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Definitiv hatte ich mir meine Abendplanung nach diesem Treffen anders vorstellt. Mein Terminplaner hält eine Stunde für die Absprachen bereit. Danach hätte ich mich auf den Weg nach Hause gemacht, gekocht und wäre anschließend wieder in der Planung für das Event versunken.

Ich weiß, dass mich später, wenn ich im Bett liege, vermutlich das schlechte Gewissen beschleichen wird, nichts für das Event getan zu haben – abgesehen von der Arbeit, die ich am Vormittag bei Corinn verrichtet habe. Aber vielleicht ist es auch ganz gut, etwas Abstand aufzubauen und Gage kennenzulernen.

Natürlich nicht aus egoistischen Gründen und Zielen privater Natur.

Doch auf dem Weg zu ihm musste ich an die Zusammenstellung unserer Konstellation und die der anderen Paare denken, die sich für den Wettbewerb angemeldet haben. Diese sind entweder miteinander aufgewachsen, ein Mutter und Tochter Gespann oder seit Jahrzehnten verheiratet. Sie kennen den jeweils anderen in- und auswendig. Wissen um die Schwächen und Stärken.

Gage und ich verfügen nicht über ein solches Wissen. Wir kennen uns nur flüchtig, von zwei Unterhaltungen, die durch seinen Vater entstanden sind. Ich weiß kaum etwas über ihn, wie er sich in der Küche verhält, welche Aufgaben ich übernehmen soll und welche ich ihm überlassen kann.

Es wird uns helfen, Zeit miteinander zu verbringen, um nicht erst in Runde Eins des Wettbewerbs den anderen kennenlernen zu müssen.

Ich ziehe einen Stuhl nach hinten und lasse mich auf diesem nieder, ehe ich meinen Block aus der Tasche nehme und die erste Seite aufschlage, auf die ich gestern Ideen gekritzelt habe. Auch fällt mir ein Papier entgegen, das ein mögliches Rezept beinhaltet.

»Ich habe den Tee selbst noch nicht probiert, aber meine Mutter kauft ihn jedes Jahr in der Weihnachtszeit.« Gage kommt aus der Küche zurück, stellt eine dampfende Tasse vor mir und eine weitere vor seinem Platz ab. Dabei achtet er konzentriert darauf, nichts von dem sich rötlich färbenden Wasser zu verschütten.

Ein fruchtiger Geruch erfüllt den Raum und mein Herz macht einen Satz nach oben. Vermutlich liebe ich die Lichter und das Funkeln an der Weihnachtszeit am meisten. Aber der Geruch von Mandarinen, Orangen oder Zimt kommt dem sehr nahe.

»Er duftet jedenfalls himmlisch.« Ich schiebe die Tasse ein wenig zur Seite und lehne mich nach hinten. Gage nimmt Platz, kramt von dem Sitz eines Stuhles ebenfalls einen Block hervor und öffnet diesen.

Die Notizen darauf sind unordentlicher als bei mir, aber nicht weniger zahlreich vorhanden. Es erleichtert mich zu sehen, dass er sich ebenfalls Gedanken gemacht zu haben scheint.

Ich warte einen Moment, gebe ihm die Möglichkeit, sich zu äußern und einen Anfang zu machen, bevor ich ihn mit meinen Worten und Ideen überfalle.

Ein Backwettbewerb ist nichts, mit dem ich mich tagtäglich auseinandersetze. Auch mit dem Handwerk an sich bin ich bisher nicht übermäßig häufig in Berührung gekommen. Aber wenn ich etwas angehe, mache ich es richtig. Und früher oder später kam beim Rausschreiben der Rezepte neben dem Drang der Verpflichtung eine gewisse Neugier und Vorfreude darauf, bei diesem Wettbewerb teilzunehmen. Etwas Neues auszuprobieren und meine Grenzen auszutesten.

Ein Kribbeln macht sich auf den Weg von meinem Magen bis in die Fingerspitzen, als ich nach dem Kugelschreiber greife, ihn klicken lasse und zum Monolog ansetze: »Ich war ehrlich gesagt wenig begeistert über unser Gewürz. Vanille oder Zimt hätten mir besser gefallen, aber wir können es schließlich nicht ändern.«

Ich wage einen kurzen Blick von meinem Block zu Gage, nur um festzustellen, dass er sich entspannt nach hinten gelehnt und mir seine volle Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dieses Detail ermutigt mich dazu, fortzufahren.

Kardamomherzen ₂₀₂₃ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt