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In meinem bisherigen Leben habe ich nur ein einziges Mal einen Fuß in die Küche des Rathauses gesetzt, und das ist mehr als zehn Jahre her. Inzwischen hat sich einiges verändert. Angefangen mit der Modernisierung der Geräte, den hellen Fliesen an den Wänden und am Boden und den dunklen Arbeitsflächen, die einen sauberen Kontrast zum Rest der Küche darstellen. Von der Größe gleicht sie der Küche, die sich im hinteren Teil von Corinns Café befindet, was wohl erklärt, warum mehrere, klapprig und nur provisorisch aufgestellte Tische an den Wänden stehen oder die Arbeitsflächen verlängern. Dadurch wirken die Wände näher, die Gänge schmaler.

Und ich habe keine Ahnung, wie hier fünf Teams unter Beobachtung der Presse anständig backen sollen.

Auf den Tischen wurden Backutensilien wie Schüsseln, Schneebesen oder Küchengeräte aufgereiht, als befänden wir uns auf einer Ausstellungsmesse. Immer die gleichen Gegenstände, nur fünf verschiedene Farben, die scheinbar jedem Zweierteam zugeordnet werden sollen. Für meinen Geschmack hat man etwas zu viel Budget in diese Aktion gesteckt und überdimensional viel Zeit damit verbracht, Backsendungen im Fernsehen zu verfolgen. Doch den anderen Anwesenden entlockt die einheitliche Auswahl ein entzücktes Seufzen, als sie anfangen, um den Tresen herumzuschleichen und alles zu betrachten.

Ich halte mich dabei im Hintergrund, lasse meinen Blick nur kurz wandern und erkenne meinen und Gages Namen auf einem kleinen Schild vor den lila gefärbten Utensilien.

»Sehen Sie sich gerne um, ehe ich die wichtigsten Details für heute zusammenfasse und wir die erste Runde starten«, ruft der Bürgermeister in die Runde. Er schenkt allen ein breites, aber zittriges Lächeln und bedeutet Madison mit einer kleinen Handbewegung, den Raum zu verlassen. Wissend nickt sie und ist schon zwischen den Paaren verschwunden. Bei ihrem fluchtartigen Verlassen wäre sie beinahe mit der Presse, in Form von Charles, June und der Praktikantin Celeste, zusammengestoßen, die seit meiner Ankunft über die besten Einstellungen und Orte zum Filmen diskutieren.

»Weitere Tische und Zubehör finden Sie im Saal nebenan. Wir dachten, für Dekorationsarbeiten und Abstimmungen bietet er einen besseren Platz als die Küche, die für bald fünfzehn Personen zu eng ist.« Ein weiteres, hektisches Lächeln begleitet die Worte des Bürgermeisters und er wischt sich mit einem hellen Tuch, das zuvor in der vorderen Tasche seines Anzuges gesteckt hat, über die glänzende Stirn.

Ich entledige mich meines Mantels und hänge ihn zu den anderen Jacken am Ende des Raumes. Die feuchten Hände wische ich mir, hoffentlich möglichst unauffällig, an meinem beige-karierten Rock ab.

Gerade in dem Moment, als ich den Blick wieder hebe und zum Bürgermeister sehe, taucht Gage hinter ihm auf.

Seine dunklen Haare stehen wie üblich wirr von seinem Kopf ab und allmählich beginne ich mich zu fragen, ob Absicht hinter diesem Look steckt. Gepaart mit den müden Augen entlockt sein Erscheinungsbild mir ein kleines Lächeln.

Gages athletischer Körper steckt in einer einfachen Jeans und einem hellen Pullover.

Er fängt meinen Blick auf und ich kann beobachten, wie sich seine Schultern lockern und ein vorsichtiges Schmunzeln über seine Lippen huscht. Eilig verschränke ich die Arme vor der Brust und mustere die anderen Teilnehmer, anstatt erneut in seinen Augen zu versinken. Schon vor unserem gemeinsamen Abend vor zwei Tagen wollten mich seine Augen in ihren Bann ziehen. Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings einfacher gewesen zu ignorieren, dass ich ihn irgendwie, auf gewisse Art und Weise, ganz vielleicht für sehr gutaussehend erachte.

Mit den Gerüchten über ihn im Hinterkopf konnte ihn und seine Wirkung auf mich von mir schieben. Jetzt, nachdem ich ihn kennengelernt und mir eine eigene Meinung gebildet habe, will mir das nicht mehr gelingen.

Kardamomherzen ₂₀₂₃ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt