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Der Rote hält in seiner Bewegung inne. Wie versteinert steht er da, starrt so ungläubig über mich, dass ich mich am liebsten umgedreht hätte. Aber nein, Emalyn, schaue dem Tod niemals ins Auge, oder wie war das noch? Meine Gedanken spielen verrückt. Mein ganzer Körper spielt verrückt. Ich werde streben, noch bevor ich einundzwanzig bin! 

Der Rote taumelt ein paar Schritte zurück und stellt sich beschützend vor Liam. Liam. Ihn habe ich ja ganz vergessen. Er steht da und schaut so überrascht, aber auch verwundert, aber auch erschreckt, aber auch ängstlich über mich. Doch dann hat er sich wieder gefangen und sieht mich mit so einer Sorge an, als wäre ich ihm wichtig. Ein Lachen verlässt meine Kehle. Wichtig. Ich. Und Liam. Diese Worte passen nicht in einen Satz. Er machte ein paar Schritte auf mich zu, doch ein gefährliches Knurren hinter mir, lässt ihn innehalten. Er wartet. Wartet noch etwas, bis er sich wieder auf mich zu bewegt. Er schaut abwechselnd zwischen mir und der großen Bestie hin und her, während er sich nähert. ,,Verdammt, Emalyn. Komm da weg!", ruft er mir zu und fixiert das Etwas über mir mit einem angsterfüllten Blick. ,,Warum? Angst ich könnte sterben? Ach warte, du bist ja der, der mich töten will. Wie blöd, jetzt übernimmt es dieses Ding hier.", ich deute über mich. ,,Emalyn, mach keinen Scheiß und komm jetzt her.", er hält mir seine Hand hin, denn anscheinend traut er sich nicht näher als Zehnmeter ran. Ich schaue ihm direkt in die Augen, die Sorge um mich ist ihm ins Gesicht geschrieben. Doch ich bewege mich keinen Zentimeter. Die Angst, die ich gerade noch verspürt habe, ist schlagartig weg und ich finde es viel spannender in zu provozieren. ,,Emalyn! Bitte.", das flehen in seiner Stimme lässt mich innehalten. Ist das gerade wirklich passiert? Hat er mich gerade angefleht? Mit hochgezogener Augenbraue schaue ich ihn an. Ich mache immer noch keine Anstalten mich zu bewegen. Soll er doch betteln. Das würde ich gerne mit ansehen. ,,Du raubst mir echt den letzten Nerv.", brummt er und will gerade einen Schritt auf mich zu machen, als er, sie, es über mir bedrohlich knurrt. ,,Sag deinem Loverboy er soll nicht noch näher kommen, sonst wird er mein blonder Nachtisch.", eine weibliche, bedrohliche Stimme ist in meinem Kopf. Ja, ganz richtig, in meinem Kopf! Was zum Teufel? Werde ich paranoid? Ich muss in die Klapse. Ein weiteres Knurren über mir, als Liam mit jedem Schritt näher kommt. ,,Kann hier jemand übersetzten? Anscheinend versteht dieser Lockenkopf unter mir meine Sprache nicht." Wieder diese Stimme. ,,Ich-ich-", stammle ich völlig verwirrt. Verdammt, Emalyn, reiß dich zusammen! ,,Liam? Du musst umdrehen.", gebe ich verwirrt von mir. Er hält inne und schaut mich genauso verwirrt an, wie ich mich fühle. ,,Was?" ,,Du. Drehst. Jetzt. Um. Sonst. Bist. Du. Asche.", jedes einzelne Wort betone ich deutlicher. ,,Nein." Ist dieser Kerl dumm? ,,Doch." ,,Ich werde dich hier nicht zurücklassen." Als er wieder ein paar Schritte vorwärts geht, tritt sie näher an mich heran und ich spüre wie ihr Kopf meterweise über meinem ragt, doch ich traue mich nicht hoch zu schauen. ,,Letzte Warnung, Lockenkopf. Sonst ist dein kleiner Freund hier entweder in meinem Magen oder wie du bereits sagtest Asche." ,,Liam! Verdammt nochmal, geh zurück zu diesem Dolchschwanz! Das ist ihre letzte Warnung!", schreie ich schon fast. ,,Sie?", ist das einzige was er sagt. ,,Du wurdest gebunden von dem Ding da?" ,,Was fällt diesem kleinen Menschen ein, mich so zu beleidigen!", diese Stimme in meinem Kopf ist wütend. Sehr wütend.  Sie tritt noch einen Schritt nach vorn, so dass ihr eines Vorderbein mich berührt und in meinem Blickwinkel taucht ihr Kopf auf. Das kann doch nicht sein. Wie im Bann drehe ich mich zu ihr um und ich wäre fast umgekippt. Meine Hände schwitzen. Meine Zähne klappern, so doll zittere ich bereits. Das ist der Drache aus meinem Traum! Dieser majestätische Kopf. Dieser unheimlich große Drache, der locker alle anderen überreicht mit seiner Größe. Diese Augen. Eigentlich sind sie Olivgrün, doch um die Pupille zieht sich ein brauner Hauch. Wow. Das ist das erste Wort, das mir einfällt, wenn ich diesen Drachen sehen. Selbst hier, in der Realität ist er genauso wie in meinem Traum. Wunderschön. Gefährlich. Riesig. Weiß.

Dieser Drache, hier vor mir, ist weiß. So weiß wie Schnee. ,,Du bist weiß.", erkläre ich fassungslos. ,,Ach, auch schon bemerkt?", gibt sie pampig zurück. ,,Hey! Kein Grund mich so an zu pampen!" ,,Sag das deinem Loverboy." ,,Verdammt nochmal, Liam! Geh zurück zu deinem scheiß Drachen oder du wirst lichterloh brennen!", fahre ich ihn sauer an. Als würde er erst jetzt die Bedeutung dieser Worte entschlüsseln, sieht er erschrocken erst mich, dann sie an und geht langsam rückwärts. ,,Und er ist nicht mein Loverboy.", erkläre ich. ,,Das ist jetzt erstmal Nebensache, Lockenkopf.", sie tritt vor mich und senkt ihren Hals, was so anscheinend ähnlich wie eine Verbeugung  darstellen soll. ,,Ich bin Azuriteray, Tochter von Murtcuideam und Fiaclanfuil, und ich stamme von der listigen Dubhmadinn-Linie an." Ich starre sie mit offenem Mund an. Bitte was? ,,Kurz, Azurite." Sie hebt ihren Kopf wieder und schaut mich mit ihren neugierigen Augen an. ,,Ich bin-" ,,Ich weiß, wer du bist, Emalyn. Emalyn Lianna Avenell, Tochter von Alastor Avenell und Ruelle Avenell. Deine Mutter verstarb vor fünf Jahren, was ich sehr bedaure. Mein Beileid." Ich sehe sie überrascht an und dann trifft es mich, wie ein Schlag ins Gesicht. Mum. Wie ich sie vermisse. Wenn sie mir Abends, im Bett, durch die langen Locken gestrichen hat. Wie sie mir aus diesem alten Geschichtenbuch vorgelesen hat, mit den Veneni und Wyvern. Ich vermisse sie so verdammt doll. 

Ich werde zurück in das Jetzt gerufen, durch einen warmen Windhauch, über meine Wange. Azurite ist dicht an mich heran getreten und ihre Nase berührt leicht meine Wange, während sie immer wieder in meine Locken pustet. Ich muss kichern. Plötzlich taucht Liam hinter Azurite auf und sie knurrt ihn bedrohlich an. ,,Alles gut. Er tut mir nichts.", beruhige ich sie und gehe auf Liam zu. Hoffentlich. ,,Das habe ich gehört!" Ich verdrehe die Augen und gehe weiter auf ihn zu. Als ich bei ihm angekommen bin, wollte er gerade seine Hände heben, doch beschließt sie wieder runter zu nehmen. Die Sorge ist ihm ins Gesicht geschrieben. ,,Warum so besorgt? Wolltest du mich nicht letzte Woche noch umbringen?", frage ich ihn provokativ. ,,Das war vor einem Monat.", gibt er gleichgültig zurück. Hinter mir knurrt Azurite. ,,Ich dachte er tut dir nichts?" Ich ignoriere sie gekonnt und schaue Liam wieder an. ,,Cool, und was ist in diesem Monat so lebensverändertes passiert, dass du mich nicht mehr töten willst?" ,,Das du jetzt diesen riesigen Drachen hast und das er fucking weiß ist?", es ist mehr ein Vorwurf, als eine Antwort. ,,Ach so okay, weil ich dich jetzt womöglich umbringe, oder was, und du dich auf den letzten Meter noch einschleimen musst, damit ich es nicht tue?", ich funkelte ihn wütend an. ,,Nein, so war das nicht gemeint, das weißt du, Emalyn." Emalyn. Mein Name gleitet ihn wie eine pure Sünde über die Lippen und ich liebe es. Nicht das ich nicht so oder so bei seinem Anblick beinahe komme, doch meine Namen von ihm zu hören, zwingt  mich fast in die Knie. ,,Und wie ist es gemeint, Liam?", mit erhobenem Kinn schaue ich zu ihm empor, das Funkeln in seinen Augen entgeht mir nicht, als ich seinen Namen langsam ausspreche. ,,Weil Xaden nicht will, dass du vorzeitig stirbst, Emalyn.", auch er schaut mich jetzt so verlockend an, dass ich mich am liebsten auf die Zehenspitzen gestellt hätte und meine Lippen verlangend auf seine gedrückt hätte. Nein, Emalyn, reiß dich zusammen. ,,Ach ja, ist das so, Liam?", ich spreche diesen Satz mit so viel Verlangen aus, dass sich Liams Pupillen vor Lust weiten. ,,Oder willst du nicht das ich draufgehe?" ,,Möglicherweise.", nun schaut er mir nicht mehr in die Augen, er starrt wortwörtlich auf meine Lippen. Seine sind leicht geöffnet, während er noch näher kommt. Was machen wir hier? Kurz bevor unsere Lippen miteinander kollidieren, durchzuckt ein schriller Schrei die Luft. 

Wishless | Liam MairiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt