar nicht zu zulangen.", ertönte eine Stimme hinter ihm und Marshall drehte sich um.
Der Mann war eine stattliche Erscheinung und die schwere Kette, die bis zu seinem Bauch ging und unzählige Abzeichen hielt, wiesen ihn als Bürgermeister aus.
Marshall streckte seine Hand aus, welcher der Bürgermeister annahm und sich als Bürgermeister Bennet vorstellte.
„Miss Harris und ich überlegten uns, dass es nicht unbedingt ein langweiliges Büffet werden sollte.", erklärte Marshall.
Er reichte dem Bürgermeister eine kleine Waffel, welche dieser auch sofort in den Schokoladenbach tauchte und dann genüsslich in den Mund steckte.
„Da haben sie beide eine sehr gute Idee gehabt. Mir persönlich werden die anderen Händler leidtun, denn die Kinder werden alle nur bei Ihnen anstehen. Und ich auch, obwohl ich einen großen Bogen um Ihr Meisterwerk machen sollte."
Er tätschelte seinen kleinen Bauch und die Kette nebst Abzeichen klimperte leise vor sich hin. Dann hob er den Kopf und sah sich um.
„Aber wo ist Miss Harris? Ich will auch ihr für diese wunderbare Idee gratulieren."
Marshall zuckte mit den Schultern.
„Sie hat sich schon etwas verspätet. Ich denke, ihr Sohn wird sich nicht in die feine Kleidung hineinzwängen wollen."
Der Bürgermeister lachte leise und beugte sich dann zu Marshall.
„Welcher Mann will das schon? Obwohl ich wirklich neidisch zugeben muss, dass unser Konditor in seinem Anzug keine schlechte Figur macht. Wie halten Sie denn ihr Gewicht bei den wunderbaren Sachen, die sie jeden Tag kreieren?"
Marshall grinste ihn an.
„Jeden Tag laufen und Training. Außerdem hält mich Archer an den Wochenenden auf Trab."
Bennet nickte.
„Ich habe schon gehört, dass Miss Harris und Sie sich näher kamen."
Er lachte, als Marshall ihn entsetzt anstarrte.
„Es ist eine kleine Stadt, Baker. Da verbreiten sich Gerüchte, Lügen, aber auch Wahrheiten sehr schnell. Doch ich freue mich wirklich über diese Entwicklung, denn so bleiben Sie uns erhalten."
Er drehte sich zum Eingang.
„Ah, ich sehe, dass Miss Harris eingetroffen ist. Und Sie scheinen Recht zu behalten, Baker. Archie sieht nicht gerade glücklich aus."
Beide lachten, als sie Archer sahen, der finster schaute und immer wieder am Kragen seines Hemdes zog.
Der Bürgermeister verabschiedete sich und Marshall konnte es kaum erwarten, dass Rose endlich den Tisch erreicht, an dem er gerade stand.
„Siehst du, Marshall trägt auch eine Fliege.", hörte er Rose sagen, doch die brummige Antwort von Archer hörte er nicht.
Er war auch etwas abgelenkt.
Noch nie hatte er Rose in einem Kleid gesehen. Vor allem nicht in so einem.
Das Abendgarderobe verlangt wurde, war ihm schon klar, aber dieses Kleid gehörte verboten. Oder sie durfte es nur anziehen, wenn sie beide alleine waren. Andere Männer kamen bestimmt auf dumme Ideen und das wollte er nun mal gar nicht.
Das trägerlose Oberteil schmiegte sich um ihre Brüste und engten sie etwas ein, was er nun nicht so toll fand. Aber die Corsage zauberte ihr eine Taille, die zum Niederknien war. Die Lagen, welche die Beine bedeckten, hatten einen Schlitz, so dass man Roses Wade bei jedem Schritt sehen konnte, einschließlich des kleinen Tattoos, dass sie sich am Knöchel hatte stechen lassen. Er kannte die kleine Rose schon und hatte sich in den Nächten ausführlich damit beschäftigt. Das sollte kein anderer Mann sehen.
Verflixte Eifersucht, aber am liebsten hätte er mit seinen Fäusten auf der Brust herumgetrommelt und Rose dann in seine Wohnung verschleppt.
Er schluckte hart und wandte sich an sie.
„Ihr beide seht toll aus. Wirklich."
Er ging vor Archer in die Hocke.
„Siehst du nicht gerne toll aus?"
Archer kramte in seine Anzugjacke und beförderte eine Fliege heraus.
„Mum wollte, dass ich das Ding anziehe, aber es sitzt immer schief. Das sieht nicht gut aus. Keiner konnte mir helfen. Weder Mum noch Tante Heather und Tante Lilly. Und Hank war schon weg, also konnte ich ihn auch nicht um Hilfe bitten."
Marshall grinste.
„Ich denke, ich kann dir helfen. Diese Dinger sind aber auch wirklich schwer zu handhaben. Gib mal her."
Er zog den Kragen des Hemdes nach oben und band die Fliege korrekt hin.
„Siehst du? Kein Problem."
Archer wirkte nun erleichtert und fiel ihm um den Hals.
„Danke schön."
Marshall umarmte ihn kurz und schloss die Augen.
Genau dieses Gefühl wollte er schon immer haben. Himmel, er wollte ein Dad sein und am Tollsten wäre, wenn er mit Archer anfangen konnte.
Lächelnd stand er auf und küsste Rose zur Begrüßung, was sie auf keuchen ließ.
„Alles in Ordnung?", hakte er nach.
Sie nickte unsicher.
„Es ist nur so, dass du mich vor allen Leuten hier geküsst hast. Ich habe angenommen, du willst das, was wir haben, noch geheim halten."
Er schnaubte.
„Warum sollte ich das tun? Verflu... verflixt, ich liebe dich und das soll jeder sehen."
Rose starrte ihn an und erst jetzt fiel ihm auf, was er da sagte.
Aber warum sollte er die Wahrheit verschweigen?
Gut, sie kannten sich erst seit kurzer Zeit, aber warum sollte es nicht so sein, dass man sich in dieser Zeit verliebt? Mit seiner Ex hatte es Monate gedauert, bis er die Gefühle zugab, die sich schließlich als falsch erwiesen.
Rose sah ihn mit großen Augen an und auch Archie hing an seinen Lippen.
Während ihr Sohn breit lächelte und sich wohl über das Gesagte freute, schluckte Rose hart und ballte ihre Hände zu Fäusten.
Sie murmelte etwas, dann drehte sie sich um und verschwand in der Menge, die gerade in das Rathaus gelassen wurde.
Marshall sah zu Archer.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?"
Der Junge schien genauso verwirrt zu sein, wie Marshall selbst.
„Ich habe keine Ahnung."

Winterwonderland - Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt