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Leicht benebelt wache ich auf der Krankenstation wieder auf. Ich fühle mich schwach und zerbrechlich. Ich blicke mich müde um und kann eine Schwester entdecken. ,,Entschuldigung!" Sie schaut in meine Richtung, lächelt und kommt herüber. ,,Ah, sie sind wach, wie schön!", begrüßt sie mich freudig. ,,Ja, ähm, ich wollte fragen, ob Sie vielleicht wissen was passiert ist und warum ich hier bin?" ,,Genau, Sie hatten in den letzten Nächten eindeutig zu wenig erholsamen Schlaf und genug gegessen haben Sie auch nicht, weswegen ihr Kreislauf versagt hat. Es wäre besser, Sie würden dies sorgsam nachholen. Solange Sie nicht ansprechbar waren, haben wir Sie mit Schläuchen ernährt, Sie müssten jetzt nur noch etwas schlafen.", sie lächelt mir freundlich zu. ,,Danke. Wann dürfte ich denn wieder gehen?" ,,Sobald sie möchten, Sie sind jetzt wieder stabil genug, von daher.", erklärt sie. ,,Okay, danke.", ich versuche die Beine vorsichtig vom Bett runter zu schwingen und mich aufzusetzten. ,,Wer, wenn ich fragen darf, hat mich hierher gebracht?", frage ich neugierig. ,,Ein großer blonder Mann, in ihrem Alter. Zufällig Ihr Freund?", fragt sie. ,,Nein, tatsächlich nicht.", antworte ich. ,,Wie schade. Er scheint Sie wirklich zu mögen. Er war jedenfalls jeden Tag hier und hat Ihnen neue Blumen ans Bett gestellt und sich nach Ihnen erkundigt.", erzählt sie und lächelt verliebt. ,,Moment. Wie lange war ich bewusstlos?", ich sehe sie alarmiert an. ,,Drei Tage." Meine Augen weiten sich. 

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Am Abend sitze ich gemeinsam mit Violet auf ihrem Bett. ,,Was habe ich verpasst?", frage ich sie und schaue sie erwartungsvoll an. ,,Naja, nicht viel, außer das Amber Mavis nun tot ist, weil bei der Attentat mitgeholfen hat und Liam mir jetzt überallhin folgt. Er war sogar gestern mit beim Bibliotheksdienst und hat den Wagen repariert.", erklärt sie völlig entspannt. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. ,,Amber? Und Liam kommt jetzt wirklich überall mithin, wo du auch bist?", in Gedanken bete ich, dass es nicht der Fall ist. ,,Ja. Und Dain hat mir zuallererst nicht geglaubt! Was läuft da zwischen dir und ihm? Also ich meine Liam.", sie sieht mich gespannt an. ,,Nichts! Also meinerseits. Warum?", antworte ich wahrheitsgemäß. ,,Weil er dir jeden Tag neue Blumen gebracht hat und sich andauernd nach dir erkundigt hat.", erklärt sie und sieht mich mit diesem Blick an, den ich nur allzu gut kenne. Den >Du lügst mich doch nicht an, oder?< Blick. Ich lege den Kopf schief. ,,Wie gesagt, meinerseits läuft da nichts. Und er meinte ja selber, dass er das auch nicht möchte, von daher." Sie reißt ihre Augen auf. ,,Das heißt, du und Liam kennt euch schon länger?" ,,Ja, also nein, also keine Ahnung.", ich seufze. ,,Er hat mich über den Viadukt getragen, weil ich ohnmächtig geworden bin, wegen meiner Höhenangst, du weißt schon. Dann wollte er mich umbringen. Dann hat er gedroht mich umzubringen. Und dann sind wir uns nochmal beim Dreschen begegnet, Deigh wollte mich auspusten und Liam hat mich irgendwie beschütz, schätze ich. Dann wollte Deigh mich wieder töten, aber dann kam Azurite. Und dann nochmal als du angegriffen wurdest, er hat mich verarztet, als ich einen Dolch in meinem Arm hatte und da hat er mir auch gesagt, dass er das nicht will. Ich wollte es auch nicht, von daher.", ich zucke mit den Schultern. Ihr Mund geht kurz auf, klappt sich dann aber wieder zu. ,,Ich- Das ist krass. Dann kennt ihr euch ja genauso lange, wie Xaden und ich-", erst jetzt realisiert sie, die Bedeutung ihrer Worte und schaut mich mit großen Augen an. ,,Nein, gar nichts. Vergesse bitte was ich gerade gesagt habe." Ich schaue ihr so tief in die Augen, dass sie wegguckt. ,,Nein. Erzähl schon. Ich hab's dir auch erzählt.", fordere ich. Sie seufzt. ,,Na gut. Xaden wollte mich auch umbringen, ich glaube die Geschichte kennen wir alle. Aber ich glaube ich habe jetzt Gefühle für ihn.", gesteht sie. Meine Augenbrauen fliegen in die Höhe. ,,Bitte was?" ,,Ich glaube, ich habe Gefühle für Xaden Riorson.", wiederholt sie langsam. Mir fehlen die Worte. ,,Scheiße, Vi. Ich- Scheiße, ich glaube ich bin überfordert.", ich starre Violet weiter mit offenem Mund an. ,,Emalyn, erzähl mir keinen Scheiß. Ich sehe doch wie du ihn ansiehst.", lenkt sie vom Thema ab. Ich seufze. ,,Du hast auch Gefühle für ihn.", stellt sie fest.  ,,Aber ich darf keine Gefühle für ihn haben.", antworte ich und schaue aus dem Fenster. ,,Aber du hast sie trotzdem, nicht wahr?", sie sieht mich so mitfühlend an, dass ich mich wieder zu ihr umdrehe. ,,Mehr als mir lieb ist.", ich atme tief ein und aus. ,,Scheiße. Wir sind am Arsch.", die Feststellung von Violet kommt sehr schnell und ich nicke zustimmend. ,,Aber sowas von." 

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,,Das ist wirklich nicht nötig." Violet wirft einen Seitenblick auf Liam, als wir auf den Eingang des Archivs zuhalten. Der Bibliothekswagen quietscht nicht mehr. Violet hatte Recht, er hat ihn reparieret. ,,Das sagst du mir jetzt seit einer Woche." Er grinst und ein Grübchen tritt zutage. ,,Und trotzdem bist du hier. Jeden Tag. Tag ein, Tag aus.", antwortete Violet. ,,Bis ich einen anderen Befehl erhalte.", sagt er und schaut flüchtig zu mir herüber. Violet schüttelt über ihn den Kopf, als Pierson von seinem Platz neben der Archivtür aufspringt und sich hastig seine cremefarbene Tunika glatt streicht. ,,Ich wünsche einen guten Morgen, Kadett Piorson.", begrüßt Violet ihn. ,,Guten Morgen, Kadett Piorson.", auch ich begrüße ihn mit einem Lächeln. ,,Ebenso, Kadettin Sorrengail und Kadettin Avenell.", er schenkt uns ein zuvorkommendes Lächeln, das erstirbt, als er zu Liam herübersieht. ,,Kadett Mairi." ,,Kadett Pierson.", erwidert Liam, als ob der Schriftgelehrte ihm gegenüber nicht einen völlig anderen Ton angeschlagen hätte. Ich sehe wie Violets Schultern sich anspannen, als Pierson zur Tür eilt und sie öffnet. Ich kann sie gut verstehen. Am liebsten hätte ich ihn jetzt angeschrien, was mit ihm los ist, aber ich belasse es bei einem Schweigen.  Wir betreten das Archiv und warten an dem Tisch, so wie jeden Morgen. ,,Wie machst du das?", fragt ihn Violet im Flüsterton. ,,Nicht ausrasten, wenn Leute dich so grob behandeln." Er sieht kurz zu mir rüber. ,,Du bist doch auch grob zu mir.", scherzt er und trommelt mit den Fingern gegen den Bücherwagen. ,,Weil du mein Babysitter bist, nicht weil....", Violet verschluckt den letzten Satz. Hätte ich auch an ihrer Stelle. ,,Weil ich der Sohn der in Ungnade gefallenen Colonel Mairi bin?" Der Muskel an seinem Kiefer zuckt und einen Herzschlag lang zieht er die Stirn kraus, bevor er wegschaut. Violet nickt und mit Sicherheit wird uns beiden Flau im Magen. ,,Ich bin wohl nicht viel besser. Ich habe Xaden auf anhieb gehasst, obwohl ich nicht das Geringste über ihn wusste." Liam schnaubt spöttisch, was uns einen strengen Blick von einem Schriftgelehrten aus der hintersten Ecke einträgt. ,,Er hat diese Wirkung auf Leute, vor allem auf Frauen. Entweder sie hassen ihn für das, was sein Vater getan hat." Sein Blick huscht zu mir und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Ich fühle mich so schlecht. ,,-Oder sie wollen aus demselben Grund mit ihm ins Bettsteigen, je nachdem, wo wir gerade sind." ,,Du kennst ihn wirklich gut, oder?" Violet reckt den Hals, um ihm ins Gesicht blicken zu können. ,,Er hat dich nicht nur einfach ausgesucht, um mich zu beschatten, weil du der Beste in unseren Jahrgang bist." ,,Das merkst du jetzt erst, ja?", ein Grinsen erhellt sein Gesicht. ,,Ich hätte es dir ja gleich am ersten Tag gesagt, wenn du nicht so beschäftigt damit wärst, dich über das Vergnügen meiner Anwesenheit zu empören." Ich unterdrücke ein Kichern, aber ein Lächeln kann ich nicht verbergen. Liam schaut zu mir herüber und auf seinem Gesicht erhebt sich ebenfalls ein Lächeln. Er lächelt mir zu, für einen kurzen Moment, dann verändert sich sein Gesicht rückartig und es ist steinhart. Violet verdreht die Augen, als Jesinia sich nähert, ihr Haar ist unter der Kapuze versteckt. ,,Hallo, Jesinia.", gebärden Violet und ich gleichzeitig. ,,Guten Morgen.", gebärdet sie zurück und um ihre Lippen zuckt ein schüchternes Lächeln, als sie Liam sieht. Mir wird heiß. ,,Guten Morgen.", gebärdet er und zwinkert ihr zu. Das Flirten scheint er anscheinend nicht verstecken zu wollen. Mir wird noch heißer. Etwas von ganz unten, brodelt in mir auf und ich verabscheue es. Es hört gar nicht mehr auf und beginnt meinen Verstand zu fluten. Eifersucht. Bevor ich hier vor allen explodiere, entschuldige ich mich und verschwinde. ,,I-Ich muss mal frische Luft schnappen.", und somit verlasse ich das Archiv. 

Wishless | Liam MairiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt