Verführung und Zweifel

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Am nächsten Mittwoch haben wir wieder Sport. Merle und ich sind in der Umkleide etwas verquatscht und brauchen deshalb etwas länger. Dann geht sie noch aufs Klo und ich gehe schonmal mit in den Flur, der zur Halle führt. Als ich dort auf Merle warte, öffnet sich die Tür des kleinen Büros. Frau Hofer kommt raus und ich sehe, dass sie sich dort umgezogen hat. Ich erstarre und kann meine Augen nicht von ihr wenden. Ihr Ausschnitt... ist... nicht zu übersehen. Sie kommt immer näher und ich merke erst, dass mein Mund offen war, als sie ihn mit einer eleganten Handbewegung schließt und "Mund zu", flüstert. Zum Glück sind alle anderen in der Umkleide oder schon in der Halle. Ich muss schmunzeln. Trägt sie das extra? Dann schaue ich ihr hinterher, wie sie die Tür zur Halle öffnet. Mal schauen, ob ich mich auf den Sport heute konzentrieren kann.

Nach der Stunde flüstert Frau Hofer im Vorbeigehen: "Bleibst du noch kurz?" Direkt bekomme ich Gänsehaut. Ihre Stimme so nah an mir fühlt sich so schön an. In der Umkleide mache ich extra langsam und laufe als letzte auf den Gang. Alle sind weg. Ich klopfe an Frau Hofers Tür. Sie öffnet und trägt immer noch das Outfit von vorhin. "Willst... du dich nicht umziehen...?", frage ich. "Ja... gleich. Ich dachte du freust dich vielleicht... so wie du vorhin geschaut hast...", sie lächelt und zwinkert. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Irgendwie fühlt es sich noch falsch an, sie so anzuschauen. Dann streift sie die Haare aus meinem Gesicht und zieht mich näher an sich ran. Wir küssen uns. Oh mein Gott. Sie ist so heiß. Ich merke, wie ich immer erregter werde, doch irgendetwas blockiert mich. Ich versuche, weiterzumachen, doch als sie mein T-Shirt hochzieht, stoppe ich. Ganz erschrocken fragt Anastasia: "Was ist los? Oh nein, entschuldigung. Ich dachte-" Ich unterbreche sie: "Nein nein, du hast nichts falsch gemacht... ich dachte auch, ich will. Aber...", sie schaut mich besorgt an, "Irgendwie gehts grad nicht." Meine Augenbrauen ziehen sich etwas zusammen und ich schaue auf den Boden. Was war das? Dann kommen die Gedanken wieder auf. Was, wenn ich nur ein Zeitvertreib für sie war. Nur zum Spaß. Was, wenn sie meine Gefühle ausnutzt? Ich schaue sie an. Aber sie ist doch so perfekt. Sie war von Anfang an so lieb zu mir, sie kann es nicht böse meinen. Oder?

Sie: "Sprich mit mir, Lynn. Kann ich etwas für dich tun?"
Ich: "Nein, es ist eigentlich alles gut."
Sie: "Ich will, dass es dir gut geht. Was denkst du gerade?"
Ich: (zögere) "Irgendwie... habe ich letztens daran gedacht, als wir uns auf der Party unterhalten haben... Du meintest, du hattest was mit einem Typen, der ganz nett war. Aber wolltest ihn danach nicht mehr sehen, weil er nicht das wollte, was du wolltest... Bin ich... so wie der Typ? Weißt du schon, dass du was anderes willst als ich? Willst du... nur kurz Spaß mit mir haben und mich dann auch nicht mehr sehen?"
Sie: "Das sind deine Bedenken? Dass ich dich so behandel wie irgendeinen Mann, mit dem ich meine Lust befriedigt habe? Den ich als Ersatz für einen Freund wollte? Du kennst mich doch. Sowas würde ich niemals machen. Nicht mir dir."

Ich schaue sie an. Wie konnte ich vergessen, wie perfekt sie ist? Und wieso muss ich jetzt schon wieder weinen? Sie nimmt mich in den Arm und dann hält sie mich, bis keine Träne mehr kommt. Wahrscheinlich ist es in meinem Alter nicht gerade üblich, so eine Zuneigung zum ersten Mal zu bekommen. Doch ich bin einfach glücklich, dieses Gefühl mal spüren zu dürfen. "Bitte erzähl mir doch, wie es mit deinen Eltern ist. Wie gehts dir zu Hause?", fragt sie mich einige Minuten später. Wir setzen uns und ich entscheide mich dazu, es ihr zu erklären.

Ich sehe, wie Anastasia alles im Kopf verarbeitet. Dann fragt sie mich: "Aber... du bist doch erwachsen und hast genug Geld, um alleine zu leben." Ich nicke. "Ja, aber meine Eltern wollen nunmal dieses perfekte Familienbild aufrecht erhalten, in dem wir alle glücklich sind, und es eben keinen Grund gäbe, um jetzt schon auszuziehen. Außerdem würde mir trotzdem schwerfallen. Ich habe sie ja dennoch irgendwie lieb. Ich bin immerhin bei ihnen aufgewachsen." Jetzt nickt sie. "Verstehe..." Mein Klingelton unterbricht unser Gespräch. Papa steht auf dem Display. Ich gehe ran. "Lynn, kannst du bitte bald nach Hause kommen? Wir müssen etwas besprechen." Ich überlege, aber habe keinen Schimmer, worum es gehen könnte. Ich verabschiede mich von Anastasia und versuche, die Schule so unauffällig wie möglich zu verlassen.

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