18. Kapitel - Hard

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»Da bin ich arm dran«, kam wie aus der Pistole aus meinem Mund geschossen. »Äh ...« Äh – ja, was? Kann dir nichts Besseres als eine bescheuerte gereimte Antwort auf ihre Aussage einfallen? Hard, du Idiot! Mit Sicherheit war das eine Art Hilferuf oder warum sollte sie mich darauf aufmerksam machen? ›Du hast kein Shirt an‹, echote mein Hirn ihre letzten Worte.

Meine Hand auf der Türklinke fühlte sich mittlerweile darauf fest zementiert an. Mein Kopf kramte danach, wie sie bei ihren Worten geklungen hatte. Wünschte ich mir nur, dass sie hilflos war? Ähm ... Na ja, also, ... dass sie wollte, dass ich blieb. Und warum antwortete sie nicht mehr?

Whats going on mit mir? Mein linker Fuß begann zu tippeln. Mist. Wo war denn meine hard-umkämpfte Coolness? Huhu – Hards Bewusstsein, bist du irgendwo?

Hinter mir ertönte mit einem Mal ein Klappern. Hatte sie schon wieder ...? Ohne nachzudenken, drehte ich mich um – beziehungsweise hatte ich das vor. Doch eine der Gürtelschlaufen meiner Hose meinte, an der Türklinke hängenzubleiben ... Ratsch. Schockstarre. Und ich konnte nur mitanhören – und am leichten Hauch fühlen –, wie sich ein Riss seitlich vorne durch meine Hose zog. Verdammt!

Die Geräuschkulisse veränderte sich. Das Klappern der erneut heruntergefallenen Tasse verebbte und wurde durch ein zartes Lachen ersetzt. Der Stich, der mich aufgrund des Auslachens zunächst durchzuckte, wurde schnell durch Freude beiseite gewischt. Denn ihr Lachen erzeugte einen wundervollen Klang. Warmherzig und dazu passend zu ihren süßen Löckchen.

Als ich mich endlich umdrehte, scannten ihre Augen mich sofort ab. »Arm dran?«, fragte sie zwischen ihren Glucksern. »Das würde ich so nicht behaupten.«

»Ach?!« Da ist sie aber auf einmal mutig. »Wie kommst du darauf?«, hakte ich gespielt unwissend nach, worauf sich ihre Wangen rosa färbten.

Ich machte einen Schritt wieder zurück in ihre Wohnung. »Ich mag dein Lachen«, entkam mir – auch für mich – ohne Vorwarnung.

»Und mir tat es gerade unheimlich gut – auf jeden Fall besser als nur zu weinen.«

Spontan-Idee! »Ich habe immer meinen Block dabei. Zum Glück für uns beide ist der in dieser Hosentasche«, begann ich zu erzählen und zeigte auf meine linke Gesäßtasche. »Wenn du noch mehr lachen möchtest, dann habe ich hier was für dich.« Ich stockte, denn das, was ich inzwischen in meinen Händen hielt, war mein Stolz, doch ich wusste, dass es für viele zur Belustigung beitrug. Was aber auch okay war, denn das sollte es ja auch in gewisser Weise. Die untypische Hardsche Unsicherheit kehrte zurück ...

»Ist es der Notizblock von letztens?«, fragte Rina begeistert, woraufhin ich nur nicken konnte. »Dann ja!«

Ihre Freude ließ mich grinsen. Als sie ihre Beine zu sich anzog, um sich in einen Schneidersitz zu setzen, klopfte sie neben sich auf das Sofa. Der Aufforderung kam ich nach und ihr dadurch noch näher. Ihre Augen ruhten nun wieder länger auf mir, was mich daran erinnerte, dass ich immer noch halb nackt und dazu mit einem Riss in der Hose vor ihr stand.

»Ähm ... So gerne ich mich auch von dir anstarren lasse – also wirklich. Aber damit ich mich auf das hier konzentrieren kann, ist das nicht hilfreich«, meinte ich, tippte auf mein Buch und zwinkerte ihr zu.

Wieder beschämt blickte sie weg. Bevor ich ansetzen konnte, um etwas zu sagen, warf sie mir eine dünne Decke zu. »Hier, dann bedeck dich eben damit«, versuchte sie so locker wie möglich zu erwidern. »Die Aussicht auf die Entchen werden mir aber fehlen«, ließ sie sich nicht nehmen, mir mitzuteilen, wodurch sie wieder lachen musste.

Unmittelbar glitt mein Blick runter an mir. Oha - sie hat recht. Ausgerechnet heute trug ich diese Boxershorts. Eilig schlang ich die Decke einmal komplett um mich herum und griff zu meinem Sprüchebuch, um es aufzuklappen. Auf eine ganz bestimmte Seite. »Das könnten Jingles oder Werbereime werden. Zumindest in meiner Vorstellung.«

Aus dem Augenwinkel sah ich ihre amüsierte Miene, derweil ich mich schmunzelnd auf die Zeilen konzentrierte. Ich atmete noch dreimal tief ein und aus und startete dann einfach drauflos. Wie beim Pflaster abziehen. Kurz und schmerzlos.

»Mein geliebter SaftExtrem,
mein Leben so angenehm –
dank dir und deinem Saft,
der mir schenkt so viel Kraft.«

Obwohl ich die Worte eher herauspresste, erzielten die Worte wohl ihre Wirkung. Schallendes Lachen drang an mein Ohr. Ich drehte mich um und sah, wie Rina sich den Bauch hielt. Gleichzeitig funkelten ihre Augen, als würde sie es gleichsam lustig, aber ebenso toll finden. Daher fuhr ich fort.

»Ich brauche kein Bike,
mir genügt ein Like.«

Und noch ein kurzer Spruch à la Hard:

»Sandkörner zwischen den Zehen –
Wer kann da schon widerstehen?«

Mir gefiel es, wie Rina sich offensichtlich an meiner Sammlung erfreute. Briefmarkensammlung ist out, wusste ich es doch. Ihr Lachen drang in mein Herz ein, als würde sich eine kleine Sonne dort einnisten wollen ...

Nach einer kurzen Pause ging ich zu einem ganz bestimmten Text über. Im Wissen, dass sich das immens von den anderen unterschied ... Wie sie wohl darauf reagiert?! Meine Finger begannen – minimal – zu zittern, als ich sie unter die erste Zeile legte.

»Unterwegs mit dem Board,
knall-hard ist das Schlagwort,
ein abgefahrener Stunt
hat entflammt einen Brand.
Das Feuer in mir drin,
ein wahrhaftiger Beginn.
Das zurückgelassene Tuch
entpuppte sich als Mega-Fluch.
Sie kam mir nicht entgegen,
das war wie saurer Regen.
Doch ich weiß,
ich bin heiß,
aber auch: Thats me und meine Schuld,
und ich mich üben muss in Geduld.
Das, was bleibt, ist die Zauber-Magie,
somit aus Chaos wird Poesie.
Oder ein ordentlicher Mix,
denn ich bin wie der Phoenix –
sie aber wie ein blühender Gesang;
vereint wären wir ein harmonischer Klang.
Sie ist –«

Oh Gott! Ich war völlig abgetaucht und bemerkte erst vor den letzten Zeilen, wie still es geworden war. Sitzt sie überhaupt noch neben mir oder ist sie geflüchtet? Mein Herz klopfte – falls das noch als solches durchging – wild. Während ich gespannt auf eine Reaktion von Rina wartete, wurde mir heißer und Schweiß kroch langsam aus all meinen Poren.

Dann ... Ein Räuspern ertönte direkt neben mir.

Auf den zweiten Blick - Ein Wattpad Community ProjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt