s i e b z e h n

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»Du warst in der Schwimmmannschaft der Schule?«, hake ich neugierig nach.

Gage nickt schmunzelnd. »Drei Jahre, ja.« Ich blinzle überrascht und versuche mich fieberhaft an sein Gesicht im Jahrbuch oder in der Schwimmhalle zu erinnern. Ich habe einige Wettkämpfe gesehen – aus Solidarität und aus dem einfachen Grund, dass die Wochenenden kaum Freizeitaktivitäten für Teenager in unserer Kleinstadt bereithalten. Somit war es eine willkommene Abwechslung, statt zuhause in einer, wenn auch stickigen und heißen, Schwimmhalle zu sitzen und unsere Schule anzufeuern.

Gage ist mir dabei jedoch nicht aufgefallen. Wahrscheinlich auch aus dem Grund, dass ich die Aufregung um Jungs in diesem Alter nicht verstanden habe oder schlichtweg nicht teilen wollte. Meine Freunde und schulischen Erfolge waren mir wichtig. Doch wer mit wem abends das Bett teilte oder die Krone beim Schulball auf dem Haupt trug, hatte mich zu dieser Zeit nicht weniger interessieren können.

Gage und ich haben uns nach dem Besuch am Stand des Rathauses zu einer letzten Runde auf dem Weihnachtsmarkt hinreißen lassen, um an den Ständen zu verweilen, die wir beim ersten Mal wegen des Andrangs ausgelassen haben. Inzwischen laufen wir durch eine kleine Seitengasse Richtung Ausgang. Immer wieder können wir durch die schmalen Gänge zwischen den einzelnen Hütten hindurchsehen und ich bin jedes Mal fasziniert darüber, wie viel Betrieb nach wie vor herrscht.

Die Menge scheint nicht müde zu werden, sich alles genau anzusehen und den Zauber auf sich wirken zu lassen.

Gage und ich hingegen sind froh, dem Trubel etwas entkommen zu sein. Nur wenige Besucher des Marktes sind auf dieselbe Idee gekommen wie wir und so teilen wir die breite Straße, auf die nur sporadisch das Licht des Marktes fällt, nur mit einer Handvoll Paare und Kleingruppen.

Jedes Mal, wenn sanftes Licht auf sein Gesicht fällt, bin ich wie gefangen von dem sanften Ausdruck. Mit jeder Minute, die wir uns über den Markt bewegen und nicht über seinen Vater oder den Wettbewerb unterhalten, wirkt er gelöster, glücklicher. Letzteres sieht man vor allem an dem Lächeln auf seinen Lippen, das sich seit den gebrannten Mandeln nicht von ihnen trennen kann.

Ich ziehe den Kopf ein Stück ein und vergrabe die Nase in meinem Schal. Neben all den positiven Effekten die dieser abgelegene Weg uns bringt, gibt es auch einen negativen. Ohne den Schutz der Menge und den der kleinen Hütten, hat der Wind ein leichtes Spiel, unsere Körper einzufangen und uns daran zu erinnern, dass es Winter ist.

»Warst du in einer Schulmannschaft?«, fragt Gage irgendwann.

Ich nicke, ein leichtes Grinsen auf den Lippen. »Ich habe jedes Jahr geholfen, den Schulball und den Tag der offenen Tür zu organisieren.« Ein leises Lachen ist zu hören und er wiegt den Kopf leicht hin und her. »Das hätte ich mir denken können«, murmelt Gage amüsiert.

Ein Jahr habe ich mir den Schulball angesehen. Die Organisation still mitverfolgt und mir Gedanken darüber gemacht, wie man die Abläufe verbessern und den Abend für alle Anwesenden noch besonderer und schöner machen könnte.

Im zweiten Jahr dann habe ich mich der Organisationsgruppe angeschlossen und meine Ideen und Überlegungen mit ihnen geteilt, bis man mich im dritten Jahr zur Chefin der Gruppe ernannt hatte. Von da an war ich die Ansprechpartnerin unseres Direktors, musste unser Budget verwalten und bei jedem Treffen mit externen Dienstleistern teilnehmen.

Was zu Beginn wie eine unlösbare Aufgabe gewirkt hatte, hatte sich schnell zu meiner Leidenschaft entwickelt. Nach den dreieinhalb Jahren im Team war mir mehr als bewusst, was ich den Rest meines Lebens machen möchte.

»War von dir zufällig die Idee mit der Hall of Fame?«

Ich lache und sehe zu ihm auf. »Ja, das war meine Idee«, nicke ich bestätigend. Gage hebt anerkennend eine Augenbraue. »Das war wirklich super, und eindrucksvoll.« Mein Lächeln wird breiter und sein Lob klingt wie Musik in meinen Ohren.

Kardamomherzen ₂₀₂₃ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt