Taddl und ich haben gerade eine Aufnahme für Minecraft Smash beendet, verbleiben aber noch im Teamspeak. Er erzählt mir, was er in dieser Woche schon alles erlebt hat, und ich sitze einfach da und lausche seinen Worten. Durch seine tiefe Bassstimme kann ich mich entspannen und den Alltagsstress vergessen. Wir lachen zusammen, wenn er einen Witz macht oder ich einen dämlichen Kommentar einwerfe. Manchmal bin ich ein wenig neidisch darauf, dass er so viel mit den anderen YouTubern machen kann. Aber gleichzeitig bin ich auch froh über meine Anonymität.
„Du, Manuel, ich muss jetzt aber echt. Der süße Ardy hat Essen bestellt und das ist soeben an der Tür eingetroffen."
Der süße Ardy. Ich weiß, dass Taddl seinen Brudi nur zum Spaß so nennt. Ähnliches Spiel treibt er mit mir ja auch. Meistens machen wir das für die Fans, aber es ist schon in unsere normale Konversation mit eingeflossen. Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich eifersüchtig auf Ardy bin. Also irgendwie. Klar, ich sollte es nicht sein und ich weiß, dass Ardy Ts bester Freund ist. Schließlich wohnen die beiden auch zusammen. Nur sind die beiden so zusammengeschweißt, dass es schon weh tut. Ich wünschte, ich könnte so eine innige Freundschaft mit ihm führen. Ab und an denke ich sogar über mehr als das nach und das gruselt mich ein wenig. Ich verstehe nicht, warum ich so denke.
„Ich muss eh noch was mit Zombey aufnehmen, bis dann", winke ich also ab und beende die Konversation etwas zu schnell. Kam das jetzt komisch rüber?
Zimbel verspätet sich ein wenig. Ich hole mir aus der Küche ein Glas Wasser und schaue auf mein Handy. Taddl hat mir ein Foto von seinem Burger geschickt, der sehr lecker aussieht. Jetzt bekomme ich auch noch Hunger. Doch das wird warten müssen. Alles ist vorbereitet für die erneute Aufnahme in Minecraft Smash. Nur Michael fehlt noch.
Ein paar Minuten später meldet er sich über den TS. Er klingt gut gelaunt und berichtet, dass er die Hunde noch füttern musste.
„Irgendwie klingst du komisch, alles in Ordnung Manu?"
„Ähm, klar? Wieso nicht?", antworte ich irritiert.
„Ich weiß nicht. Deine Stimme klingt nicht so fröhlich wie sonst."
„Soll ich lieber in der Tumorstimme reden?", hake ich nach, während ich die Stimme verstelle.
Für einige Sekunden kommt keine Antwort.
„Selbst die klingt nicht wie sonst. Was ist los?"
Mist, ich kann Zombey nichts vormachen. Ich beiße mir auf die Unterlippe und überlege, ob ich ihm erzählen sollte, was mich gerade beschäftigt – Taddl. Zombey gehört nicht zu den Leuten, die mich dafür komisch halten würden. Dafür gibt es schon genug andere Gründe. Ich gebe mir einen Ruck und fange an zu erzählen. Davon, dass ich eben mit T eine Aufnahme hatte, so wie fast täglich im Moment. Davon, dass ich genau diese Aufnahmen aktuell besonders genieße. Dass ich gerne seine Stimme und dass ich gerne noch mehr hätte.
„Klingt das alles seltsam?", hake ich am Ende nach.
„Nein. Ich kann es verstehen. Du magst Taddl eben sehr. Nur...", seine Stimme stockt.
„Was nur?", will ich leicht panisch wissen. Ist das doch alles total bescheuert?
„Ich frage mich gerade, wie sehr du Taddl magst."
Ich runzle die Stirn. Wie meint er das denn jetzt? Dass ich manchmal über mehr nachdenke, ist doch sicherlich ein Hirngespinst.
„Nicht unbedingt", höre ich Zombeys Stimme durch meine Kopfhörer.
In diesem Moment könnte ich mich ohrfeigen. Ich habe das gerade laut gesagt. Fuck. Nervös kaue ich auf meiner Lippe herum und warte, ob Zimbel noch irgendwas zu sagen hat. Es ist eine kurze Zeit ruhig.
„Wenn du schon sagst, du denkst darüber nach, mehr zu wollen. Was könnte das dann deiner Meinung nach bedeuten?"
„Dass das völliger Schwachsinn ist!", verteidige ich mich, obwohl ich ganz genau weiß, was das bedeutet.
Aber das will ich nicht, weil es nicht funktioniert. Es hat keinen Sinn und sowieso ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich Taddl jemals in meinem Leben persönlich begegnen werde, ungefähr gleich null.
„Ich nehme an, du hast es verstanden. Willst du darüber reden?", bietet Zombey mir an.
„Nein, ich ... Ich muss darauf klarkommen. Irgendwie. Ich weiß doch auch nicht, ob ich... Nein", ich unterbreche mich und schüttle den Kopf, „Können wir bitte einfach unsere Aufnahme machen?"
„Was immer du möchtest", willigt Zombey ein, wofür ich dankbar bin.
„Danke."
Eigentlich möchte ich darauf gar nicht klarkommen. Eigentlich möchte ich diese Einsicht ganz schnell wieder vergessen.
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YouTube Nostalgie Adventskalender
FanfictionYouTube zwischen 2012 und 2016, die so genannte Hochzeit. Für viele etwas besonderes, denn diese Idole haben sie begleitet durch Zeiten voller Höhen und Tiefen. Sie waren die Wegbegleiter der Jugend. Lasst euch ein auf eine Zeitreise in diese vergan...