HOSPITAL RÎGAS 1. SLIMNÎCA – 20. April 2001 – Nachmittag
Geplant und ausgeführt: Nach der Schule stieg Lavea in den Zug und fuhr nach Riga. Am Bahnhof angekommen, suchte sie das Klinikum auf und bat die Empfangsdame darum, Jane besuchen zu dürfen.
Eine verantwortliche Krankenpflegerin holte sie an der Rezeption ab. Sie begrüßte sie mit einer Herzlichkeit, wie Lavea es selten erlebt hatte. Als würde sie sie schon immer kennen. Oder war es wegen ihrem Status? Natürlich war sie die Tochter einer prominenten Künstlerfamilie, aber sie wurde zur Bescheidenheit erzogen. David und Marija lebten ihr die Wertschätzung für ihre Fans vor und achteten darauf, nicht arrogant zu wirken oder sich als etwas Besseres zu geben. Niemand sollte sich vor ihnen verneigen müssen und Lavea wollte auch nicht bevorzugt werden.
»Was für eine Überraschung. Meine Komapatientin wird zum ersten Mal besucht«, sagte sie. »Und dann auch noch von einem so hübschen Mädchen mit einem bezaubernden Lächeln. Du musst Lavea sein.« Sie schüttelte ihr die Hand. »Ich bin Schwester Jolanda.«
»Hallo, Schwester Jolanda. Darf ich fragen, woher sie meinen Namen kennen?«
»Du bist doch in aller Munde. Bist du nicht ihre Lebensretterin gewesen von... Wie hast du sie vorläufig genannt? Jane Doe?«
»Ja, genau. Woher wissen Sie das alles?«
»Das spricht sich unter uns schnell herum. Auch, dass wir dich mit deinen Eltern erst in einer Woche erwartet hätten. Aber du bist auch jetzt herzlich Willkommen. Ich hoffe, deine Eltern wissen, dass du hier bist.«
»Nun, sie wissen, wie ich mich nach Jane sehne. Sie freuen sich, wenn ich mich um sie kümmere.« Diplomatisch ausgedrückt.
»Alle hier, die von deiner Rettungsaktion hören sind sehr angetan. Sie werden dich bestimmt ins Herz schließen. Komm mit, ich führe dich zu ihr.«
»Ja, gerne. Danke für den herzlichen Empfang.«
»Natürlich ... Warum eigentlich Jane? Ihr echter Name ist doch noch nicht ermittelt worden, oder?«
Lavea erzählte Schwester Jolanda kurz etwas aus ihrer Vergangenheit und auch das Schicksal ihrer Schwester Amilija, während sie über den großen Durchgang geführt wurde. Das berührte Jolanda zu Tränen und sie blieb stehen. Dann zog sie Lavea daraufhin spontan einen momentlang in ihre Arme. »Du hast viel durchgemacht und bist ein tapferes Mädchen. Mich wundert es nicht, dass du so viel Mitgefühl für Jane empfindest.«
Am Ziel angekommen, blieben sie vor dem Zimmer mit der Nummer 245 stehen. »Bist du bereit?«, fragte Schwester Jolanda und legte dabei ihre Hand auf die Türklinke.
»Ja, auf jeden Fall.«
»Na dann.« Die Tür des Intensivstations-Zimmers öffnete sich langsam. Ein bewegender Augenblick. Nur ein Krankenbett auf der linken Seite. Eine zierliche Person lag zugedeckt darauf, die friedlich schlief, umgeben von Apparaturen und Schläuchen, die in ihren Körper führten.
Das erste Mal nach fast zwei Wochen sah Lavea Jane wieder und es trieb ihr bei dem Anblick Tränen in die Augen. Obwohl sie eine fremde junge Frau war, fühlte es sich an, als besuchte sie eine große Schwester, nach der sie sich immer sehnte. Sahen ihr Dad und ihre Mom in ihr vielleicht auch ihre große Tochter? Nun war sie in professionellen Händen und Lavea war zuversichtlich, dass sie es schaffen würde, gesund zu werden, und dass sie nach und nach auch ihr damit verbundenes Trauma jeglicher Art überwinden würde.
Schwester Jolanda griff sich den Stuhl am Tisch und schob ihn für Lavea ans Krankenbett.
»Vielen Dank Schwester Jolanda. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich wieder zurückschicken. Weil ich alleine hier bin. Und auch noch eine Woche früher, als erwartet.«
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Vermisst - Jane Doe
Mystery / ThrillerAuf der Suche nach Inspiration und einem geeigneten Drehort für ihr erstes Musikvideo, begibt sich die 15-jährige Lavea in Begleitung ihrer Adoptiveltern auf eine Wanderung in den Wäldern Lettlands. Unterdessen entdeckt sie zwei anmutige Rehe im Un...