Kapitel 9

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»Na, gut geschlafen?«

Lächelnd sehe ich zu Susan, die auf ihrem Bett liegt und sich die Augen reibt. Mein Nachtkleid habe ich schon umgezogen, damit kann ich ja schließlich nicht raus.

»Nina, wieso bist du schon auf? Es ist noch dunkel draußen.«, beschwert sie sich.

Schnell binde ich mir noch die Haare mit einem alten Haargummi aus England zusammen und sehe wieder zu Susan, die mich (selbst in der Dunkelheit offensichtlich) schräg ansieht.

»Ich muss unbedingt zu Talsturm und über die Planung der Schlacht sprechen. Das quält mich schon die ganze Nacht.«

Nur noch ein kurzes »mhmm« war von Susan zu hören, da stehe ich schon auf dem von Fackeln erhellten Gang. Auf halbem Weg zur Schmiede, der Mitte des Hügels, erkenne ich schon den großgewachsenen Zentauren.

»Talsturm!«

»Prinzessin. Was verschafft mir die Ehre?«

»Wir haben alles geklärt. Waffen, Pläne, einfach alles.«, aufgeregt zähle ich an der Hand auf was wir alles schon haben und was nicht.

»Aber wir müssen unerkannt eindringen können, durch das Haupttor geht das bestimmt nicht.«

Talsturm lässt ein belustigtes Schnauben aus und nimmt eine Fackel aus der Halterung neben ihm.

»Folgt mir, Majestät.«

Einige ziemlich heruntergekommenen Steintreppen hoch und dunklen Gänge entlanggelaufen, sind wir am höchsten Raum des unterbauten Hügels angekommen. Dort ist ein alter Durchgang nach draußen, einige Steine sind schon vom gemeißelten Rahmen nach unten gestürzt und liegen nun hoch bis zu den Knien. Also ist es jetzt eher eine Art offenes Fenster durch das die kalte Nachtluft einströmt. Ich gehe langsam zu den Steinen hin und strecke meinen Kopf ins Freie.

Mal ganz abgesehen von der grauen und trotzdem wunderschönen Landschaft, sind an beiden Seiten des Hügels Steinplatten, keinen halben Meter breit und schon viele Teile sind außen abgebrochen. Es muss ganz früher mal ein hoher Wachposten gewesen sein, doch Regen, Hagel, Wind und Schnee haben ihn über die Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, zerstört.

»Was wolltest du mir hier zeigen?«

»Die Lösung eures Problemes. Eure Majestät muss nur hinausklettern und hinter den Hügel blicken.«

Nur?

Ich habe keine Höhenangst, doch es ist trotzdem sehr beängstigend und von hier aus würde ein Absturz den Tod bedeuten. Die einzige Rettung wäre es auf einen der unteren Platos zu fallen, doch das ist sehr unwahrscheinlich.

Du schaffst das.

Unsicher steige ich über den Schutt nach draußen und balanciere die Fassade entlang.

An manchen Stellen ist sie so breit, dass ich ohne große Mühe einfach einen Fuß neben den anderen setzen kann.
An anderen muss ich mich an die Außenmauer und an den Wurzeln, die aus ihr herausragen, festklammern, um nicht zu stürzen.

Das letzte Stück wird wieder breiter und ich atme erleichtert aus. Doch die Luft bleibt mir ein zweites mal weg, als ich sehe, was sich hinter dem Hügel befindet.

Auf den dichten Baumkronen, dessen Bäume weiter unten Wurzeln schlagen, doch bis hier oben reichen, ist ein riesiges Nest aus dicken Ästen.

Das Nest ist so groß wie mein Zimmer in England, wenn nicht sogar etwas größer.

Mächtige Kreauturen, für die ich keinen Namen habe, hocken darin. Die Wesen sehen aus wie Vögel, sie haben Federn und Flügel, so wie Klauen und einen Schnabel, doch ihr Schopf ist befellt und eher Raubtierähnlich.

Sie haben wohl Angst vor mir, schließlich sind alle Menschen, die sie kennen ja Telmarer.

Mit meinen Händen in der Luft zeige ich ihnen, dass ich keine Gefahr bin.

Eines der Jungen kommt unsicher auf mich zu, es ist zwar viel höher als ich, doch noch nicht so ausgewachsen, wie die im Nest. Ich habe vor ihm keine Angst, eigentlich soll man in so einer Situation weglaufen, aber ich tue es nicht. Mit seinem Kopf streicht er an mir, so wie eine Katze und gibt sanfte Geräusche von sich.

»Wie heißt du denn, Kleiner?«

Er umrundet mich einmal, ohne dabei von mir abzulassen, und bleibt dann vor mir stehen.

»Ich glaube ich nenne dich Cory. Ja, Cory passt perfekt.«

Er nickt und ich denke sogar er versteht mich und legt sich hin. Fragend sehe ich meinen neugewonnenen Freund an und er rückt noch etwas näher an mich.

Als ich es immernoch nicht verstehe, schlägt er mir mit dem Flügel die Beine weg und fängt mich dann auf. So sitze ich auf seinem Rücken und ich denke, dass wollte er auch die ganze Zeit erreichen. Er stößt einen lauten Adlergleichenden Schrei aus und richtet sich wieder auf.

Nein, er will doch nicht etwa?

Oh doch, genau das will er.
Mit einem Mal stößt er sich vom Boden ab und ich muss mich an seinem Fell festkrallen um nicht herunter zu fallen.

Ihm macht das nichts aus.
Mit einer solchen Geschwindigkeit, dass ich Angst habe, mein Haarband fliegt weg, prescht das Tier immer höher und höher, bis wir schon die Wolken zu erreichen scheinen.

Ich muss die Augen zukneifen, da diese schon etwas vom Gegenwind tränen, und fühle wie der Vogel schlagartig inne hält.

In der Luft!!

Dann lässt er sich nach hinten fallen und stürzt direkt auf einen Fluss zu.

»CORRYY!«

Ich sehe mein Leben schon an mir vorbeiziehen, den Boden immer näher, als wir wieder normal fliegen.

Kurz vorm Aufprall mit dem Wasser hat er seine Flügel wieder entfaltet und gleitet nun schon fast über die Wasseroberfläche.

Ich atme mehr als erleichtert aus und schlage daraufhin das Tier, welches mir den größten Schreck meines Lebens eingejagt hat, gegen den Kopf.

Daraufhin gibt dieses ein schrilles Lachen von sich und lässt seine Klauen ins Wasser eintauchen. Ich kann mich nun schon so weit nach unten lehnen, dass ich das Wasser berühren kann. Was ist das für ein Gefühl.

Es ist als läge mir die Welt zu Füßen. Nachdem wir wieder etwas an Höhe gewonnen haben, tut sie es ja praktisch dann auch. Nun kann ich Narnia in seiner vollen Pracht sehen.

Hohe Berge, schmale Täler durch die das in der Morgensonne glitzernde Wasser läuft. Die Wiesen und breiten Wälder, die zur Hälfte noch in den grauen Schatten der Nacht getunkt sind. Und die aufgehenden Sonne am rot–orangenen Himmel, die dem traumhaften Land wieder seine Farbe schenkt.

Ich will hier nie wieder weg!

Das ist klar, doch lange bleiben meine sorglosen Gedanken nicht, die Schlacht, der Krieg um all das hier drängt sich wieder in meinen Kopf und lässt mich seufzen.

»Lass uns wieder umdrehen.
Ich will nicht, dass Talsturm sich Sorgen um mich macht.«

Nach einem kurzen Nicken des Vogels und einer eleganten Umdrehung, sehe ich von weitem auch schon Aslans Hügel.

Mit sanften Schwingungen lässt er mich auf den Boden vorm Hügel herunter und steigt dann wieder in die Lüfte.

»Auf Wiedersehen, Cory!«

Ich winke ihm noch zu und laufe dann hinein. Die Vorbereitungen sind schon wieder in vollem Gange, es werden Waffen gemacht und an allen Ecken trainiert. Das sollte ich vielleicht auch mal machen.

Auf dem Weg laufe ich noch einer Zentaurenfrau entgegen, welche mich fragt ob sie etwas mich tun kann.

»Schick bitte jemanden in den höchsten Stock, um Talsturm zu sagen, dass ich noch lebe und im Raum des steinernen Tisches auf ihn warte.«

Sie setzt zu einem Knicks an, doch ich stoppe sie schnell und nicke. Sie lächelt und verschwindet dann. Ich gehe noch einmal zu Susan, welche immer noch schlafend auf ihrem Bett liegt und erzähle ihr von meinem Ausflug.


Narnia - Our Last Hope//PeterPevensie ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt