Brandeisen

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Kapitel 30

Ann

Neel stöhnte als ich meine Hand unter Anweisung des ergrauten Mannes, der mich ebenfalls schon einmal versorgt hatte, aus seiner Wunde zog und dann den Rest übernahm. Ich hatte fast eine halbe Stunde neben der Couch gehockt und gespürt wie Neels Leben unter meinen Händen pulsierte und ich werde das fletschende Geräusch in Verbindung mit dem Geruch von Fleisch und Blut wohl nie vergessen. Eine merkwürdige und einschüchternde Erfahrung.
Ich war froh, als es vorbei war und stürzte regelrecht auf das Badezimmer zu, um mir unter dem laufenden Wasserhahn die Hände zu waschen. Übel aber war mir nicht, obwohl ich gedacht hatte, dass sich mir der Magen umdrehen würde zu wissen, dass ich meine Hand - im wahrsten Sinne des Wortes - in Neels Wunde hatte. Dabei konnte er mich eh schon nicht leiden. Das hatte mir sicher keine Pluspunkte eingebracht.
Ich wusste nicht einmal, warum mir die Tränen kamen, während ich das Blut dabei beobachtete wie es in schlieren seinen Weg in den Abfluss fand, aber ich konnte sie nicht zurückhalten. Stumm liefen sie mir über die Wange und ich ließ es zu.
Das Beben das durch meinen Körper glitt, ließ mir die Knie wacklig werden und als ich der Meinung war meine Finger lange genug gewaschen zu haben, setzte ich mich auf den Rand der Badewanne.
Kühl und erdend stützte die Keramik meinen Hintern und ich starrte auf meine Knie, während meine Tränen genauso stumm wieder verschwanden wie sie gekommen war. Nur ein paar Minuten, nur wenige Augenblicke des Durchatmens. Dann würde es wieder gehen. Dann würde ich weiter machen können. Ziellos, Planlos... fuck.
Doch während ich mir diese Zeit gönnte, die Ernsthaftigkeit der Situation zu begreifen wirbelten nur noch mehr Gedanken in meinen Kopf herum. Von Juliens Anwesenheit hier im Apartment, Neels Verletzung und der Tatsache, dass dafür angeblich Milo verantwortlich sein sollte.
Als ich an meinen kleinen Bruder dachte, wurde mir schwer ums Herz. Er war noch klein gewesen als ich zu den Russos gebracht worden war und ich erinnerte mich noch an sein Gesicht, Tränen verschmiert und komplett verängstigt.
Wie alt war er jetzt? Siebzehn? Er war nicht ganz fünf Jahre jünger als ich und hatte dieses Jahr schon Geburtstag. Also achtzehn. Er war gerade erst Erwachsen geworden und war schon so voller Gewalt.
Wie es ihm wohl ergangen war? Sicherlich besser als mir, alleine wegen der Tatsache, dass er als Junge besser behandelt wurde als ich, während meiner Kindheit. Aber was wusste ich schon?
Ich kannte ihn nicht mehr und würde ihn wohl auch nie wirklich kennenlernen, genauso wie meine Eltern. Ich war immer noch ein Pfand in den Händen der Russos und es hielt ihn nicht davon ab einen von ihnen anzugreifen. Das bedeutete dann wohl, dass mein Schicksal ihnen egal war.
Als die Badezimmertür aufging und ich zusammen zuckte, rechnete ich eigentlich damit Drake gegenüberzustehen, doch es war Castilla, die ungebremst zum Waschbecken lief und sich ein dutzendmal Wasser ins Gesicht warf. Sie hatte mich bemerkt, beachtete meine Anwesenheit aber schlicht nicht - oder ignorierte mich. Beides war mir recht.. Erst als sie sich wieder aufrichtete und mich durch den Spiegel direkt ansah, hatte ich das Gefühl, dass sie mich wirklich wahrnahm.
Ich dachte an den Abend zurück, an dem sie mit Neel im Badezimmer gewesen war und mich danach herablassend behandelt hatte und auch jetzt streifte ihr Blick mit einer gewissen Verachtung über meine Erscheinung.
Die lockere Kleidung, die ich mir, einmal mehr, von Drake geklaut hatte und meine eigenes leicht geröteten Augen.
"Herzlichen Glückwunsch, selbst dein Bruder will dich nicht zurück. Der Teufel weiß, warum du überhaupt noch atmest und warum Neel ausgerechnet deinetwegen fast draufgegangen wäre", fauchte sie mich an, doch ich war nicht wütend auf sie.
Sie sah absolut am Boden zerstört aus und wusste schlicht nicht wohin mit ihren Gefühlen. Ich nahm es ihr nicht übel, weiß sie nicht darauf hin, dass ich nie darum gebeten hatte, dass jemand irgendetwas für mich tat, doch gesagt zu bekommen, dass Milo mich tatsächlich nicht zurückhaben wollte, dass Drake mich hatte weggeben wollen, brannte sich in mein Hirn und damit in mein Herz.
Nicht das mit Milo, aber das mit Drake. Ich fühlte mich von ihm verraten. Schon wieder, als würde ich mich schon als ein teil der Russos begreifen. Mit diesen Problem hatte ich ständig zu kämpfen. Auch wenn man eine Ausgestoßene war, war es schwer sich mit der Gruppe die einen Ausstieß nicht verbunden zu fühlen.
Castilla griff nach einem Handtuch und tupfte sich das Gesicht ab.
"Wenn Drake zur Vernunft kommt, bin ich mit Freuden diejenige, die dir die verdammte Kehle herausrei-"
"Halt die Luft an, Cas. Sie kann nichts dafür und das weißt du genau, also lass deine Wut an jemand anderen raus. Jemanden, der sich wehren kann", schnauzte Laura plötzlich aus der Tür. Für einen Augenblick schauten sich die beiden Frauen einfach nur an, bevor Castilla verächtlich schnaubte.
"Du zum Beispiel? Du bist nur ein Kind, dass keine Ahnung hat von der Welt! Mike hält seit Jahren die Hand über dich. Nur weil du mit Messern spielen darfst, bedeutet das nicht, dass du weißt, was auf dieser Welt los ist", schnauzte sie Mikes Cousine an und ich beschloss, dass ich mich selbst verteidigen konnte.
"Und du die emotionale, unkontrollierte Bitch, die alles um sich herum gerade anfaucht, weil der Kerl, den sie liebt fast erstochen wurde. Warum hebst du dir deine schlechte Laune nicht für denjenigen auf, dem das Messer gehört? Anstatt mich oder 'das Kind' anfauchen? Ich hab Verständnis dafür, dass du auf jemanden losgehen willst, aber richte deinen Zorn an den Adressaten, nicht an irgendeine zufällig anwesenden Person!"
Bei diesen Worten erhob ich mich und straffte zum ersten Mal ihr gegenüber die Schultern. Ich wusste nicht welchen Nerv ich bei ihr getroffen hatte, aber ich hatte einen erwischt, den das hasserfüllte flackern in ihren Augen war kaum zu übersehen. Doch sie bewies mehr Kontrolle als ich ihr zurgetraut hätte und verschwand einfach wieder aus dem bad, wobei sie sich an Laura vorbeischob und diese mit den Schultern anrempelte.
"Ich weiß es, Laura. Denk nicht, ich bin Blind. Ich kann sehen, was zwischen euch läuft", flüsterte Castilla ihr noch zu und ich sah wie Laura sich für einen Moment versteifte.
"Du weißt gar nichts, weil es nichts zu wissen gibt", flüsterte diese zurück und Castilla lachte darauf kurz auf und verschwand.
Ich würde nicht nachfragen, über was sie geredet hatten.
"Sie war schon immer eine Zicke und hat schon absolut jeden angefaucht, nimm es nicht persönlich", meinte Laura und betrachtete mich eingehend. Auch so würde wohl so tun, als wäre nichts passiert.
"Alles okay? Du hast ausgesehen als würdest du dich gleich übergeben wollen, als du ins Bad gerannt bist"
Ich schüttelte den Kopf.
"Alles in Ordnung.", winkte ich ab und war ebenfalls dabei mich wieder aus dem Bad zu begehen als Laura vor mir stehen blieb und mich fast mitfühlend ansah.
"Das, was sie über deine Familie gesagt hat, stimmt aber. Dein Bruder war da, er hat sehr deutlich gemacht, dass er dich nicht als Schwester betrachtet. Drake wollte dich zurückbringen. Ich finde, das solltet ihr klären."
"Was sollte ich da klären, wenn er glaubt mich loswerden zu müssen? Ich kann nichts dagegen tun." Und ich weigerte mich, mich davon verletzen zu lassen. Ungewollt zu sein, auf beiden Seiten war schwer zu verkraften. Zu schwer, als dass ich auch nur darüber nachdenken wollte.
Ich sah Laura an, dass sie noch etwas sagen wollte, aber da rauschte ich schon an ihr vorbei. Ich wollte es nicht hören. Nicht heute und auch nicht morgen oder überhaupt. Der Verrat - Drakes, nicht Milos brannte in meiner Brust wie ein verdammtes Brandeisen.

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Vielen dank für eure Aufmerksamkeit

Eure Jacky

Eure Jacky

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Keeping Ann - Ich lasse dich nicht gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt