Kapitel 11

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→ Nika ←

"Stopp! Und jetzt nochmal von vorn!" Hongjoong klatschte in seine Hände und wollte mich zum weitermachen animieren. Wir waren gerade im Proberaum für das tägliche Training. Meine Motivation war allerdings unter dem Gefrierpunkt und irgendwie hatte ich das schleichende Gefühl, dass es Hongjoong gefiel mich zu quälen.

Immer und immer wieder musste ich Tanzschritte wiederholen. Das Lied zu welchem wir heute probten hatte ich nun schon zum gefühlt hundertsten Mal gehört. Würden es noch weitere hundertmal werden, war ich bereit zu Überlegen ob ich nicht doch die Stereoanlage hochkant aus dem Gebäude schmeißen sollte. Doch es würde vermutlich erstens für negative Schlagzeilen sorgen und zweitens meine Entlassung als Trainee bedeuten. "Trainee zerstört aus Frust Entertainment-Eigentum." Nein Danke. Dann lieber doch einfach weitermachen.

Hongjoong spielte das Lied erneut ab, während ich mich auf meinen Einsatz vorbereitete. Mittlerweile waren mir die Bewegungen und Schritte in Fleisch und Blut übergegangen. Und trotzdem hatte Hongjoong schon wieder etwas daran auszusetzen. Für seine Körpergröße war er ein wirklicher Giftzwerg.

Anfangs hatte ich ihn ja für sympathisch gehalten. Vor allem an dem Abend in der Bar. Ich musste zugeben, dass ich ihn durchaus ansehnlich fand. Seine Gesichtszüge wirkten attraktiv und ein gewisses Interesse von ihm an meiner Person konnte ich deutlich spüren. Aber das war es dann auch. In den letzten Tagen hatte er sich mir als unausstehlich präsentiert. 

Begonnen hatte das alles bereits im Büro von Mr. Kang. Nachdem wir uns einen kompletten Tag lang angeschwiegen hatten, was zugegebenermaßen auch etwas an mir lag, waren wir schlussendlich beide in Mr. Kangs Büro gelandet. Nachdem ich dort ein komplettes Pamphlet an Unterlagen unterschreiben musste, wurde mir Hongjoong als "Trainer" zugewiesen.

Scheinbar jedoch ohne eine vorherige Absprache der Beiden, denn ich hatte das Gefühl Hongjoong würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren wollen mich als seinen Trainee zu akzeptieren. Doch Mr. Kang ließ ihm keine wirkliche Wahl. Ich würde lügen, wenn ich bei Hongjoongs Worten vollkommen kalt geblieben wäre. Irgendwie hatten seine Worte es sogar geschafft, wie kleine Nadelstiche in meine Brust zu stechen.

Die ganze Situation war nun bereits vor zwei Wochen geschehen und seitdem machte mir Hongjoong Tag für Tag mein Leben ein Stückchen mehr zur Hölle. Zumal er scheinbar sehr viel Zeit für dieses Vorhaben eingeplant hatte. Jeden Tag probten wir von Morgens bis Abends, mit einigen wenigen Pausen. Ein Privatleben hatte ich nur noch Samstags Abends und an meinen freien Sonntagen, denn da räumte mir Hongjoong freiwillig einen Tag Pause ein.

Die Gelegenheit mich mit Freunden zu treffen hatte ich hauptsächlich an den Sonntagen, wodurch ich Yunho nur noch sehr selten sah. Einerseits aufgrund meiner nicht vorhandenen Freizeit, andererseits wegen dem Gespräch mit Mr. Kang. Das Gespräch hatte durchaus seine Wirkung gezeigt. Seitdem versuchte ich nämlich Yunho so gut wie es eben ging aus dem Weg zu gehen. 

Ein Vorhaben, welches sich zum Teil als sehr schwierig erwies, da Yunho mich regelmäßig anschrieb und immer mal wieder eine kurze Präsenz bei den Proben zeigte. Immerhin wurde letzteres mittlerweile durch Hongjoong unterbunden, da er eine unnötige Ablenkung vermeiden wollte. Zumindest war es seine Erklärung gegenüber Yunho gewesen. 

Um ehrlich zu sein ging es mir bei dem Abstand zwischen Yunho und mir nicht einmal um meine eigene Karriere, auch wenn ich mir meine zweite Chance nicht direkt wieder verderben wollte. Hauptsächlich ging es mir darum Yunhos Karriere als Idol nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. Er hatte in den letzten Jahren sehr hart gearbeitet und endlich war sein Debut in greifbarer Nähe. In den nächsten Wochen sollten die Dreharbeiten zu ATZs erstem Musikvideo starten. Ich hatte also definitiv keine Lust Yunhos Chance auf sein Debut aufgrund irgendwelcher Dating-Gerüchte zu gefährden. 

"Jetzt konzentrier dich doch mal bitte!" Hongjoongs schrille Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich kurzerhand wieder in das Hier und Jetzt zurückkehren. Die Musik war pausiert und Hongjoong sah mich aus wütend, funkelnden Augen an. Eine Tatsache die mir eigentlich egal sein sollte, doch das er mir so nah gegenüber stand hatte ich erst jetzt realisiert. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. 

"Nika du musst wirklich anfangen dich zu konzentrieren. Ich gebe dir eine halbe Stunde Pause. Ich hab jetzt gleich noch ein kurzes Gespräch mit Mr. Kang." Er wandte mir seinen Rücken zu und ich nutzte diese Gelegenheit um einen Moment lang durchzuatmen. Hongjoong ging auf unsere Sachen zu, welche wir vor den Proben immer an der Tür des Raumes abgelegt haben und holte aus seinem Rucksack eine Flasche. Dann ging er wieder auf mich zu und reichte sie mir. "Hier Nika. Ich hoffe ich hab die richtige Sorte rausgesucht. Wir sehen uns gleich wieder." Irritiert nahm ich die Flasche entgegen, woraufhin Hongjoong schnellstmöglich den Raum verließ.

Ich blickte zu der Flasche in meiner Hand und stellte fest, dass es eines meiner Lieblingsgetränke war. Woher hatte Hongjoong das gewusst? Und warum hatter er mir das gekauft? Irritiert schüttelte ich den Kopf. Hongjoong hatte mir in den letzten Tagen immer wieder das Gefühl gegeben, dass er mich nicht leiden konnte. Diese kleine Geste der Freundlichkeit verwirrte mich. Doch bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte hörte ich ein Klopfen und wandte mich der Tür unseres Trainingsraumes zu. 

Im Türrahmen gelehnt stand niemand geringeres als Jeon Yunho, oder auch der junge Mann, welchem ich vorhatte aus dem Weg zu gehen. Er machte es mir wirklich nicht leicht, denn sein Grinsen sobald ich ihn ansah hatte eine ansteckende Wirkung. "H-hey", sagte ich also leise. "Hey Mrs. Ich ignoriere deine Nachrichten." Yunho stemmte sich vom Türrahmen weg und kam nun auf mich zu.

"Ich hatte einfach nur viel zu tun-" "Und das glaube ich dir auch Nika. Aber so viel, dass du nicht einmal ein paar Sekunden Zeit hattest auf dein Handy zu schauen und mir zurückzuschreiben?" Während er das sagte, war er bei mir angekommen. Er hatte seinen Arm ausgestreckt und seine Hand strich sanft über meine Wange. "Nika. Ich kenne dich schon lange und das glaube ich dir einfach nicht. Was ist los? Du bist seit deinem Gespräch mit Mr. Kang mehr als nur komisch." 

Meine Wangen begannen unter seiner Berührung zu glühen und wenn ich mich nicht irrte, kam mir sein Gesicht immer näher. Ich machte mich etwas kleiner und  duckte mich unter seinen Arm hinweg durch um der Situation zu entfliehen. Hastig öffnete ich meine Flasche und nahm einen Schluck daraus. "Nika-", versuchte Yunho nochmals anzusetzen, doch brach kurzerhand wieder ab. Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, wirkte sein Blick schmerzverzehrt.

"V-verstehst du denn nicht Yunho. Wenn uns dabei irgendjemand erwischt dann war es das. Dann war es das mit deinem Wunsch ein Idol zu werden. Du hast so hart dafür gearbeitet. Warum sollte ausgerechnet ich das Recht dazu besitzen dir das kaputt zu machen." Ohne es zu merken hatte ich bei diesen Worten zu weinen begonnen. 

Yunho kam erneut einen Schritt auf mich zu und zog mich in seine Arme. "Denkst du echt ich kenne die Dating-Klausel hier nicht? Mann Nika. Das muss doch niemand erfahren." Seine Arme fühlten sich an wie ein Schutzschild, mein Herz schlug bedeutend schneller. Doch trotzdem wusste ich, dass das einfach nicht ging. 

Also schubste ich ihn kurzerhand zurück und rannte die Flure entlang. So schnell wie mich meine Beine trugen. Immer wieder schaute ich über meine Schulter, doch Yunho schien mir nicht zu folgen. Stoppen tat ich erst, als ich es musste. Ungewollt. Denn ich rannte geradewegs in eine Person hinein, wodurch wir beide zu Boden fielen. Und natürlich musste diese Person ausgerechnet die sein, welche ich gerade am wenigsten sehen wollte. 

Kim Hongjoong.

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