1. Kapitel

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Obwohl mein ganzer Körper vom langen Sitzen schmerzte, rührte ich mich keinen Millimeter. Meine Haare hingen mir ins Gesicht und ich wollte nichts mehr, als dieses einengende Korsett endlich auszuziehen, welches mir schon seit Stunden die Luft abschnürte.

Ich lauschte, in der Hoffnung, herauszufinden, ob der Angriff schon vorüber war. Das regelmäßige Knarzen des Holzes wurde von polternden Schritten übertönt. Sie wurden immer lauter, jedoch setzte mir das nicht mehr so sehr zu wie noch vor... ich hatte keine Ahnung, wann das das letzte Mal passiert war. Es konnten wenige Minuten gewesen sein, genauso gut aber auch mehrere Stunden. Schon das dritte Mal eilte jemand den Flur vor meiner Kabine entlang. Mir war klar, dass ich hier drin nicht mehr lange sicher war. Irgendwann würde man auch diesen Raum durchsuchen. Es sei denn, die Besatzung der Juliet würde es doch schaffen, die Angreifer zu verjagen.

Die Schritte kamen immer näher, bis sie schließlich stoppten. Ich wollte gerade erleichtert aufatmen, da wurde meine Tür mit einem schweren Tritt aufgestoßen. Am liebsten hätte ich geschrien, jedoch besaß ich gerade noch den Verstand, das zu unterdrücken.

Laute Schritte erklangen erneut, und einen Moment später sah ich ein Paar braune Lederstiefel in den Raum treten. Ich wagte es kaum zu atmen und hielt meinen Kopf gesenkt. Zu gerne hätte ich aufgeschaut, jedoch könnte mich jede noch so kleine Bewegung verraten. Also sah ich weiterhin nichts außer die Beine der Person, die gerade meine Kabine betreten hatte.

Ebendiese Person schien sich umzusehen, schon bald waren die ledernen Stiefel aus meinem Sichtfeld verschwunden. Jedoch konnte ich die Schritte immer noch hören. Ich schloss die Augen, in der Hoffnung, dass all das nur ein Traum war. Doch es war die bittere Realität.

Würde doch noch einer der Offiziere kommen? Einer der kräftigen Matrosen? Irgendein anderes Besatzungsmitglied?

Als die Schritte endlich verstummten, öffnete ich meine Augen wieder. Hatte die Person meinen Raum verlassen? Trotz der Hoffnung wagte ich es nicht, mich auch nur im Geringsten zu bewegen.

Plötzlich sah ich etwas Silbernes in meinem Augenwinkel aufblitzen, und schon wurde mein Kinn von einer Klinge nach oben gedrückt. Ich fühlte das kalte Metall an meinem Hals und musste meinen Körper mit aller Kraft davon abhalten, zu zucken. Das wäre in dieser Situation alles andere als klug. Eine kalte Hand bohrte sich in meinen Nacken, und ich wurde auf die Beine gezogen, die Klinge immer noch an meinem Hals. Meine Knie zitterten, aber ich gab mir alle Mühe, selbst zu stehen.

„Wen haben wir denn da?" Ich vernahm die Stimme nahe an meinem Kopf. Sie klang nach einer Frau. Waren an dem Überfall etwa auch Frauen beteiligt? Ich hatte keine Ahnung.

„Wer bist du?", wollte die Fremde wissen. Inzwischen war ich mir sicher, dass es sich um eine Frau handelte. Ich antwortete nicht. Das hatte mir mein Vater vor dem Antritt der Reise eingebläut.

Sag niemals, wenn es nicht unbedingt nötig ist, dass du eine von Ashton bist. Dass du Geld und Schmuck hast. Wissen ist Macht, Sorina, und es darf nicht in die falschen Hände geraten.

Der Druck des Metalls an meiner Kehle wurde stärker. War das schon eine Situation, in der ich antworten sollte? Ich biss die Zähne zusammen. So einfach würde man mich nicht zum Reden bringen. Ich hatte es meinem Vater versprochen!

Ich wagte kaum zu atmen. Jede noch so kleine Bewegung konnte irreversiblen Schaden mit dem Dolch an meiner Kehle anrichten, das war mir bewusst.

„Auch, wenn du nicht redest bist du zu schön, um dich einfach über Bord zu werfen." Auf meinem ganzen Körper bildete sich bei den Worten der Frau Gänsehaut. Ihre Stimme war nun kaum mehr als ein Hauchen an meinem Ohr, aber ich verstand sie trotz der Geräusche des Schiffs klar und deutlich. Inzwischen war sie mir so nahe, dass ich ihren Atem im Nacken spüren konnte. Immer noch zog eine ihrer Hände meinen Hinterkopf nach hinten, während der Dolch an meiner Kehle lag.

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