Als Wilma und ich fertig waren mit unserem Höhlengang, ging die Sonne langsam unter. Das Licht tauchte die Bäume in goldenen Schein und der Berg glänzte leicht und spiegelte die Wolken am Himmel.
Wir hatten einiges an Eisen zusammengekratzt und uns jeweils einen Harnisch und eine Hose zusammengekleistert. Sie wollte, dass wir die schon anziehen, aber ich hielt das für keine gute Idee. Wilma tat es dann aber trotzdem.Ich lugte vorsichtig aus der Höhle, als ich einen jungen Mann mit schmutzigblonden Haaren etwa fünfzig Meter entfernt von uns entdeckte. Wilma wollte direkt hinausspazieren, aber ich hielt sie sacht mit meinem Arm zurück. "Pass auf", flüsterte ich ihr zu, "da ist jemand." Sie sah mich an, rückte ihre Brille zurück und wies dann auf meine Rüstung, die sie schleppte. Ich zog mir erst die Brustplatte über meinen Hoodie und dann die Hose über meine Short.
"Achtung", warnte Wilma mich und zückte instinktiv ihr Schwert. Der Fremde lief auf uns zu. Als ich ihn genauer ansah, bemerkte ich, wer es war. Ich sah prüfend zur Himmelsuhr. 19:56 Uhr. Ich musste ihn nur vier Minuten abhalten, dann könnten wir ganz normal miteinander sein.
"Wilma! Mike! Halt! Bleibt stehen!", schrie er. Eha. Das konnte nichts Gutes heißen. Widerwillig holte ich meinen Dolch aus der Scheide und hielt ihn abwehrend vor mich. Wilhelmina war um einiges weiter weggelaufen als ich erwartet hatte. Wie konnte sie unter der Rüstung so schnell von A nach B kommen, ohne irgendeinen Lärm zu verursachen? Naja, das konnte mir jetzt ja auch egal sein.
19:58 Uhr. Ich musste uns noch zwei Minuten hinhalten.
Hugo sprintete weiter auf uns zu und blieb auf zehn Meter Abstand zu uns. Den Bogen, den er in seiner Hand hielt, und den Pfeil in seiner anderen, bemerkte ich erst jetzt. Er holte geschickt aus und zielte auf mich.
Ich spürte, dass er nicht abschießen würde, aber auf Wilma musste das wohl so wirken.
Sie hechtete blitzschnell zurück und stellte sich vor mich. Als ob das was bringen würde, ich überragte sie um gut einen Kopf und wäre somit komplett ungeschützt. Naja, der Wille zählt.19:59 Uhr. Sechzig Sekunden noch. Neunundfünfzig. Achtundfünfzig.
Hugo hatte den Bogen immer noch gespannt und zielte mittlerweile auf mein Gesicht. Ich war mir nicht mehr sicher, ob er tatsächlich nicht schießen würde.
Einundfünfzig. Fünfzig.
Ich hörte nur wie die Sehne nach vor schnellte und der Pfeil sich mit der Kraft des Windes auf mich zu treiben ließ.
Dreiundvierzig. Zweiundvierzig.
Ich hatte es ihm nicht zugetraut, und innerlich verfluchte ich ihn. Wenn er mich schon töten wollte, dann sollte er es schon möglichst schwer haben. Ich dachte schon, meine letzten Worte wären "Hugo, Bastard, ich hoffe du versagst", aber das würden sie wohl nicht sein.
Denn anstatt dass ich mit einem Pfeil in der Stirn nach hinten kippte, zog sich Wilma vor mir zusammen und krümmte und wand sich. Ich konnte erst nicht erkennen wieso, aber dann wurde mir klar, dass sie den Pfeil irgendwie abgehalten hatte.Neunundzwanzig. Achtundzwanzig. Siebenundzwanzig.
"Hey, Wilma, ruhig bleiben, alles gut", instinktiv bückte ich mich zu ihr runter.
Zweiundzwanzig. Einundzwanzig.
Sie sah mich mit Tränen in den Augen und Wut im Gesicht an und biss die Zähne zusammen. Ich hob sie etwas hoch, sodass sie gerade sitzen konnte.
Achtzehn. Siebzehn.
Oh.
Der Pfeil hatte sie an der Innenseite ihres Unterarms getroffen. Sah nicht gerade schön aus.Vierzehn. Dreizehn.
"Fuck, scheiße", murmelte sie leise. Ihr Shirt war schon blutdurchtränkt an der Stelle.
Neun. Acht.
Ich sah Hugo an. Er lachte nur, aber ich wusste, dass er es nicht witzig fand.
Fünf. Vier. Drei.
Wilma krümmte sich mittlerweile wie ein sterbender Wurm und ihr ganzes Gesicht war verheult.
"Sterzik wurde von HoneyPuh getötet. EinPapo wurde von xFibii getötet. Das Team NoBros ist damit ausgeschieden", ertönte die Stimme.
Minus Sieben. Minus Acht.
Ich kniete mich zu Wilma hinunter und hob ihren Arm vorsichtig hoch. "Wie viele Finger zeig ich dir?", fragte ich sie. Ich hielt vier Finger hoch. "Vier", murmelte sie schwach. Ihre Augen glänzten nicht mehr so stark wie in der Höhle, als ich ihr in der Höhle Geschichten erzählte. "Mike", wisperte sie, "ich glaub ich schaff das nicht mit meinem Arm. Erlös mich." Zum Ende hin wurde sie immer leiser und wendete sich mit ihrem Oberkörper an mich. "Nein, ganz bestimmt nicht", widersprach ich ihr. Ich erwartete eine Antwort, bekam aber keine.
Als ich ihr in ihre braunen Augen sehen wollte, konnte ich das nicht. Sie hatte ihre Augen halb geöffnet, halb geschlossen, und ihre Pupillen waren jenseits des Normalbereichs. Fuck.
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Varo 5
FanfictionDas ist Varo 5. Wilhelmina, 17 Jahre alt, erinnert sich an nichts mehr, als sie eines Morgens mit Kopfschmerzen in einem Raum aufwacht, mit ihr ein Junge. Doch das ist weder ein Traum noch die Folgen von zu viel Alkohol: Das ist Varo 5 - und das l...