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Dieser Traum lässt mich einfach nicht mehr los. Meine Gedanken kreisen nur noch um ihn. ,,Welchen wollt ihr euch nähern?", fragt Rhiannon nun leise, was mich aus meinen Gedanken reißt. ,,Keine Ahnung.", sagen Violet und ich gleichzeitig. ,,Ihr habt die Karten doch auswendig gelernt, nicht wahr?", fragt sie und zieht eine Augenbraue hoch. ,,Ihr wisst also, welche da draußen sind." ,,Ja, schon, aber ich habe irgendwie nicht so ein Gefühl, wisst ihr was ich meine?", ich sehe beide an und denke noch im gleichen Moment, dass ich völlig bekloppt bin. ,,Nein, ich weiß was du meinst.", entgegnet Rhi und schaut mich an, als wüsste sie was ich meinen würde, was ich aber bezweifle. Auch Violet nickt und ich kann in ihren Augen sehen, wie in etwa ich mich fühle. Violet wusste immer wie es mir geht. Vor ihr konnte ich nichts verstecken. Desto mehr enttäuscht es mich, das sie mir nicht erzählt was mit ihr los ist. ,,Was ist mit dir?", frage ich sie neugierig. ,,Ich denke an den Grünen. Der, der näher an mir dran stand, als sie auf Tuchfühlung mit Violet gegangen sind." ,,Na ja, er hat dich nicht gefressen, das ist doch ein vielversprechender Anfang." Violet lächelt und ich kann sehen, wie sie ihre Angst runterschluckt. ,,Das denke ich auch.", Rhi hakt sich bei Violet und mir unter und ich konzentriere mich wieder auf das, was Professor Kaori vor uns sagt. ,,Wenn Sie in Gruppen gehen, werden Sie eher verbrannt als gebunden. Die Schriftgelehrten haben die Statistiken dazu ausgewertet- allein sind Sie besser dran." ,,Und wenn wir bis zum Abendessen nicht erwählt wurden?", fragt ein Mann mit kurzem Bart zu unserer Linken. Halb hinter ihm steht Jack Barlow, der Violet anstarrt und eine Drohgebärde macht, indem er sich mit dem Daumen über die Kehle fährt. Dann stellen sich Tynan und Oren hinzu und flankieren ihn wie eine Eskorte. ,,Wenn Sie bis zum Anbruch der Dunkelheit nicht erwählt worden, gibt es ein Problem.", antwortet Professor Kaori und die Enden seines dichten Schnurbartes biegen sich nach unten. ,,Sie werden dann von einem Professor oder jemandem aus der Führungsebene rausgeholt, also geben Sie nicht auf und denken, wir hätten Sie vergessen." Er wirft einen Blick auf seine Taschenuhr. ,,Denken Sie daran, sich zu verteilen und jeden Quadratzentimeter des Tals zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Es ist neun Uhr und das heißt,  dass die Drachen jede Minute einfliegen werden. Nun bleibt mir nur noch zu sagen: Viel Glück." Er nickt und blickt uns der Reihe nach mit einer solchen Intensität an, dass ich weiß, dass er diesen Moment in Zukunft in einer Illusion wiederaufleben lassen können wird. Dann geht er davon, marschiert rechts von uns den Hügel hinauf und verschwindet zwischen den Bäumen. In meinem Kopf geht alles drunter und drüber. Entweder ich sterbe hier und jetzt, als Feigling, oder ich ziehe es durch und bin eine Reiterin. Zwei wichtige Entscheidungen, die nicht in meiner Hand liegen. Also größtenteils. Wenn ich so dumm bin und mich töten lasse, werde ich wahrscheinlich über meine Dummheit lachen, aber das wird nicht passieren. Also hoffentlich. ,,Seid vorsichtig.", Rhiannon schlingt die Arme um uns beide und drückt fest zu. ,,Du auch." antwortet Violet. ,,Und nicht streben, alles klar?", es ist mehr ein Befehl, als eine Frage. ,,Nicht sterben!", befiehlt jetzt auch Ridoc und ich lächle ihn nur mit einem Verdrehen der Augen an. Und als wir dann alle in verschiedene Richtungen davongehen, wünschte ich mir, ich wäre lieber Zuhause geblieben. 

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Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, bin ich schon sehr, sehr lange hier draußen. Noch ist es hell, aber die Dämmerung wird bald eintreffen. Ich bin gefühlt den ganzen Wald schon zweimal abgelaufen, bin etlichen Drachen in den Weg gelaufen, doch blieb unversehrt. Ich schätze ich sollte mich freuen doch, keine Ahnung, mir ist nicht nach freuen zumute. Ich habe eher Angst. Angst nicht gebunden zu werden. Angst den Erwartungen meines Vaters nicht gerecht zu werden. Angst womöglich zu sterben. Angst nicht einmal richtig gelebt zu haben, bevor meine Seele zu Malek aufsteigt. Ich kenne den Wald wie meine Westentasche und doch kommt es mir so vor, als würde alles gleich aussehen. Ich steure auf eine Lichtung zu, die, wie es scheint, leer zu stehen. Ich gehe bis ganz inmitten der Lichtung und lass mich nieder. Ich weiß, womöglich eine dumme Idee, aber ich bin kaputt. Kaputt vom laufen. Kaputt gegen andere Kadetten um mein Leben zu kämpfen. Einfach nur kaputt. Also lege ich mich wie ein Seestern hin und schaue gen Himmel. Das Himmelblau verfärbt sich langsam und die Dämmerung tritt immer näher. Ich schließe die Augen. Ich kann nicht mehr

Plötzlich spüre ich kräftige Flügelschläge und ich reiße die Augen auf. Über mir fliegt ein Roter, doch ich kann nicht erkenne, welcher Rasse er zugehört. Ich reiße die Augen auf und rolle mich instinktiv zur Seite, rapple mich hoch. Er kommt direkt vor meinen Füßen zum landen und steht. Ja, ganz richtig, er steht einfach nur da. Und sieht mich an. Er neigt den Kopf zu mir heran und beschnuppert mich. Vor lauter Panik vergesse ich was man macht, wenn man einem Roten zu nah kommt. Shit, wie war das denn noch? Dann baut er sich vor mir auf und es sieht tatsächlich für einige Sekunden so aus, als wollte er mich verbrennen. Ich bereite mich mental auf meinen Tod vor. Mein Puls auf hundertachtzig. Ich schwitze, alles schwitz. Meine Gedanken rasen. Wie war das noch mit nicht streben? Ich zähle schon die Sekunden, wann ich endlich erlöst werde, schließe meine Augen und-

 Zwei kräftige Arme schieben mich hinter sich und erschrocken blicke ich auf. Ein blonder großer breiter gutaussehender muskulöser Mann hatte sich vor mich geschoben, der verdächtig nach Mairi aussieht. Warte. Liam? Jetzt schnappe ich noch panischer nach Luft. Was zum Teufel macht er hier? Der Rote beäugt ihn skeptisch, beschnuppert ihn und sieht ihn an. ,,Was zum Teufel machst du hier?!", fauche ich ihn leise an. ,,Dich wieder einmal retten, was denkst du denn?", faucht er genauso zurück. ,,Wolltest du mich nicht letztens noch umbringen?" ,,Halt  endlich die Klappe!", befiehlt er jetzt. Er geht ein paar Schritte vor und sieht dem Drachen direkt in die Augen. Was zum-

Dann geht er weg. Naja, was heißt weg, aber er geht ein paar Schritte nach links, vorauf hin der Drache ihm folgt. Mairi opfert sich doch jetzt nicht wirklich für mich, oder? Soll ich jetzt weglaufen oder ihm helfen? Nein, ich bin eine Avenell, ich laufe nicht weg! Mairi und der Drache sind schon hinter den Bäumen verschwunden, deswegen muss mich mich beeilen um hinterher zu kommen. Ich sehe wie der Rote Dolchschwanz mit dem Schwanz zu mir steht, vor ihm sehe ich Liam und wie er sein Maul aufreißt und fuck, er frisst ihn! Schnell zücke einen meiner Dolche und werfe ihn auf den Roten Dolchschwanz zu. Natürlich treffe ich, ich bin ja nicht umsonst die zweit beste unseres Jahrganges. Unter Mairi. Und wundere wieder ich mich, warum zur Hölle ich ihn rette, wenn er mich doch umbringen will? Der Kopf des Dolchschwanzes schnellt zu mir herum ,in seinen Augen ein Zorn den ich selten sehe.  Aber warte was? Er wollte Liam gar nicht fressen, geschweige denn töten? Oh oh, jetzt bin ich am Arsch. In einem Affenzahn kommt er zu mir rüber und ich sehe wie sein Maul schon aufgeht, als etwas so großes hinter mir landet, dass die Erde bebt. Dieses etwas muss gigantisch sein, denn auch der Rote Dolchschwanz hält abrupt an und schaut hoch. Ja richtig, dieses Zehnmeter Vieh schaut hoch! Wieviel höher denn noch? 



Wishless | Liam MairiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt