Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase. Ich wollte mich für einen Moment kratzen, wobei meine Hand einen Körper vor mir - oder besser gesagt: an meiner Brust - kurz streifte. Ich öffnete meine Augen widerwillig, weil die Sonne blendete und blickte in Rafis friedlich aussehendes, schlafendes Gesicht.
Er sah so schön aus, wenn er nicht so verzweifelt dreinschaute oder ins Nichts starrte. Er musste nicht mal lachen...Ich ließ meinen Blick noch kurz auf ihm ruhen, und versuchte ihn dann zu wecken. Kein Chance. Zuvor flüsterte ich ihm sanft seinen Namen zu, dann redete ich auf ihn ein und dann wurde ich immer "aufdringlicher". Er lag direkt auf meinem Arm, und so konnte ich nicht aufstehen. Als ich es dann schaffte, ihn vorsichtig zu heben und ihn sacht wieder abzulegen, streckte ich mich und stieg danach vorsichtig über ihn hinüber.
Die Uhr zeigte 6:51 an. Wir hatten also noch Zeit bis um Acht. Und Stegi und Tim waren auch schon verschwunden. "Besser so", dachte ich bei mir und musste lachen. Wie Tim den Blondhaarigen manchmal angesehen hatte. Ich fand, es war ziemlich obvious, dass er in Stegi verschossen war. Und dass, obwohl ich nicht viel mit ihm zu tun hatte. Von Stegi wusste ich, dass er auch in Tim war. Wann die sich wohl mal aussprechen werden?
Ich drehte mich nochmal zu Veni um. Er lag dort an der Felswand und schlief immer noch. War auch besser so. So konnte ich jetzt meiner Aufgabe nachgehen: Essen holen.
Wenn ich Glück hatte, waren noch nicht viele wach und ich könnte einiges besorgen.Ich stieg den Berg hinab und fand im Wald, der den Gipfel vollständig umgab, zwei Kühe. Also eine Mutterkuh und ein Kalb. Das Kalb ließ ich laufen, dass brächte uns nichts und den anderen deshalb wahrscheinlich auch nichts.
Das Leben der großen Kuh fand um 7:02 Uhr ein Ende. Ich zerrte die Leiche nach oben (ein Glück, dass der Berg jetzt nicht so extrem hoch war).
"Wo warst du?", riss Rafael mich aus meinen Gedanken. Der Österreicher sah jetzt nicht mehr ganz so friedlich aus und sah mich skeptisch an. "Guten Morgen erstmal", begrüßte ich ihn gut gelaunt, "ich hab Essen geholt." Ich deutete auf die Kuh. Auf der einen Seite, die ich über den Felsboden geschliffen hatte, musste das Leder bis auf das Fleisch abgewetzt sein. Er nickte und fuhr sich durch seine Haare, die ihm in alle Richtungen abstanden.
Ein paar Minuten sagte er nichts. Das war komisch. Sonst erzählte er immer irgendwas. Oder er beleidigte einfach sinnlos die Gegend. Aber nichts dergleichen geschah.
"Was ist los?", wollte ich mich bei ihm versichern. "Nichts", Veni zuckte die Schultern, aber seine Mimik sprach etwas anderes. "Lüg nicht", meinte ich freundlich, "du kannst mir doch vertrauen, ich hör dir bei allem zu, das weißt du." "Ich. Lüge. Nicht." Rafi sah mich beleidigt an. "Ist ja schon gut, wir haben Zeit", versuchte ich ihn zu beruhigen, "kein Grund abgefuckt zu sein. Ruhig bleiben Kleiner."
Ohne ein Wort drosch Rafi dann mit einer Spitzhacke (ich weiß nicht, woher er die hat) auf den Felsen ein und hatte kurz darauf circa zwanzig Kohlebrocken vor sich auf dem Boden liegen. Aus dem Nichts zündete er ein Feuer und riss das Fleisch in Fetzen und hielt es über das Feuer.
"Lecker, Fleischfrühstück", kommentierte ich, als er mir den ersten Fetzen entgegenschleuderte. "Du kannst auch nichts kriegen", grinste Veni ein unbeschreibliches Lächeln. "Das war ein Spaß", meinte ich kurz, und er antwortete: "Ich weiß, du Arschloch."
Ok, wir waren am Anfang des Stadiums "Ich-beleidige-alles-und-jeden-um-mich-herum". Anscheinend war das zuvor der Morgen-Rafael-Eisler gewesen.Um 7:34 Uhr waren wir mit unserer appetitlichen Morgenmahlzeit fertig und packten unser Hab und Gut zusammen (was nicht gerade viel war) und verließen unseren Unterschlupf. Kaum hatten wir den Spot verlassen, wurde Veni wieder komisch. Er zuckte komisch mit seinen Armen und blickte sich immer wieder panisch in der Gegend um.
Ich hielt das nicht mehr länger aus.
Zum Glück lief uns eine weitere ahnungslose große Kuh entgegen. Ich zapfte ihr etwas Milch ab und zwang Veni, dass er das "Getränk" runterwürgte. Wirklich, ich musste ihn fast in den Schwitzkasten nehmen, damit er endlich einen Schluck runterbrachte. Seine Arme musste ich festhalten, weil er wie wild um sich schlug und seinen Mund musste ich auch aufhalten, weil er seine Lippen fest aufeinanderpresste.
Tja, am Schluss gewann ich dann und er veränderte sich augenblicklich.Ich sah meinen Lieblingsösterreicher verwirrt an. Was zur Hölle?
"Sorry", Veni wurde wirklich anders. Er umarmte mich und hielt sich an mir fest, als wäre ich sein Felsen in der Brandung. "Es tut mir so leid", meinte er immer wieder und wurde stetig leiser. "Was ist denn los?" Anscheinend hatte Rafael wirklich bei irgendwas Probleme. Ich nahm ihn auf Abstand, meine Hände ließ ich aber noch auf seinen Schultern. "Stegi und Tim, sie waren nochmal da, und da haben sie mir irgendwas gespritzt", erklärte er kurz, "Basti, es tut mir so leid. Ich hätte mich wehren sollen, ich weiß, aber ich war so fertig, da konnte i..." Ich unterbrach ihn.
"Veni, es ist alles gut", murmelte ich und zog ihn nochmals in eine Umarmung, "Es ist ja nichts Schlimmes passiert." "Aber wer weiß, was alles passieren hätte können..." Der Braunhaarige nuschelte leise gegen die Stelle zwischen meinem Schlüsselbein und meinem Hals.
Solche Momente sollten ewig andauern.
"Aber das darf man nicht, oder?", fiel mir auf, als ich seine Antwort nochmal Revue passieren ließ, "man darf bis acht Uhr nichts gegen gegnerische Teams unternehmen." "Ja, muss man", stimmte er mir zu, "aber bei der Regel geht's um legit alles, außer ums Spritzen." Ich nickte: "Dann haben sie jetzt ein Problem mehr."
"Feinde für Varo 5?", fragte mich Veni mit einem atemberaubendem Funkeln in seinen schönen Augen. "Feinde für Varo 5", grinste ich ihn an und wir machten einen cleanen High-Five. Jetzt hatte Team Stexpert ein Problem.
Sogar ein ziemlich gefährliches, wenn ich mich nicht täusche.
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Varo 5
FanfictionDas ist Varo 5. Wilhelmina, 17 Jahre alt, erinnert sich an nichts mehr, als sie eines Morgens mit Kopfschmerzen in einem Raum aufwacht, mit ihr ein Junge. Doch das ist weder ein Traum noch die Folgen von zu viel Alkohol: Das ist Varo 5 - und das l...