Ich war gerade dabei die Lasagne in den Ofen zu schieben, als plötzlich jemand heftig gegen die Tür schlug. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit, aber als ich die Stimme meiner Schwester hörte, erleichterte ich. Jedoch zu früh, denn als ich die Tür öffnete und ihre zerzauste Haare und ihre Tränen sah, hatte ich das Gefühl nicht atmen zu können.
»Ayla« schluchzte sie und keine Sekunde später fand ich sie in meinen Armen wieder. Ich hatte tausende von fragen, doch wollte sie nicht bedrängen, weshalb ich einfach die Umarmung erwiderte und ihre Haare streichelte. Ihre Haare waren klebrig und als ich mir auf die Hand sah, sah ich eine rote Flüssigkeit. Blut! Ich hielt es nicht mehr aus und unterbrach unsere Umarmung.
»Noldu?!« [Was ist passiert?!] Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch meine Gefühle und Gedanken waren der reinste Tornado. In mir herrschte ein kräftiger Sturm, der meine klare Sicht nahm und verschlang. Ich hatte Angst vor ihrer Antwort. »Halil...er...er wollte mich anfassen! Aber ich wollte das nicht! Ich wollte das wirklich nicht! Er hat nicht losgelassen und ich habe gesagt, er soll aufhören, aber er hat nicht auf mich gehört und-«
»Nefes al!« [Atme!] Sie sprach hysterisch und rang nach Sauerstoff. Die Tränen zurückhaltend versuche ich sie vor einer Panikattacke zu bewahren und spreche ihr ganze Zeit ein, dass alles gut werden würde. Das es nicht ihre Schuld war. Und das stimmte, denn es war alles meine Schuld! Ich war diejenige, die Asya zu Halil geschickt hat, damit er ihr bei einem Schulprojekt helfen kann. Hätte ich mir doch die Zeit genommen! Hätte ich sie gesehen und mich besser um sie gekümmert! Ich habe offiziell als große Schwester versagt! Doch vorher hätte ich wissen können, dass Halil, den wir wie ein Onkel sahen, in Realität so krank war?
»Asya, saçında ki kan kime ait?« [Asya, wem gehört das Blut an deinen Haaren?] Ich hatte eine Vermutung, doch betete innerlich, dass ich falsch lag. Die Uhr tickte gleichmäßig, was ich von meinem Herzen nicht behaupten konnte. »Halil'den...o öldü! Ben öldürdüm...« [Von Halil...er ist gestorben! Ich habe ihn umgebracht!] Ihr Blick war starr und ihre Stimme war laut, während sie gleichzeitig stotterte. Sie hat ihn umgebracht! Plötzlich realisierte ich ihre Worte und war sprachlos. Es war so, als ob, die Zeit stehen geblieben war. Ich hörte ein schallendes Piepsen, was einfach nicht aufhören wollte! Nicht bei Sinne, wusste ich nicht, was ich machen soll. Wie reagiert man in solch einer Situation?! Eins war definitiv klar, ich würde Asya nicht mit meinen eigenen Händen ins Gefängnis stecken. Gerade als ich gehen wollte, zog sie mich an meinem Arm zurück. »Birşey daha var...«[Es gibt noch etwas...]
Sie nahm kurz eine Pause und gerade wo ich dachte, es würde nicht schlimmer werden, ließ mich ihre Worte schockiert nach Luft schnappen. »Ein Mann ist bei Halil, er wird mich der Polizei liefern! Ayla, ich möchte nicht ins Gefängnis!« Ich hatte alles erwartet, aber nicht das! So gut es ging, versuchte ich meinen Schock vor Asya zu verstecken, um ihr nicht noch mehr Angst einzujagen.
»Okay! Du gehst jetzt duschen und machst keinem die Tür auf! Ich werde das klären, hab keine Angst.« Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm ich die Hausschlüssel und ging raus. Sofort wehte der leichte Wind und erst jetzt bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit über, die Luft angehalten habe. Mir war schon warm genug und dieses hitzige Wetter machte alles noch schlimmer. Ich schaute mich die ganze Zeit um, aus Angst, gesehen zu werden. Halil's Haus war um die Ecke und der Weg dahin dauerte nicht einmal fünf Minuten. Trotzdem fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Das Licht vom Wohnzimmer brannte und mit jedem Schritt hatte ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Die Panik galt jedoch allein dem Gedanken, mit wem ich gleich konfrontiert werden würde.
Die Tür stand ein Spalt offen und auch wenn ich es nicht zugeben wollte, zitterte mein ganzer Körper. Mit langsamen Schritten lief ich rein und bewegte mich ins Wohnzimmer. Einerseits raste mein Herz, doch gleichzeitig, hatte ich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Mir kamen die Tränen als Halil in meine Sicht auftauchte. Er lag auf dem Sofa und ich konnte nicht anders, als ihn zu verfluchen. Aber nicht nur ihn, sondern auch mich. Denn ich war so naiv und habe ihn vertraut! Alles ist deine Schuld! Meldete sich meine innere Stimme und ich ballte meine Hand zu Faust. Ich war so fokussiert auf Halil, dass ich erst jetzt den Mann bemerkte. Langsam hob ich mein Kopf, mein Herz dämmerte, mein Mund und meine Augen weiteten sich und ich schnappte nach Luft, als ich Ihn sah...
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GRENZENLOSE HINGABE
Mystery / Thriller»Was willst du?!« schrie ich Ihn verzweifelt an. Mit jedem Schritt seinerseits ging meine Atmung nur noch stoßweise. »Dich.« raunte er und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr... ꧁꧂ Wie weit würdest Du für deine Schwester gehen? Wärst Du bereit...