PartyTime - Teil 2

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Kapitel 4

Ann

Ich versuchte ehrlich den Blick von ihm abzuwenden, aber das Flattern in meinen Magen war so verstörend, dass ich all meine Vernunft vergaß und schlichtweg nicht wegsehen konnte. Es ging nicht.

Erst Neels spöttisches Lachen riss mich aus meiner Trance und ich spürte wie meine Wangen sich erröteten.

"Man könnte dich glatt bemitleiden, Schlammblut", meinte Neel lediglich und ich schaffte es endlich meinen Blick niederzuschlagen und meine Lippen so hart aufeinander zu pressen, dass es weh tat.

"Es ist so weit", ertönte Drakes tiefe, kühle Stimme, die nicht einmal den Hauch eines Interesses an Neels Verhöhnungen zu haben schien. So war es schon immer gewesen. Sowohl Neel als auch Julien und die aktuelle Mrs Russo rissen offen Witze über meine dämliche Schwärmerei gegenüber des ältesten Russo Nachkommens, während dieser selbst meistens so tat, als würde ich nicht existieren. Sofern er mich nicht anblickte, als würde er mich bei lebendigem Leibe fressen wollen.

Es war traurig, dass er damit derjenige war, der mich am besten behandelte, auch wenn damit meistens auch meine Versuche scheiterten, unauffällig zu sein. Da absolut jeder ständig von Drakes Anwesenheit eingenommen war und man auf jede seiner Bewegungen achtete, rückte auch jeder Blick in meine Richtung, Aufmerksamkeit auf mich.

Ich sollte ihn hassen.

Das wäre eine normale und legitime Reaktion auf jedes Mitglied dieser Familie. Eine akzeptable körperliche Reaktion auf ihn wäre Angst und Übelkeit, weil er alles verkörperte, was schlecht in meinem Leben war und dennoch wusste ich mit ziemlicher Sicherheit, dass ich ihn nicht hasse.

Nun, vielleicht doch etwas, ganz einfach weil ich ständig das Gefühl hatte, als hätte dieser Mann meinen Körper gekapert, würde meine Träume stehlen und jeden Rest von Stolz, denn ich noch haben konnte, mit Füßen treten.

Ich schwärmte für ihn, fühlte mich zu ihm hingezogen und ich hasse mich selbst dafür. Ich erinnerte mich noch an den Schock von vor einigen Jahren, als ich es realisierte. Als ich verstand, dass es sein Gesicht war, dass mir in den Sinn kam, wenn ich über die männlichen Protagonisten in meinem Buch las.

Ich wäre damals fast aus der Haut gefahren und hatte viele Wochen damit zu kämpfen gehabt, mich nicht von mir selbst betrogen zu fühlen. Die Erkenntnis hatte mich in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, als die Erkenntnis, dass er mich wohl umbringen würde, sobald er an die Macht gekommen war.

Es ging sogar so weit, dass ich manchmal glaubte, ich hätte den Spott dafür verdient und ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich mir mein törichtes Herz längst selbst aus der Brust geschnitten hätte, wenn ich nicht so an meinem Leben hängen würde.

Mittlerweile betrachtete ich den Gedanken, dass ich nicht mehr lange mit dieser Schmach würde leben müssen, fast als Erlösung. Wenn ich in den Mann verliebt war, der mein Ende bedeutete, verdiente ich es wohl. Das Drake dafür nichts weiter hatte tun müssen, als mich am wenigsten zu schikanieren, machte es nur noch schlimmer. Mein Herz war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

"Ich komme schon", erweiterte Neel und ich spürte, wie ich erleichtert durchatmete als er endlich ging. Für einen Moment dachte ich so endlich aus dieser Situation herauszukommen, doch Drake sah mich immer noch an und ich hielt weiter den Kopf gesenkt.

Nur nicht hinsehen, nur nicht wieder hinsehen!

Denn, wenn ich das tat, würde ich mich erneut in diesen Augen verlieren und damit vielleicht auch noch den Rest meines Selbstwertgefühls.

Die fremde Frau blieb noch eine Weile stehen, bevor sie Neel folgte und ich wartete noch ein paar Herzschläge ab, bevor ich es wagte, mich zu rühren. Doch wenn ich gehofft hatte, dass auch Drake bis dahin verschwunden war, irrte ich mich und ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte.

Ich bewegte meinen Kopf nur minimal und bemerkte erst jetzt, dass er meine Kulturtasche in einer seiner riesigen Hände hielt.

Er musste sie von unten mitgebracht haben und ich kam nicht umhin zu bemerken, wie lächerlich das geblümte äußere des Beutels an ihm aussah.

Als Drake sich bewegte, klangen seine schweren Schritte fast schon vorsichtig, bevor er ein ganzes Stück von mir entfernt stehen blieb und mir mit einem ausgestrecktem Arm die Tasche reichte, die ich brauchte, um mich für den Abend fertig zu machen. Ich lagerte nichts von meinen Sachen im Badezimmer, aus Angst jemand könnte mir darüber einen Streich spielen oder ähnliches. Das war noch nie vorgekommen, aber ich würde kein Risiko eingehen, solange dieser Irre Julien noch mit in diesem Haus lebte.

Drake und Neel bewohnten eigene Häuser und Apartment, aber Julien war noch immer hier. Weil er in den einundzwanzig Jahren seines Lebens noch nichts zustande gebracht hatte, das ihm half, auf eigenen Beinen zu stehen. Zumindest wurde es Mr Russo nicht müde, das immer und immer wieder zu wiederholen.

Ich schluckte den Kloß herunter, während ich nach meinem Kulturbeutel griff und rechnete fest damit, sie nicht zu bekommen. Innerlich wappnete ich mich bereits und war deswegen kaum überrascht, als Drake den Beutel einfach fallen ließ, gerade als ich ihn mit einem Finger berührt hatte. Die Botschaft war unmissverständlich ablehnend und ich hieß den heißen Schmerz in meinen Inneren willkommen.

Dann drehte Drake sich einfach um und ging.

Kein Wort, keine Berührung. Nur einige Momente des langen Anstrengens und dann eine ablehnende Aktion, die dennoch nicht dazu führen würde, dass ich ihn mir aus dem Kopf schlug. Ich war eben ein hoffnungsloser Fall.

Ich wartete bis auch er die Treppe heruntergegangen war, griff dann schnell nach der geblümten Tasche und verschwand in Rekordgeschwindigkeit im Badezimmer.

Ich war immer froh ein Schloss klacken zu hören, denn das war die einzige Art von Sicherheit, die ich je zu spüren bekommen hatte.

Dann stellte ich mich vor den Spiegel. Ich sah so durcheinander aus, wie ich mich fühlte. Meine schulterlangen glatten Haare, hatten in der Sonne ein paar noch hellere Strähnchen abbekommen und schimmerten in einem hellen Gold, während der Rest seinen dreckigen Unterton behielt. Meine Augen waren immer noch geweitet.

Ich wirkte erschrocken, entsetzt und musste fast über mich selbst lachen, während ich mich daran machte, mir das Gesicht zu waschen. Vielleicht würde ich mit dem Wasser auch das Entsetzen aus meinem Gesicht wischen können. Man sollte meinen nach all diesen Jahren hätte ich eine dicke Haut entwickelt, aber ich konnte nicht behaupten, dass es nicht noch genauso wehtut wie am ersten Tag. Alles, was sich geändert hatte, war die Art und Weise, wie ich damit umging.

Ich schrie nicht, ich verfluchte niemanden und die paar Wuttränen, die mir in die Augen schießen wollten, schluckte ich hinterher. Das alles war nichts Neues, ich würde damit leben, vielleicht damit auch überleben, aber definitiv damit sterben.

 Das alles war nichts Neues, ich würde damit leben, vielleicht damit auch überleben, aber definitiv damit sterben

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Keeping Ann - Ich lasse dich nicht gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt