14. Kapitel - Leo

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Rina sah mich extrem erschrocken an.

Ihre Augen waren geweitet, ihr Mund stand offen. Sollte ich auf sie zugehen? Oder lieber einen sicheren Abstand wahren?

Verdammt, jetzt wäre so ein Leitfaden ganz praktisch! Gab es vielleicht einen Wikipedia-Artikel zu solchen Situationen, oder -

„Hard", sah ich Rinas Mund formen.

„Rina", sagte ich vorsichtig und entschied mich dazu, einen vorsichtigen Schritt auf sie zuzugehen. "Rina!"

Sie sah mich einen kurzen Moment lang fast ausdruckslos an, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und versuchte, los zu rennen.

Allerdings hatte sie unsere aktuelle Situation wohl verdrängt oder vergessen, denn sie lief geradewegs in eine johlende Mauer, bestehend aus jungen Menschen.

„Warte!", rief ich laut, aber meine Stimme ging in dem aufkeimenden Lärm unter.

Rina sah sich panisch zu mir um, aber sie rannte nicht mehr.

„Hi", sagte ich und atme schwer aus. Sah ich irgendwie blöd aus? Vermutlich liefen mir gerade Schweißtropfen die Stirn herunter.

Rina allerdings sah großartig aus. Wie immer eigentlich.

Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glitzerten. Moment, waren das Tränen?

„Was machst du hier?", flüsterte sie.

„Ich muss mit dir reden!", antwortete ich und suchte ihren Blick, aber Rina guckte immer knapp an meiner rechten Schulter vorbei, als würde etwas dort hinten ihre volle Aufmerksamkeit verdienen.

„Worüber? Frag doch einfach deine neue Freundin!"

„Sie ist nicht meine Freundin! Sie war nur ... zufällig da!", meinte ich ausweichend. Ich hatte sofort das Gefühl, dass das gerade nicht besonders positiv klang.

„Zufällig da?", fragte Rina mit bebender Stimme. „Zufällig da?! Was soll das denn heißen?! Du ... du Blödmann!"

„Fluchen liegt dir nicht, oder?", fragte ich. Meine Mundwinkel zuckten leicht.

Sie ist zu süß. 

Ich weiß, ich sollte ihre Wut absolut ernst nehmen und das tat ich auch eigentlich, aber ... mein Gott!

„Dann halt ... du fucking Blödmann. Lass mich einfach in Ruhe!", zischte Rina und machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Kann ich leider nicht, tut mir leid. Du bist der Pluspol, ich der Minuspol. Batterie, du weißt schon". Ausgerechnet jetzt versagten meine sonst so herausragenden Flirtkünste ein ganz kleines bisschen. Wieso redete ich von Batterien?

„Wieso redest du von Batterien?", fragte Rina.

„Siehst du, das habe ich mich gerade auch gefragt! Seelenverwandtschaft!", rief ich triumphierend. Ein paar Leute um uns herum drehten sich zu uns herum.

Eine alte Frau mit leuchtenden Neonstäben in den grauen Locken sah uns so neugierig an wie eine dieser Nachbarinnen, die dauernd an ihren Fensterrahmen lehnen und die Leute auf der Straße beobachten und lachen, wenn Jugendliche so konzentriert auf ihre Handybildschirme starren, dass sie gegen Straßenlaternen knallen.

„Ich weiß einfach nicht, was das alles soll! Zuerst dachte ich, du magst mich irgendwie, und dann flirtest du plötzlich mit irgendeiner anderen Frau! Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als du mit ihr aus dem Auto stiegst?! Oder ist es dir komplett egal?! Bin ICH dir komplett egal?!", Rinas Unterlippe zitterte leicht.

„Wenn ich eine einzige Person auf der ganzen Welt nennen müsste, die mir nicht egal ist: Dann wärst du das. Du bist mein Pluspol, Rina. Du bist so großartig, dass kein einziger Anmachspruch auch nur ansatzweise gut genug für dich ist!", antwortete ich.

Rinas ohnehin schon große Augen weiteten sich noch weiter, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie das überhaupt möglich war.

„Das ist ... ziemlich süß. Irgendwie", murmelte sie und wendete ihren Blick dem dreckigen Boden zu. Ich lächelte und spürte wie auch ich so rot anlief wie eine Ampel: „Es tut mir alles so leid. Es war einfach das dümmste Missverständnis aller Zeiten. Jennifer ist eine Arbeitskollegin und die Autosache hatte nichts zu bedeuten!"

Ich hörte ein leises Lachen, und dann sah mir Rina endlich in die Augen.

Auf den zweiten Blick - Ein Wattpad Community ProjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt