9

172 11 0
                                    

,,Sie gehören dir.", sagt Garrick zur Ersten Geschwandenführerin des Quadranten, Nyra, dich ich schon ein paar Mal in Gefechtskunde mit Riorson habe flüstern sehen. Ihre Uniform ist wieder an den Schultern mit diesen für sie charakteristischen Stacheln besetzt, aber diesmal sind sie goldfarben und sehen verdammt spitz aus- so als wollte sie heute besonders knallhart wirken. Sie nickt und schickt ihn weg. ,,In einer Reihe!" Wir stellen uns hinter auf. Ich stehe hinter Violet, Rhiannon hinter mir und vor Violet Tynan. Wie wunderbar. ,,Sprecht.", sagt die Erste Geschwadenfühererin und verschränkt die Arme vor der Brust. ,,Ein schöner Tag für eine Parade.", witzelt Ridoc. ,,Nicht mit mir.", die Erste Geschwandenführerin starrt Ridoc an, dann deutet sie mit der Hand unsere Reihe entlang. ,,Sprecht mit den Staffelkameraden in eurer Nähe, während ihr den Weg an den Drachen vorbei entlanggeht, das hilft den Drachen ein Gefühl dafür zu bekommen, wer ihr seid und wie gut ihr mit anderen auskommt. Es besteht ein Zusammenhang zwischen gebundenen Kadetten und ihrer Redefreundlichkeit. Guckt euch die Drachen ruhig an, vor allem wenn sie euch ihre Schwänze präsentieren, aber vor direktem Blickkontakt rate ich ab, wenn euch euer Leben lieb ist. Wenn ihr an eine verkohlte Stelle kommt, vergewissert euch, dass nichts mehr brennt, bevor ihr weitergeht." Sie legt eine Pause ein, damit wir diesen Hinweis erst mal sacken lassen können, dann fügt sie hinzu:,, Wir sehen uns nach eurem kleinen Spaziergang." Mit einer auffordernden Geste tritt die Erste Geschwadenführerin zur Seite und gibt den Pfad frei, der durch die Mitte des Caynons führt. Ein Stück weiter oben sitzen aufgereiht am Wegesrand, so reglos wie Wasserspeier, die hundertundeins Drachen, die dieses Jahr einen Reiter binden wollen. Ich schiebe meine Angst beiseite, während wir auf den Pfad hinaustreten. DEr Boden unter meinen Stiefel ist bodenhart und in der Luft liegt eindeutig ein schwefeliger Geruch. Zuerst gehen wir an einem Trio roter Drachen vorbei. Ihre Krallen sind so groß, dass mir ein kalter Schauer den Rücken runterläuft. ,,Hab ich dir eigentlich schonmal gesagt, das ich deine vielen Sommersprossen umwerfend finde, Emalyn?", ruft mir Ridoc von irgendwo vorne zu. Er versucht seine Angst zu überspielen, aber in dem Klang seiner Worte finde ich mich wieder. ,,Nein, tatsächlich nicht, aber Dankeschön. Ich mag deine Augen sehr gerne.", gebe ich zurück. ,,Danke!",  antwortet er, vorauf ich lächeln muss. ,,Ich kann nicht mal ihre Schwänze sehen!", ruft Tynan vor Violet. ,,Woher sollen wir wissen, zu welcher Rasse sie gehören?" Ich schaue mir die Drachen ganz genau an und bin überwältigt von den Anblicken dieser erstaunlichen Wesen. ,,Wir sollen gar nicht wissen, welcher Rasse sie angehören.", antwortet Violet. ,,Das ist doch Scheiße.", sagt Tynan über seine Schulter hinweg. ,,Ich muss wissen, welchem ich mich beim Dreschen nähern möchte." ,,Ich bin mir ziemlich sicher, dieser kleine Marsch dient dazu, dass sie entscheiden können.", gebe ich sachlich wieder. ,,Hoffentlich entscheidet einer von ihnen, dass du es nicht zum Dreschen schaffst.", raunt Rhiannon hinter mir und ihre Stimme ist so gedämpft, dass ich sie fast nicht höre. Ich muss kichern, als wir uns zwei Braunen nähern. ,,Sie sind etwas größer, als ich dachte.", sagt Rhiannon jetzt etwas lauter. ,,Ich habe zwar welche am Einberufungstag gesehen, aber...." Ich drehe den Kopf halb zu ihr um und bemerke, wie ihr Blick zwischen den Drachen und dem Weg hin und her flackert. Sie ist offensichtlich nervös.  

,,Weißt du eigentlich, ob du eine Nichte oder einen Neffen bekommst?", fragt Violet vor mir und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir beide wissen wie nervös Rhi ist. Auch Violet ist nervös, das sehe ich an ihrer Haltung. ,,Was?", antwortet sie. ,,Ich habe gehört, dass einige Heilkundige ab einem gewissen Zeitpunkt in der Schwangerschaft ziemlich gut einschätzen können, was es wird." ,,Oh. Nein.", sagt sie. ,,Keinen Schimmer. Obwohl ich irgendwie hoffe, dass sie ein Mädchen kriegt. Ich werde es wohl erst herausfinden, wenn das Schuljahr vorbei ist und wir unseren Familien schreiben dürfen." ,,Diese Regel ist so bescheuert.", sage ich über meine Schulter hinweg. ,,Du denkst nicht, dass es die Loyalität gegenüber des Geschwaders stärkt?", fragt Rhiannon. ,,Ich glaube, ich bin meiner Schwester gegenüber genauso loyal, egal ob ich jetzt einen Brief von ihr bekommen habe  oder nicht.", entgegnet Violet und ich nicke ihr zustimmend zu. ,,Es gibt Bindungen, die können nicht in die Brüche gehen." ,,Ich wäre deiner Schwester gegenüber auch loyal.", wirft Tynan ein und dreht sich grinsend zu Violet um. ,,Sie ist eine verflucht krasse Reiterin und dann dieser Arsch. Ich habe sie am Einberufungstag gesehen und verdammt, Violet, sie ist echt heiß." Wir gehen an zwei Roten vorbei, dann an einem einzelnen Braunen und danach an einer Gruppe Grüner. ,,Dreh dich wieder um.", Violet macht eine kreisende Handbewegung mit dem Finger. ,,Mira würde dich ungekocht zum Frühstück essen, Tynan." ,,Ich frage mich nur,  wieso die eine von euch sämtliche guten Eigenschaften abbekommen hat und die andere aussieht, als hätte sie nur die Resten abgekriegt." Sein Blick gleitet über Violets Körper und ich erbreche gleich. So ein widerlicher Scheißkerl. ,,Die einzigen Reste die ich sehe, bist du, wenn ich dir gleich dein Genick brechen werden und wir beide wissen das werde ich.", böse funkele ich ihn an und er verstummt sofort. Vi lächelt mich an und ich erwidere es. ,,Ein Neffe wäre auch gut.", sagt Rhiannon ungerührt, so als wäre die Unterhaltung nie unterbrochen worden. ,,Jungen sind gar nicht so übel." 

                                                                    *

                                                                                 *

                                                            *

Das Dreschen findet immer am ersten Oktober statt. ,,Denken Sie daran, hierauf zu hören.", sagt Professor Kaori, der vor uns hundertsiebenundvierzig Kadetten steht, und klopft sich dabei gegen die Brust. Doch den Rest der Rede bekomme ich nicht mit, denn meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Zu dem, was mich die ganze Nacht wach gehalten hat. Ich war im Wald. Es war dunkel. Das Dreschen hatte begonnen. Doch ich war allein. So ganz allein. Meine Stiefel auf dem feuchten Waldboden waren das einzige Geräusch, welches weit und breit zu hören war. Außer meinem schnellem Atem natürlich. Ich war von Bäumen umzingelt. Doch viel konnte ich eh nicht erkennen, dank des dichten Nebels. Mein Puls war auf einem hohen Stand und ich guckte mich immer wieder um. Dann plötzlich, mächtige Flügelschläge waren zu hören. Von über mir, doch ich konnte nichts erkennen. Panisch blickte ich mich zu allen Seiten um. Ich atmete so schnell, dass ich drohte umzukippen. Der Flügelschlag wurde lauter und lauter und das Adrenalin schoss in Lichtgeschwindigkeit durch meinen Körper. Mit weit aufgerissenen  Augen erkundigte ich meine Umgebung, also das was ich durch den Nebel sehen konnte. Es wird immer lauter und lauter. Ich bekam kräftige Windstöße ab, und ich konnte nur schwer erkennen, das etwas ganz in der Nähe gelandet ist. Ich lief weiter, zu einer nah gelegenen Lichtung und dort sah ich etwas was ich auch nur ansatzweise hätte zuordnen können. Ein Drache, noch viel größer als die, die ich bereits kannte. Er sah majestätisch aus und seine Augen waren so schön. Und er hatte eine Farbe, die- Doch dann traf mich etwas und ich sah nur Licht. Es war hell und beißend und dann wachte ich auf. 

Wishless | Liam MairiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt