Ich habe einen fetten Crush. Ich schaue Henry, der vorne sitzt, an. Ich sitze schräg hinter ihm und habe den perfekten Blick auf ihn. Er sieht so gut aus. Er hat dunkelbraune, wuschelige Haare und braune Augen. Und er ist groß. Ein Meter neunzig.
Henry geht seit zwei Jahren in meine Klasse. Wir sind seitdem Freunde, aber seit zwei Monaten will ich mehr von ihm. In den Sommerferien ist er erwachsener geworden und sieht noch besser aus als vorher.
Er ist sechzehn, wie ich. Und wir gehen in die elfte Klasse.
Ich sehe, wie er an seinem Stift nagt, während er auf sein Blatt schaut. Ich sollte eigentlich auch die Aufgaben machen, aber stattdessen stelle ich mir vor, wie sich seine vollen Lippen auf meinen anfühlen würden.
Ich hatte bisher meinen ersten Kuss noch nicht, aber ich glaube Henry würde-
Ein Ellenbogen rammt sich in meine Seite. Ich schaue erschrocken zu meiner besten Freundin Jay. Diese deutet nach vorne.
„Sofia? Was ist die Antwort für Frage eins?" Unsere Geschichtelehrerin schaut mich abwartend an. Sie scheint diese Frage nicht zum ersten Mal zu stellen.
Ich schaue auf mein leeres Blatt. „Ähm. Das Mittelalter?", rate ich.
„Falsch. Die Renaissance.", sagt Frau Gaier.
Henry dreht sich zu mir um und lächelt verschmitzt. Ich zucke mit den Schultern.
Nachdem der Unterricht zu Ende ist, läuft Henry neben mir und Jay her.
„Woran hast du denn gedacht während Geschichte? Du warst voll raus, Fia.", lacht er.
Ich merke, wie ich rot werde. Wenn er wüsste, dass ich an ihn gedacht habe. Und seine Lippen...
„Keine Ahnung.", murmle ich.
„Kommt ihr heute auf die Party von Anna?", fragt Henry.
„Ja, klar.", sagt Jay.
Meine beste Freundin hat wasserstoffblond gefärbte Haare mit einem Pony und trägt eine Brille. Ihre Eltern kommen aus China.
„Cool. Ciao.", sagt Henry. Er wohnt in der Nähe der Schule. Jay und ich dagegen müssen zum Bus laufen.
„Dann siehst du Loverboy heute Abend nochmal.", sagt Jay.
Ich seufze. „Er sieht mich nur als eine Freundin."
„Das weißt du doch gar nicht."
„Doch."
Zuhause angekommen, muss ich den Tisch für das Mittagessen decken. Als ich gerade die Teller abstelle, schließen sich kleine Arme um meine Beine. Ich drehe mich um und nehme meinen kleinen Bruder Jonas hoch. Ich setze den vierjährigen auf meiner Hüfte ab.
„Hey, Jonny."
„Hi, Fifi.", grinst er.
Ich übersähe sein Gesicht mit Küssen. „Wie war's im Kindergarten?"
Er kichert. „Schön."
„Das freut mich."
Nach dem Essen verziehe ich mich in mein Zimmer. Ich schaue in den Spiegel. Mein Makeup sieht, wie immer nach der Schule, nicht mehr so gut aus.
Ich nehme ein Abschminktuch und entferne es. Darunter kommt meine Akne zum Vorschein. Ich hasse meine Haut. Seit der Pubertät ist sie so unrein. Deswegen schminke ich mich jeden Tag.
Ich trage Toner und Feuchtigkeitscreme auf. Ich habe eine Skincareroutine mit sieben Schritten. Trotzdem wird meine Haut nicht besser.
Ich seufze und schaue nochmal in den Spiegel. Trotz meiner Pickel habe ich ein hübsches Gesicht. Ich habe zwar einen kleinen Hügel in der Nase, aber meine Sommersprossen lenken davon ab. Ich habe blaue Augen und volle Lippen. Meine Haare sind lang, glatt und braun. Ich mag, wie ich aussehe, wäre da nicht meine Haut.
Ich lege mich in mein Bett, um einen Nap zu machen.
Später wache ich auf und weiß für einen Momemt nicht einmal, wo ich bin. So tief habe ich geschlafen. Ich schaue auf mein Handy. Ich habe drei Stunden geschlafen.
Ich sollte mich jetzt schon für die Party fertig machen. Ich stehe auf und strecke mich. Dann öffne ich meinen Kleiderschrank. Ich hole ein schwarzes Tshirtkleid heraus. Dann schwarze, durchsichtige Strumpfhosen. Ich ziehe mich an und betrachte mich im Spiegel. Gut.
Dann setze ich mich an meinen Schminktisch und trage Foundation auf. Dann Concealer und Puder. Dann Bronzer. Dann Augenbrauengel und Wimperntusche.
Zufrieden schaue ich das Ergebnis im Spiegel an.
Ich kämme meine Haare und mache zwei Spritzer meines Lieblingsparfüms an meinen Hals.Ich packe meine Sachen in eine kleine schwarze Tasche. Unten ziehe ich meine Winterjacke und meine Dr Martens an.
Ich gehe ins Wohnzimmer. „Mom, kannst du mich zu Anna fahren?"
Meine Mom fährt mich und kurz danach klingle ich an Annas Tür.
Henry öffnet mir. Er lächelt mich breit an. „Hey, Fia."
Ich umarme ihn. Er riecht so gut. Nach Wald irgendwie.
„Hey.", sage ich.
„Komm."
Ich folge ihm ins Wohnzimmer. Dort sitzen weitere Leute aus unserer Stufe.
Ich begrüße alle. Dann streckt Henry mir ein Radler entgegen. „Willst du?"
„Ja. Danke."
Ich trinke aus der Flasche. Ich trinke erst seit diesem Jahr Alkohol und bisher erst Radler, Bier, Wein und Hugo.
Ich setze mich auf das Sofa neben Henry. Wir reden über die Schule. Dann kommt Jay und setzt sich zu uns.
„Und Henry, hast du einen Crush?", fragt sie.
Henry wird rot und schaut auf den Boden. Dann zuckt er mit den Schultern.
„Komm schon, sag.", fordert Jay. Ich schaue sie böse an. Auffälliger geht es nicht.
„Vielleicht.", sagt Henry.
„Ist sie hier im Raum?", fragt sie.
Ich stehe abrupt auf und ziehe Henry mit mir hoch.
„Du wolltest mir doch noch mit dieser einen Sache helfen.", sage ich und ziehe ihn in die Küche. Ich schließe die Tür hinter uns.
Henry lehnt sich seufzend gegen den Kühlschrank. „Danke, dass du mich gerettet hast."
„Kein Problem.", grinse ich. „Jay weiß manchmal nicht, wann sie aufhören sollte."
„Ja.", sagt er.
Ich durchforste mein Gehirn nach irgendetwas, das ich sagen könnte. Leere. Die Stille hält weiter an.
Ich räuspere mich. „Also...wie läuft es im Basketball?"
„Gut. Wir haben morgen ein Spiel. Deswegen gibt es für mich heute nur zwei Bier."
„Responsible."
„Jaja, so bin ich eben."
„Ich glaube, es ist jetzt sicher, wenn wir zurückgehen.", sage ich.
Ein paar Stunden später beschließen alle, dass wir nun einen Spaziergang machen sollten. Wir treten in die dunkle Nacht. Für November ist es noch relativ warm.
Wir laufen eine Weile, als ich an meinem Arm zur Seite gezogen werde. Henry zieht mich zu einem Spielplatz. Dort setzt er sich auf eine Schaukel. Ich setze mich auf die Schaukel neben ihm.
Wir schaukeln schweigend.
„Weißt du schon, was du später mal machen willst? Also nach der Schule.", fragt er.
„Ich will Medizin studieren."
„Immer noch? Das wolltest du vor zwei Jahren schon. Bei mir hat es sich seitdem zehn mal geändert."
„Und was ist es gerade?", frage ich.
„Tauchlehrer." Er grinst stolz.
„Warst du schon mal tauchen?"
„Nein."
Ich lache und er steigt mit ein.
„Fia?", fragt er.
„Ja?"
„Willst du morgen zu meinem Spiel kommen?"
DU LIEST GERADE
Mein Ex, mein Neuer und ich
Ficção AdolescenteEin YA Roman über die erste Liebe. Und die zweite... Fia ist in Henry verknallt. Aber er scheint, ihre Gefühle nicht zu erwidern. Oder doch? Als Nathi in ihre Klasse kommt, ändert sich alles.