Party Time

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Mittlerweile fühlen sich die Gedanken über Frau Hofer irgendwie normal an. Wahrscheinlich zu normal. Heute habe ich sie wieder in der Schule gesehen und ich kenne dieses Gefühl nun einfach schon zu gut. Und ich liebe es. Das Gefühl, das ich habe, wenn ich sie sehe. Oder wenn sie mit mir redet. Oder wenn wir uns einfach anlächeln. Gleichzeitig ist da ein Schmerz. Es fühlt sich einfach falsch an und wenn ich sie nicht sehe, tut es weh. Naja, in ein paar Tagen ist die Party, auf die ich mich jetzt schon länger freue und bei der ich hoffentlich mal alles rauslassen kann.

Ich mache mir einen Kakao und gehe wieder in mein Zimmer, um dort zu lernen. Es ist zwar schon 21 Uhr, aber ich schreibe die nächsten Wochen ein paar Klausuren, für die ich etwas tun muss. Während ich zu meinem Schreibtisch gehe, schweift mein Blick zu Frau Hofers Fenster. Das Licht ist an und ich sehe ihre Silhouette. Doch da ist noch eine zweite. Eine männliche. Ich kann nicht viel erkennen, aber genug, um zu wissen, was sie machen. Mein Herz sticht. Keine Ahnung, warum. Ich habe mir ja keine Hoffnungen gemacht oder so. Trotzdem tut es weh, das zu sehen. Meinte sie nicht, sie hat sich gerade erst von ihrem Ex getrennt? Will sie nicht vielleicht erstmal ihr Single-Leben genießen?

Am nächsten Tag in der Schule bin ich irgendwie sauer auf sie. Nicht, dass sie etwas dafür könnte, aber der Gedanke daran ist trotzdem schwer für mich. Jedenfalls verhalte ich mich etwas abgeneigter gegenüber ihr und ihrem Unterricht. Natürlich nur so, dass es nicht zu auffällig ist. Aber ich kann nunmal nichts für meine Gefühle. Zum Glück geht der Unterricht schnell vorbei und wir dürfen sogar noch früher in die Pause gehen. Merle habe ich mein Verhalten gerechtfertigt, indem ich meinte, dass ich bestimmt gerade langsam über sie hinweg komme.

Am Freitag mache ich mich fertig für die Party. Ich höre laut Guns'n'Roses, um meine Gefühle und Gedanken zu unterdrücken. In ein paar Minuten treffe ich mich mit Merle am Bus und wir fahren gemeinsam hin. Auf dem Weg trinken wir schon etwas vor. Dort angekommen, treffen wir noch die anderen aus unserer Freundesgruppe. Ein paar tanzen schon und wir gehen erstmal zur Bar. Ich bestelle mir Bacardi mit Cola und stehe mit den anderen noch ein bisschen rum. Als wir die erste Runde ausgetrunken haben, gehen wir auch tanzen. Diese laute Musik tut wirklich gut und ich kann endlich mal den ganzen Frust rauslassen. Ich poste Insta Storys, damit meine alten FreundInnen auch mal was Neues von mir sehen können und es macht wirklich Spaß. Nach ungefähr einer Stunde gehen Merle und ich wieder zur Bar und holen die nächste Runde Getränke. Während sie zubereitet werden, unterhalten wir uns. Plötzlich zeigt Merle hinter mich. "Schau mal wer da ist." Sie lächelt. Ich drehe mich um und sehe Frau Hofer. Wen auch sonst. In dem Moment bekommen wir unsere Getränke und Merle geht zu den anderen, als Frau Hofer uns gerade entdeckt. Wir sehen uns gegenseitig, also kann ich nicht mehr mit Merle mitgehen. Ich bleibe stehen und warte, bis sie auf mich zukommt. Dabei nehme ich sicherheitshalber noch einen großen Schluck von meinem Getränk.

Sie: "Hi, ich hätte jetzt nicht gedacht, hier SchülerInnen von mir zu treffen."
Ich: "Und ich hätte nicht gedacht, hier meine Lehrerin zu treffen."
Sie: "Aber schön, dich zu sehen." Sie lächelt mich an.
Ich: "Ja lustiger Zufall." Meint sie das wirklich so? Schön, mich zu sehen?
Sie: "Ich hoffe aber, diesmal trinkst du weniger als auf der Klassenfahrt."
Ich: "Ich werde mir Mühe geben, aber dafür kommen sie schon ein bisschen spät." Ich muss lachen.
Sie: (schaut mich etwas besorgt an) "Bitte pass auf dich auf."
Ich: "Jaaa, klar, ich bin ja auch nicht alleine hier... mit wem sind Sie eigentlich hier, ich habe niemanden mit Ihnen gesehen."
Sie: "Ich bin alleine hier."
Ich: "Haben Sie nicht nen Freund oder so?"
Sie: (schaut mich verwundert an) "Nein, wie kommst du darauf?"

Ich kann ihr jetzt wohl schlecht sagen, dass ich sie durchs Fenster mit einem Typen gesehen habe. "Ich habe zufällig letztens jemanden aus Ihrem Haus kommen sehen." "Ahh der. Ja der war auch ganz nett", erwidert sie. Ich kann es nicht verhindern, dass sich meine Augenbrauen zusammenziehen. "Aber?", frage ich deshalb. Sie zögert. Ich glaube, Frau Hofer hat auch schon ein bisschen getrunken. "Ich glaube, er wollte einfach nicht das, was ich will." "Was wollen Sie denn?", riskiere ich die Frage. Sie überlegt: "Naja, Spaß... und eventuell eine nicht toxische Beziehung." "Klingt eigentlich nicht so kompliziert. Das sollte man doch hinkriegen", sage ich. Frau Hofer lacht. "Ja, sollte man eigentlich."

Wir verabschieden uns und ich gehe wieder zu den anderen. "Na, wie wars?", fragt Merle.  "Wie soll es gewesen sein? Smalltalk halt." Ich versuche ja, kein großes Ding daraus zu machen. "Frau Hofer feiert einfach hier, so wie wir auch. Nur alleine, also nicht mit Freund oder so." "Hast du darüber mit ihr geredet?", Merle lacht. "War das zu persönlich?", frage ich. Sie antwortet: "Naja, es hört sich nicht so an, als würdest du langsam über sie hinwegkommen..."

Ich versuche, den Rest des Abends nicht mehr nach Frau Hofer zu schauen und einfach die Zeit zu genießen. Die Zeit, in der ich eigentlich mal alles rauslassen und vergessen wollte. Meine Familie, die Schule, die Klausuren, die Veränderungen, die Sorgen und sie. Vor allem sie. Wir tanzen und trinken alle zusammen, wobei ich lieber nicht mehr mit zur Bar gehe. Es macht Spaß und ich finde es toll, die, die dabei sind, auch mal besser kennenzulernen. Naja, oder wenigstens mit ihnen Zeit zu verbringen. Erst jetzt bemerke ich, wie sehr ich das vermisst habe. Einfach mal etwas mit FreundInnen zu machen. Das habe ich viel zu lange vernachlässigt.

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