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Am nächsten Tag versuchte ich wirklich Mamas Vorschlag umzusetzen. Ich versuchte Freunde zu finden. Betonung auf versuchte.
Jedoch stellte sich schnell heraus, dass ich auch auf andere zugehen musste um Freunde zu finden. Nur das will ich nicht. Ich möchte nicht mit Fremden reden weder noch irgendwie anders mit ihnen in Kontakt treten. Ich will einfach sofort in die „Freundschaftsphase" gehen & die unangenehme „Smalltalkphase" auslassen. Ganz besonders möchte ich niemanden ansprechen - das wäre mir ja mal unangenehm. Mein Plan war also warten bis mich jemand ansprach.

Kein wirklich guter Plan wie es sich über den Tag verteilt herausstellte. Ich bekam viele Blicke ab - ich konnte nicht ganz sagen ob sie positiv oder negativ waren. Jedoch trotz der vielen Blicke, sprach mich niemand an. & ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Immerhin will ich ja Freunde - wer will das denn nicht. Nur bin ich eben nicht so gut in sozialen Kontakten pflegen - besonders am Anfang.

Die Pausen verbrachte ich - wer hätte es anders gedacht - allein. Die kleinen 5 Minuten Pausen waren noch okay, da ich darin meistens den Klassenraum wechselte oder meine Bücher für das nächste Fach aus meinem Schließfach holte. Vor der großen Mittagspause hatte ich jedoch schon seit heute Morgen angst. Laut, viele Menschen, viele Blicke. & vor allem ich ganz allein. Ich hasse das Gefühl, dass alle jemanden hatten, Freunde haben, nur eben ich nicht. Ich hasse es!

Meine Ängste waren berechtigt. Ich ging nach der vierten Stunde in die Cafeteria - dort wo eigentlich alle die Pause verbrachten. Es hatte allein schon einige Minuten gedauert bis ich erstmal hingefunden habe. Ich stand in der Tür & blickte durch den großen Raum. Die Geräuschkulisse war furchtbar, überall rannten Schüler herum, drängelten & schubsten. Allein bei dem Gedanken daran da drin die Pause zu verbringen bekam ich Gänsehaut. Lieber nicht.

So schnell wie ich gekommen bin, so schnell ging ich auch wieder - während ich hoffte dass mich niemand beachtet hat. Ich huschte zum ersten Jungsklo welches ich fand & schloss mich dort in die letzte Kabine ein. Tief atmete ich durch - schon viel entspannter von der Ruhe hier. Ich klappte den Klodeckel runter & setzte mich rauf.

Da musste ich wohl meine Pausen am Klo verbringen - nicht so als wäre ich das nicht schon von meiner letzten Schule gewohnt. Vielleicht würde ich ja ein anderes mal - irgendwann - in der Cafeteria essen. Irgendwann wenn ich meine Kopfhörer dabei habe & ich den Lärm nicht ertragen muss.
Eigentlich habe ich sie immer dabei - meine Kopfhörer. Jedoch hatte ich heute vergessen sie zu laden.

Ich packte mein Brot aus der Box die Mama gemacht hat & begann zu essen. Wirklich hunger hatte ich nicht. Also schon, nur ist mir übel. Das Brot war gut. Jedoch wird mir schlecht bei dem Anblick davon. Ich weiß aber auch, wenn Mama sieht dass ich schon wieder nichts gegessen habe, würde sie sich nur noch mehr Sorgen machen.

Das will ich nicht!

***

„Hi Gemma." begrüßte ich meine Schwester mit einem kurzen Schmunzeln. „Hallo Bruderherz! Wie geht es dir?!" fragte sie scherzend & überfröhlich. Ich verdrehte die Augen & stieg ins Auto. Gemma würde sich ab jetzt immer am Dienstag erbarmen um mich von der Schule abzuholen.
Normalerweise würde Mum mich holen, aber Dienstag ist der einzige Tag an dem sie länger arbeiten muss. Also holte Gemma mich am Dienstag & Mama an den restichen Tagen. Sie wollten mir das Busfahren ersparen wofür ich wirklich dankbar bin. Sie wussten beide wie sehr ich es hasse. Viele Menschen, lautes Gerede & das auf engem Platz. Nein danke! Damals als ich noch Bus gefahren bin, war es meistens auch so laut, dass nicht mal meine Kopfhörer es übertönen konnten.

„Hm..." antwortete ich nur als sie wegfuhr. Ich sah wie Gemma mich kurz von der Seite musterte. Sie wollte wissen wie es mir geht - wie es mir wirklich geht.

give me some morphine - LSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt