Postkarten und Spaziergänge

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Der Überraschungsauftritt von Alex war nun mittlerweile mehr als 2 Wochen her und noch immer schaffte sie es für einen kurzen Moment in Idas Gedanken.
Gestern hatte sie sich doch tatsächlich eingebildet, sie hätte die Blondine in der Poststelle gesehen, als sie gerade dabei war den Brief von ihrem Vater und ein Paket von ihrem Bruder abzuholen.

Ole war gerade in Ägypten unterwegs und da er, nicht wie gewisse andere Personen, einen Blick auf die Wetter-App warf, hatte er seiner Schwester kurzerhand einen kleinen Behälter mit Sand aus der Wüste, einige Bilder und kleine Souvenirs zugeschickt, um sie wenigstens die Wärme in ihrem Herzen spüren zulassen, während in Wolfsburg seit Tagen kein Sonnenstrahl mehr den Boden berührt hatte.

Mittlerweile hatte die 24-Jährige ein extra Regal nur für die Sachen ihres Bruders. Alles fein säuberlich geordnet und je nach Reise sortiert, standen alle Mitbringsel in ihrem Wohnzimmer.
Auch einige Bilder, die Ole geschossen hatte, fanden ihren Platz an den Wänden ihrer Wohnung.

Ab und zu beneidete Ida ihren Bruder für seinen Beruf. Er konnte, wann immer er wollte die Welt sehen und gleichzeitig seinen Job ausüben.
Vom Hobby Fotografen zum absoluten Profi, der bald seine eigene Agentur gründen wollte.

Im Gegenzug fanden die Postkarten von ihrem Vater nur einen Platz an ihrem Kühlschrank.
Sie brauchte schon gar nicht mehr die Texte auf der Rückseite lesen, da es jedes Mal die gleichen waren.
Ein unpersönlicheres Verhältnis zu ihrem Vater hätte sie sich wohl kaum vorstellen können. Dabei schien in ihren ersten Lebensjahren alles so unbeschwert.
Aber die Bilderbuch reife Familie, wie sie einst waren, gab es nicht mehr.

Ein leiser Seufzer verließ den Mund der 24-Jährigen.
Viel zu oft überlegte sie wie ihr Leben wohl aussehen würde, wenn ihre Mutter nicht...
Schnell schüttelte sich die Brünette. Keine alten Wunden aufreißen. Hier im Park ist definitiv nicht der richtige Platz, um Tränen zu vergießen.

Es war zwar so viele Jahre her, aber trotzdem war es immer noch ein wunder Punkt in Idas Herz. Jedes Mal versetzte es ihr ein Stich, nie richtig Abschied genommen zu haben.

Kurz schloss Sie ihre Augen, um die Gedanken an ihre verkorkste Kindheit bei Seite zu schieben.
Sie war schließlich nach Wolfsburg gekommen, um einen Tapetenwechsel zu bekommen und nicht in ihrer deprimierenden Vergangenheit zu versinken.

Ein dumpfes Rufen drang zu Ida hindurch. Kaum hatte sie ihre Augen aufgeschlagen und sich einmal umgedreht, spürte sie schon den harten Gehweg des Parks an ihrem Rücken und wenig später eine feucht-fröhliche Begrüßung.

Ida hatte kaum Zeit überhaupt zu verarbeiten was gerade passiert war, da wurde die Fellnase schon von ihr heruntergehoben.
Kurz wischte sich die 24-Jährige mit ihrem Ärmel über die Wange und schmunzelte leicht in sich hinein. So freudig wurde sie schon lange nicht mehr begrüßt.

Vorsichtig richtete sich die junge Frau auf und sah auch direkt eine Hand vor ihrer Nase.
"Es tut mir so unfassbar Leid! Er macht sowas normalerweise nie." hört sie direkt eine weibliche Stimme.
Langsam blickte Ida auf und sah in zwei tiefblaue Augen.
Sie musste ein paar Mal blinzeln, um überhaupt zu realisieren, wer gerade vor ihr stand.

Wie in Trance griff sie nach der Hand der Frau, die anscheinend genauso überrascht war wie die Brünette.
"Ida?"
Ein breites Lächeln bildete sich auf den Lippen von Alex.
"Du hast echt ein Faibel für außergewöhnliche Auftritte, oder?"
Dankend nahm Ida Alex Hand, die ihr wieder auf die Beine half. Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen der Brünette, während sie sich den Dreck von den Sachen klopfte.
So hatte sie sich das Wiedersehen nun auch nicht ausgemalt.

"Irgendwie muss ich die Leute ja beeindrucken?" grinsend bückte sich die Blondine um Patch die Leine wieder um zu binden.
Der Tag hätte für sie keine schönere Wendung nehmen können, da dieser bis jetzt eher trist verlaufen war.

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