10. Kapitel - Leo

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„Konzentriere dich", ermahnte ich mich selbst, als ich bereits zum dritten Mal denselben Satz las. Frustriert stöhnte ich laut auf, und sofort drängte sich erneut Rina in meine versauten Gedanken. Dabei war es ihre Schuld, denn schließlich nannte sie mich „Hard".

Bevor ich hier weiter im Büro herumstöhnte und meine Kollegen wirklich dachten, dass ich harten Sex hätte, schob ich den Bericht in meine Tasche. Anschließend packte ich meine restlichen Unterlagen ein. Ich würde ihn einfach zu Hause in Ruhe durchgehen und dann Feierabend machen, entschied ich.

Schnell schnappte ich mir noch das letzte Stück der Gorgonzola-DoggyBag-Pizza vom gestrigen Abend aus dem Pizzakarton. Ich entsorgte den Karton und schmunzelte, während ich daran dachte, wie ich Rina die Gorgonzola-Pizza in den Mund gestopft hatte.

„Diese Pizza riecht nach feuchtem Schimmel", beschwerte sich Jennifer, die mal wieder ihre prallen Brüste in Szene setzte, während sie sich die Nase zuhielt und zu meinem Schreibtisch herüberstöckelte. Ich antwortete in Gedanken versunken: „Manchmal braucht man eben eine extra scharfe Note, um den vollen Geschmack zu genießen." „Bevor dieser Gestank das gesamte Büro verseucht, solltest du besser die Tür schließen!", fuhr Jennifer fort, verzog ihr Gesicht angewidert, spießte mich förmlich mit ihrem Blick auf und verschränkte ihre Arme.

"Oh, das hast du schön gesagt. Ein echter Reim! Warte, das muss ich aufschreiben." Ein Reim verschönert immer den Tag, und diesen hier musste ich unbedingt meiner Sammlung hinzufügen. Ich wühlte auf meinem überladenen Schreibtisch nach meinem Notizbuch, streckte meinen Arm aus, legte meinen gesamten Oberkörper auf den Schreibtisch, packte das Büchlein und schmiss dabei meinen offenen SaftExtrem über Jennifers Rock.

Kreischend versuchte sie die Flüssigkeit von ihrer Kleidung zu streichen. Noch mit meinem Oberkörper auf dem Schreibtisch liegend, glotzte ich sie enttäuscht an: „Mein schöner SaftExtrem, den wollte ich heute Abend Rina zum Probieren mitbringen." "Dein schöner Saft? Mein schöner Rock!! Du hast ihn ruiniert!", schrie sie mich mit erhobenem Finger an.

„Ach, der trocknet schon wieder", versprach ich ihr aufmunternd, während ich vom Schreibtisch robbte. Jennifer begann erneut, wie am Spieß zu schreien. „Ich könnte dich auch nach Hause fahren, damit du dich umziehen kannst", versuchte ich, die Situation irgendwie zu retten.

„Das ist aber das Mindeste, was du tun kannst", blaffte sie mich an. Anschließend stöckelte sie genervt zu ihrem Schreibtisch, um ihre Sachen zu holen. Kopfschüttelnd blieb ich mit der leeren SaftExtrem-Flasche in der Hand zurück und sah ihr nach.

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Genervt trommelte ich auf dem Lenkrad herum, während ich auf den Schreihals wartete. Wenn sie nicht bald käme, könnte ich vergessen, mich vor dem Kino-Date noch zu duschen. Endlich öffnete sich die Beifahrertür, und der blonde Schopf setzte sich in meinen Wagen – Papas Wagen, den ich mir extra für heute Abend ausgeliehen hatte, um Rina ins Kino zu fahren.

Mit quietschenden Reifen fuhr ich los, in der Hoffnung, Jennifer schnellstmöglich aus meinem Auto los zu werden. Diese popelte in der Nase, holte ihre Schminksachen raus und betrachtete sich aufmerksam im Spiegel.

Plötzlich klingelt mein Handy und unterbrach die Stille:

„When I'm not with you

I lose my mind

Give me a sign

Hit me baby one more time

Hit me baby one more time."

Ich lächelte und zwinkerte Jennifer zu. "Das ist meine persönliche Motivationsmusik. Bringt gute Laune, oder?" Jennifer zog eine Augenbraue hoch: "Interessante Wahl, aber ich steh mehr auf entspanntes." Ich lachte. "Entspannungsmusik? Du meinst so Vogelgezwitscher und Walgeräusche?"

Sie nickte ernsthaft, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich ans Telefon ging und es mir zwischen Ohr und Schulter klemmte.

Prompt schimpfte meine aufgebrachte Mutter am anderen Ende der Leitung los. Offenbar hatte sie meine Wohnung in ein Schlachtfeld verwandelt, nur um mir meine Wäsche zurückzubringen, die ich ihr beim letzten Besuch untergejubelt hatte. Sie regte sich über meinen Abwasch auf, als wäre sie die Spülen-Oberkommandantin und ich der ahnungslose Praktikant. Und dann gab sie mir auch noch Ratschläge, wie ich meine Spüle vor dem drohenden Untergang retten könnte.

Schließlich tauchte das Haus von Jennifer in meinem Sichtfeld auf, und ich fand endlich einen Grund, meine Mutter abzuwimmeln. Frustriert hielt ich am Straßenrand und starrte aus dem Fenster, um Jennifers giftigen Blicken zu entgehen. Bevor sie die Beifahrertür aufriss, murmelte sie noch schnell: "Warte, bis wir zwei uns morgen auf der Arbeit sehen."

Gekonnt ignorierte ich diesen Kommentar und ließ meinen Blick durch die eiligen Passanten schweifen, die an meinem Auto vorbeiströmten. Plötzlich fielen mir kurze blonde Locken auf, die sich vor meinen Augen kringelten.

Die Locken drehten sich in meine Richtung, und Rinas Augen weiteten sich, als sich unsere Blicke trafen. Ein kurzer Schreck huschte über ihr schönes Gesicht, doch dann formte sich ein herrliches Lachen auf ihren Lippen, das auch mich zum Schmunzeln brachte. Ein leises Seufzen entwich meinem Mund. Ihr Blick schweifte kurz und blieb daraufhin haften. Ich folgte ihrer Richtung und erblickte, was sie sah: Der Schreihals stieg mit nassem Rock aus meinem Auto.

Auf den zweiten Blick - Ein Wattpad Community ProjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt