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Der Saal, in dem in wenigen Tagen die Verkündung der Gewinner und ein festliches Essen mit geladenen Gästen stattfinden soll, ist so prunkvoll wie der Rest des Hauses. Hohe Decken, die mit Kronleuchtern gesäumt sind und ein angenehmes Licht auf die anwesenden Personen werfen, haben gepaart mit dem roten Teppich, der zum Eingangsbereich führt, seinen ganz eigenen Charme.

An raffiniert ausgewählten Stellen sind Goldakzente angebracht. Alte Kommoden in dunklem Holz bieten Platz für kleine Blumentöpfe mit Weihnachtssternen, die mit Gold bestäubt sind. Die hohen Fenster, die die rundlichen Mauern unterbrechen, geben den Blick auf die Straße und einen weitläufigen Park frei, der zwar für Besucher zugänglich ist, jedoch an Öffnungszeiten gebunden ist, die der Bürgermeister bestimmen kann.

Der Raum bietet viel Platz für elegante Gruppentische, festlichen Schmuck und einen großen Tannenbaum, bei dem ich enttäuscht bin, ihn nicht schon vorzufinden. Es sind kaum zwei Wochen bis Weihnachten und ich hätte mir erwartet, am öffentlichsten Gebäude der Stadt einen pompösen und mehrere Meter hohen Baum vorzufinden, der den Eindruck abrundet.

Ich notiere mir die Beschaffung eines Baumes auf meiner inzwischen zweiseitigen Liste und schiele zu den Leuten von der Presse herüber. Sie haben sich am Eingang zum Saal positioniert, der durch einen runden Bogen besticht, und empfangen die eintreffenden Kandidaten. Das Team besteht aus bisher zwei Personen. Charles, einem hochgewachsenen, blonden Schönling - der viel zu jung wirkt, um eine ernsthafte Backsendung zu moderieren und zu begleiten – und June, einer zierlichen Frau mittleren Alters, die seit ihrer Ankunft die schwere Kamera auf der rechten Schulter balanciert und versucht, die Kandidaten sowie ihren Kollegen in das beste Licht zu rücken.

Man hat mir angekündigt, während des Wettbewerbs mit zwei weiteren Mitgliedern des Teams Bekanntschaft zu machen. Einem weiteren Kameramann und einer Auszubildenden, die die Kandidaten regelmäßig interviewen und hinter den Kulissen arbeiten soll. Mir genügt bereits die Anwesenheit der beiden, die mich innerlich unruhig werden und mich alle paar Sekunden umsehen lässt. Ich weiß, dass ich ihnen vermutlich vollkommen egal bin und sie keinen Wert darauf legen, mich vor die Linse zu bekommen. Dennoch behagt es mir nicht, auch nur im Hintergrund durchs Bild zu laufen und mir vorzustellen, Menschen könnten mich im Fernseher betrachten.

Denn genau das wird passieren, wenn der Schnitt seine Arbeit getan hat. Nach Weihnachten werden alle Wettbewerbe auf einem, wenn auch verhältnismäßig unbekannten Sender, ausgestrahlt. Die Folgen sind dabei so verteilt, dass sie in der Livesendung Anfang März münden, die aus den Provinzen den einzigen Gewinner kürt.

Ich gehe zu einem der Stühle, der gemeinsam mit zwölf anderen kreisförmig im Saal angeordnet ist und mich an eine Selbsthilfegruppe erinnert.

Gegenüber von mir befindet sich ein kleiner Tisch, auf dem eine kunstvoll verzierte Schale fünf gefaltete Zettel beinhaltet. Jeder versehen mit einem Gewürz, das beim Wettbewerb in der jeweiligen zweier-Konstellation Verwendung finden soll. Ich habe mir sagen lassen, dass es nicht erlaubt ist, mit anderen Teilnehmern oder der Presse über das Gewürz zu sprechen. Zwar wird davon ausgegangen, dass die Kandidaten mit der Zeit das der anderen Teilnehmer erkennen, dennoch soll die Verschwiegenheit der Fairness halber eingehalten werden. Erst am Ende soll dann offiziell verraten werden, welches Team hinter dem jeweiligen Gewürz steckt.

Mein Blick gleitet an dem Tisch vorbei zu der Person, die seitlich neben diesem steht. Die Arme vor der Brust verschränkt und die Schultern trotzig nach vorne geschoben betrachtet Gage seinen Vater, der mit gesenkter Stimme und ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn einredet. Die Spannungen zwischen den beiden waren bereits in meinem Einstellungsgespräch vor einer guten halben Stunde nicht von der Hand zu weisen.

Gage schien es wortwörtlich darauf angelegt zu haben, der Meinung seines Vaters zu widersprechen oder ihm zumindest zu zeigen, dass er von ihm und seinen Worten nichts hält. Ich habe versucht, mich davon nicht beirren zu lassen. Und noch weniger von Gages forschenden Blicken, die ich trotz der Konzentration, die ich aufzubringen versucht habe, deutlich auf meinem Körper gespürt habe. Es behagt mir nicht, zuzugeben, dass ein Kribbeln sich auf meiner Haut ausgebreitet hat, allein bei dem Gedanken an seinen herben Duft, der mir noch immer in der Nase liegt.

Kardamomherzen ₂₀₂₃ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt