Unerwarteter Verbündeter?

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Ann

Ich verbrachte den Rest des Tages zwangsmäßig mit Laura, die, als die Männer verschwanden, sich erneut vor den Fernseher geschmissen hatte und darauf wartete, dass ich sie bekochte.
Nach der Abfuhr von Drake heute Morgen war ich so angepisst wie schon lange nicht mehr und überlegte fieberhaft wie ich es diesen Bastard heimzahlen konnte. Aber natürlich würde keiner meiner tollen Pläne jemals wirklich ausgeführt werden. Mir waren die Hände gebunden. Ich war seine Gefangene, die er einmal befahl, die Beine breitzumachen und sie dann wieder in ihr Zimmer schickte. Und das Gefühl der Machtlosigkeit breitete sich wie Säure in meinem Magen aus.
ich hatte es so satt, auf diese Art und Weise herumgeschubst zu werden.
"Arsch!", entfuhr es deshalb durch zusammengebissene Zähnen und ich ließ das Beil mit extra viel Schwung durch das Filet donnern. Das war die einzige Art von Ausbruch, die ich mir wohl erlauben durfte. Normalerweise schaffte ich es immer, mit Kochen mein Gemüt abzukühlen und wieder zu dem gehorsamen, kleinen Mädchen zu werden, dass man zumindest überleben ließ. Doch seit ich das Haus der Russos verlassen hatte, ließ sich das aufsässige Miststück in mir kaum noch bremsen.
Es trachtete nach einem Platz in dieser verkorksten Welt, nach etwas Einfluss, Kontrolle und ja ... auch nach Rache.
"Oh Wow, dem Steak hast du es aber gegeben! Dass er dich damit überhaupt herumfuchteln lässt", grinste Laura mich vom Sofa aus an und ich warf ihr einen bösen Blick zu. Ihre herablassende Art gespickt mit dem schmerzhaften Humor war gewöhnungsbedürftig und dennoch erwischte ich mich immer wieder dabei, dass meine Wangen bei ihr zuckten.
"Er ist zu arrogant, um zu glauben, dass ich ihm gefährlich werden könnte", erwiderte ich scharf und eine von Lauras Augenbrauen zuckte nach oben, bevor sie lachte. Laut und herzhaft.
"Was ist daran bitte so witzig?"
"Ich glaube, er behandelt dich so, weil er sich sogar ziemlich sicher ist, dass du eine Gefahr für ihn darstellst. Vielleicht nicht körperlich, aber scheiße ... diese Szene in der Küche...brrr...ich konnte die Funken regelrecht sehen. Sollte sich das mit dem Sex nicht legen?", fragte sie, griff mit der ganzen Hand in die Flipstüte und beförderte eine ganz Hand damit in ihren Mund.
Ich atmete tief durch, legte meine Arbeit beiseite und entriss ihr das Knabberzeug.
"HEY!", protestierte sie und ich starrte sie nieder.
"Du verdirbst dir den Appetit und gesund ich das auch nicht. Warte bis es Essen gibt oder nimm dir einen Apfel!", schimpfte ich und Laura ließ sich tiefer in die Couch rutschen, verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Lippe in bester Schmoll-Manier vor.
"Lass deine Frustration nicht an mir aus! Ich kann nichts dafür, dass er scheiße, im Bett ist!", provozierte sie munter weiter und ich knüllte wütend die Knabbertüte zusammen und beförderte sie direkt in den Mülleimer.
Dieses Mädchen! Sie würde mich noch in den Wahnsinn treiben. Warum glaubte Drake, dass ausgerechnet sie die perfekte Person war, um mich zu bewachen? Sie hatte eine ziemlich große Klappe, aber wirklich gefährlich kam sie mir nicht vor.
"Wir haben keinen Sex und jetzt hör auf zu nerven! Eigentlich solltest du doch auf mich aufpassen, warum also muss ich hier die Mama spielen?", fragte ich genervt und ihr Schmollmund erstarrte.
Es verging eine Sekunde, dann noch eine und dann wusste ich, dass ich Nerv getroffen hatte. Einen üblen Nerv. Scheiße. Ihre Mutter. Ich hatte es eiskalt vergessen.
Sie hatte ihre Mutter in jungen Jahren sterben sehen. Vor ihren Augen. Hingerichtet von ihrem Vater. Fuck.
Für eine Sekunde blieb Laura regungslos, doch als sie sich dann erhob, die Flippstüte wieder aus dem Müll angelte und in Richtung meines Zimmers marschierte, stöhnte ich.
"Laura... es tut mir leid, ich wollte nicht..." Meine Worte wurden vom Donnern der Tür unterbrochen und rieb mit die Nasenwurzel.
Nochmal: Fuck.
Was für ein verdrehtes, merkwürdiges Verhältnis das doch war. Ich war die Gefangene, sie meine Wächterin. Das hier sollte so nicht laufen. Das hier war kompliziert und verschroben! Dennoch beschloss ich ihr den gewünschten Freiraum zu geben, bevor ich mich noch einmal entschuldigte.
Noch so etwas was absolut verkehrt lief.
Die Gefangene sollte sich nicht entschuldigen und die Gefängniswärterin sich nicht wie der Teenie, der sie war, in der Zelle einsperren.
Scheiße.
Zu allem Überfluss hörte ich den Fahrstuhl zum Apartment und als die Türen diesmal aufglitten, trat Drake zusammen mit Mike, Neel und Castilla in das Apartment.
Ich war kurz verwundert, denn es war noch nicht einmal richtig Mittag.
Die Frage darüber blieb mir aber im Hals stecken als sie hereinkamen. Sie alle sahen aus, als hätten sie in Blut gebadet. Sie waren damit bedeckt, vom Haar bis zu den Sohlen. Mir klappte der Mund auf.
Entsetzt starrte ich sie an, während Drake seinen Bruder stützte und sofort auf die Couch fallen ließ, ohne mich zu beachten. Sein ganzer Körper war mit Blessuren übersät und ein Messer steckte in seinem Bauch.
"Castilla, ruf den Doc und hol den Erste-Hilfe-Koffer!", fuhr Drake zur Frau herum, die für einen Moment so aussah, als würde sie beim Anblick von Neel gleich zusammenbrechen. Sie wirkte blass und ich sah Tränen in ihren weit aufgerissenen, dunklen Augen.
"Ann ich brauch Küchentücher!", richtete sich Mike an mich und ich erwachte aus meiner Erstarrung und rannte schnell in die Küche, um ihn einen Stapel davon zu besorgen. Schnell riss er ihn mir aus der Hand riss und drückte sie auf Neels Bauch.
Drakes Bruder stöhnte schmerzerfüllt. Castilla starrte ihn immer noch nur an, hatte immer noch nichts getan, um diesen 'Doc' zu rufen. Ich berührte ihren Arm und sie zuckte zusammen.
"Der Doc, Castilla!", versuchte ich sie aus ihrer Starre zu lösen, als Drakes Brüllen durch das Apartment glitt.
"CASTILLA!"
Sie fing sich und ihre zitternden Hände glitten zu ihrer Lederjacken Tasche, wo sie ein Handy herauszog, das ihr fast sofort wieder aus den Fingern glitt. Ich griff danach, öffnete das Telefonbuch und tippte auf den Kontakt 'Doc'. Dann reichte ich es Castilla zurück und hetzte in Drakes Badezimmer, wo der Erste-Hilfe-Koffer stand.
Für eine Sekunde fragte ich mich, ob es clever war als Gefangene zu helfen, aber das verwarf ich schnell wieder. Mein Problem war Drake, nicht Neel und es steckte ein beschissenes Messer in seinem Bauch. Ich war mir sicher, seine Probleme waren gerade schlimmer als meine, selbst wenn ich es irgendwann bereuen sollte, diese Situation nicht zu nutzen um ...ja, was zu tun? Flucht kam immer noch nicht infrage.
Ich zog das riesige und schwere Ungetüm aus dem Schrank und wuchtete es durch Drakes Schlafzimmer, nur um im Flur dann in eine weitere Person hineinzurennen, die ich in meiner Eile komplett übersehen hatte.
Ich hatte nicht mitbekommen, wie noch jemand das Apartment betreten hatte aber zumindest war ich nicht die einzige die vollkommen entsetzt den ungebetenen Gast anstarrte. Castilla, Drake, Mike und sogar Laura hatten plötzlich die Waffen gezückt und richteten sie direkt auf auf ... mich?.
Nein. Nicht auf mich.
Auf...
"Na wen haben wir denn, da? Wenn das nicht mein Lieblingspüppchen ist. Ich hatte gehofft, dass wir noch einmal miteinander spielen können"
Die Stimme ließ mir das Blut in den Adern gefrieren und Bilder tauchten vor meinen geistigen Augen auf.
Ich, wie ich mich durch den Sumpf kämpfte, heißes, wahnsinniges Lachen hinter mir. Ich wurde gejagt. Wie ein Tier. Aus reinem Vergnügen. Seinem Vergnügen. Sein wahnsinniges Lachen, ein Armbrustbolzen, der meinen Oberschenkel streifte.
Er.
Julien Russo.

Julien Russo

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Keeping Ann - Ich lasse dich nicht gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt