34 - ihre Prüfung - seine Begleitung

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Holly verlor sich den restlichen Sonntag in dem Gefühl, das Ethan in ihr hinterlassen hatte und das Lernen funktionierte wie ferngesteuert. Sie wusste auch nicht, was sie in der folgenden Woche getan hatte, außer zu lernen, Ethan im Unterricht anzuhimmeln, mit Amanda über die Sinnhaftigkeit von Übungsaufgaben zu diskutieren und über all dem nicht in Panik zu verfallen, dass sie etwas nicht gelernt hatte.

Es war die letzte Woche, in der sie regulären Unterricht hatten, danach begann die Prüfungsphase und sie würde nur noch zur Schule kommen, um eine Prüfung zu schreiben. Die letzte Woche, in der sie Ethan fast täglich sah und ihm auch ab und zu auf dem Gang begegnete.

Holly kostete jeden Moment aus, den sie hatten, schenkte ihm ein kleines Lächeln, wenn sie nicht allein waren und beherrschte sich, wenn sie es waren: sie stahl sich nach dem Kurs einen kleinen Kuss von ihm, ein Lächeln, ein Augenzwinkern.

Ethan verstand ihre Zurückhaltung und beherrschte sich ebenso, sie nicht einfach in sein Büro mitzunehmen und die Tür nachdrücklich zu verschließen, damit er wenigstens eine Weile ungestört mit ihr allein war. Er erwiderte ihren Kuss, nahm sie ihn den Arm, hielt ihre Hand, küsste ihre Wange oder ihre Stirn.
Diese Woche war geprägt von kleinen Gesten — unauffällig, aber umso bedeutungsvoller. Es war, als würden sie sich beide noch einmal zurücknehmen, um sich dann, wenn Holly ihren Abschluss hatte, kopfüber in diese Beziehung zu stürzen.

Daher sahen sie sich auch nicht am darauf folgenden Wochenende. Holly vergrub sich stattdessen in ihren Lehrbüchern, ging zu Amanda, um ihr beim Lernen zu helfen und am Abend saßen sie erschöpft vor dem Fernseher und aßen gesunde Snacks, weil Am plötzlich die Angst entwickelte, sie könnte in den letzten Wochen zu viel essen und nicht mehr in ihr Kleid passen. Holly sah sie nur amüsiert und kopfschüttelnd an, nahm es aber hin — es war ihre Art der Stressbewältigung.

So vergingen weitere zwei Wochen, in denen sie Ethan nur selten sah. Sie lernte, fuhr zu den Prüfungen und feierte jede geschriebene mit Am, indem sie sich den restlichen Tag lernfrei gaben und taten, wonach ihnen war.
Dass Ethan jedes Mal wie zufällig auftauchte, sobald sie aus einer Prüfung kam, erhellte ihren Tag umso mehr. Erschöpft, aber glücklich sah sie ihn an, schenkte ihm ein Lächeln und er ging an ihr vorbei, zwinkerte ihr zu.
Holly verabschiedete sich von Am, die bereits ahnte, wo sie hin wollte, und folgte ihm mit etwas Abstand.

Einen Flur weiter stand die Tür zu einem Klassenzimmer offen und sie schlüpfte hinein, schloss die Tür. Ethan lehnte gegen den nächsten Tisch und sah sie an.
Es war, als würde sie ihn erneut zum ersten Mal sehen. Lange Beine in einer dunklen Hose, ein gut sitzendes, dunkles Hemd über der breiten Brust, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren, die Uhr, der Ring an seinem Finger.
„Hallo Peaches", sagte er leise und schenkte ihr einen zärtlichen Blick. Seine Augen waren im Licht der Sonne, das durch die großen Fenster fiel, von einem warmen Braun.
Holly folgte dem Drang, der wohl ganz knapp hinter der Erdanziehungskraft rangierte, und trat vor ihn, ließ sich einfach in seine Arme fallen, die sich warm und sicher um sie schlossen, sie festhielten, als könnte ihr nun nichts mehr etwas anhaben. Sie genoss seine Nähe, die sie so schmerzlich vermisste. Holly vergrub die Nase an seiner Brust, atmete seinen Duft ein, schlang die Arme um seine Mitte und sperrte für einen Moment die Welt aus. Sie war erschöpft und gern wäre sie jetzt mit ihm nach Hause gefahren und hätte sich zu einem Mittagsschlaf in seinen Armen überreden lassen — und wenn sie es dabei nur bis zur Couch geschafft hätten, wäre es nicht so schlimm gewesen.
„Ich bin müde und mein Gehirn ist eine nicht näher zu definierende Masse zäher Gedanken", murmelte sie an seiner Brust.
Er lachte leise und sie spürte die Vibrationen, die ihr einen kleinen Schauer über den Rücken jagten. Sie liebte es, wenn er dieses leise, dunkle Lachen von sich gab. „Lass dich von Amanda nach Hause fahren, gönnt euch einen Kaffee und etwas zu Essen und dann sollte es dir wieder besser gehen", schlug er vor und seine Lippen hauchten einen Kuss auf ihren Scheitel.
„Ich habe eine bessere Idee." Sie sah zu ihm auf, blinzelte ihn an. „Du fährst mich zu dir nach Hause und wir planen für heute einen Mittagsschlaf ein. Und danach bin ich gern für Essen und Kaffee."
Er schmunzelte und strich ihr mit einer Hand über die Wange. „Und was sage ich der Klasse, die ich nachher noch unterrichten muss? Der Unterricht fällt heute aus, ich muss meine erschöpfte Lieblingsschülerin zu mir nach Hause bringen, weil sie in meinem Bett besser schlafen kann?", fragte er ein wenig amüsiert.
Holly schloss die Augen und lehnte ihre Wange gegen ihn. „Das klingt nach einem hervorragenden Plan", seufzte sie und fasst sich dann etwas. Sie schuf ein wenig Abstand zwischen ihnen und sah ihm ins Gesicht. „Ich möchte einfach Zeit mit dir verbringen", sagte sie leise und schlang ihm die Arme um den Hals. Seine Hände wanderten zu ihrer Taille, hielten sie fest und zogen sie näher zu sich, sodass ihr Körper sich gegen seinen drückte.
Ethan senkte den Kopf, kam ihren Lippen entgegen und gab ihr damit die Zustimmung, dass er von ihrem Plan nicht abgeneigt war. Es war der erste Kuss seit zwei Wochen, der mehr versprach, der sie atemlos zurückließ und sie beide für einen Moment nur die Nähe des anderen auskosten ließ, bevor sie sich langsam wieder beruhigten und sich in die Augen sahen.
„Ich liebe dich, Peaches", wisperte er und seine warmen Hände wanderten ihren Körper hinauf, bis sie an ihren Wangen lagen und seine Daumen zart über ihre Haut strichen. Sie gab sich der Empfindung mit einem kleinen Lächeln hin.
„Ich liebe dich, Ethan, und ich vermisse dich", erwiderte sie und ließ ihre Finger vom Nacken in sein Haar wandern.
„Du hast es fast geschafft. Das Ende ist in greifbarer Nähe", erinnerte er sie und küsste zärtlich ihre Wangen, ihre Stirn, ihre Nase und schließlich ihren Mund.
Holly schmolz regelrecht in diese Berührungen hinein und lehnte sich gegen ihn, wollte nie wieder von hier weg. Was wäre, wenn sie einfach hier stehen bleiben würden? Vielleicht würde die Welt um sie herum vergessen, dass sie existierten und dann könnten sie einfach zu ihm fahren und Zeit miteinander verbringen — nachdem sie den Mittagsschlaf nachgeholt hatte.
„Holly." Er sah sie an, ein wenig amüsiert, so als hätte er ihre Gedanken erraten. „Ich habe hier gleich einen Kurs. Es hat geklingelt."
Das war ihr vollkommen entgangen und es interessierte sie auch nicht sonderlich.
„Ich bin immer noch für den Plan", seufzte sie leise, löste sich aber von ihm und stellte sich aufrecht hin. Sie zog ihren Zopf fest, atmete durch und versuchte irgendwie, etwas wacher zu werden.
Er griff noch einmal nach ihren Händen, hauchten einen Kuss auf jeden Handrücken und sein Daumen drehte ihren Ring einige Male, während er ihr in die Augen sah, als müsste er sich dieses Bild erst einprägen, bevor er sie gehen ließ.
„Fahr nach Hause, Peaches und denk daran: Ich erwarte Bestleistungen in meinem Fach." Damit beugte er sich noch einmal zu ihr hinab, gab er ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen und zwinkerte ihr zu, bevor er sich aufrichtete, ihre Hände losließ und sich vom Tisch abstieß, um sie mit leichtem Nachdruck aus dem Raum zu schieben.

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