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GAGE

»Hast du Bilder, die ich mir ansehen könnte? Ich würde gerne ein paar Motive sehen, wenn du sie mir zeigen möchtest.« Von dem Thema der Selbstständigkeit sind wir vor einer Weile wieder zum Backwettbewerb gewandert. Wir haben uns einen Schlachtplan für die erste Runde überlegt und die anfallenden Aufgaben verteilt.

Zu hundert Prozent bin ich noch nicht überzeugt, dass wir die Runde tatsächlich meistern können. Eineinhalb Stunden sind nicht viel Zeit für zwei Arten von Plätzchen, die wir noch nie zuvor gebacken haben – in einer Küche, die uns fremd ist und mit anderen Kandidaten und einem Kamerateam um uns herum.

Aber die Zuversicht, die Evette ausstrahlt und das Versprechen meines Vaters lassen Hoffnung in mir aufsteigen und mich daran glauben, dass wir die Runde meistern können, ohne stark gegen die anderen abzufallen. Hauptsache, ich kann meinen Vater davon überzeugen, dass ich es ernst meine. Mich einer Aufgabe verschreiben kann und er dadurch erkennt, dass die Fotografie mir wichtig ist.

Die Planung und zwei Tees pro Person später sitzen wir noch immer am Tisch und ich bin gerade dabei, die Lebkuchenplatten zwischen uns auf der Tischplatte auszubreiten.

»Du möchtest meine Bilder sehen?«, frage ich überrascht.

Nach der Ausführung zu meiner Familie und des Deals habe ich damit gerechnet, sie gelangweilt, oder zumindest genug über mich für diesen Abend erzählt zu haben.

Zudem war die Einzige, die mich bisher nach den Ergebnissen meiner Fotosessions gefragt hat, meine kleine Cousine.

»Wenn du sie mit mir teilen möchtest, gerne.« Um nicht zu euphorisch zu wirken, schenke ich ihr ein knappes Lächeln und erhebe mich.

»Bin gleich wieder da.«

Als ich gute fünf Minuten später zurück ins Esszimmer komme, ist Evette aufgestanden. Über den Tisch gebeugt, reiht sie die Schüsseln mit den Süßigkeiten aneinander und macht sich derweil daran, Puderzucker in eine größere Schüssel mit Wasser zu rühren.

Ich trete zu ihr an den Tisch und als sich ihre Aufmerksamkeit auf mich richtet, zeichnet sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen ab.

Es ist nicht das erste Mal an diesem Abend, dass es auftaucht - und ich jeden Moment genossen habe, in dem es ihr Gesicht erhellt hat. Denn immer, wenn ein Lächeln ihr Gesicht verzaubert, leuchten ihre Augen auf. Genau wie in den Momenten, in dem sie von ihrem Job spricht.

Beinahe beschämt musste ich mir während unseres Gespräches eingestehen, dass mein Bild von ihr ein falsches war. Nachdem sie den Auftrag meines Vaters einfach angenommen hatte, ohne zu hinterfragen, warum er sie nicht gleich ausgewählt hatte, hatte ich sie als Ja-Sagerin abgestempelt. Als Frau ohne Rückgrat. Ohne Stolz.

Doch ich beginne zu verstehen, weswegen sie zugesagt hat, ohne weitere Fragen zu stellen oder auf die Begebenheiten einzugehen. Jetzt, wo ich kurz davor stehe, von meinem Vater unterstützt zu werden und mir selbst etwas aufzubauen weiß ich, wie viel ich für eine Chance geben würde. Ihr muss es ähnlich gehen.

»Ist die Konsistenz in Ordnung?« Sie rührt in der Puderzucker-Wassermischung herum und hebt den Schneebesen aus dieser. Das mattweiße Gemisch tropft zurück in die Schüssel und ich werfe einen Blick auf die Packung mit Puderzucker.

»Sie könnte noch ein wenig fester sein, sonst halten die Süßigkeiten nicht.« Eve nickt, greift nach dem Puderzucker und rührt einen weiteren Löffel unter.

Derweil stelle ich meinen Laptop auf den Tisch, fahre ihn hoch und öffne den Ordner, in den ich die Bilder meines letzten Projektes gepackt habe.

Die Bilder sind an einem malerisch schönen Sonntagmorgen entstanden. Mitten im Herbst, während die Bäume in den schönsten Rot- und Orangetönen strahlten und das Licht der kalten Herbstsonne auf sie herabschien.

Kardamomherzen ₂₀₂₃ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt