4. Kapitel

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Nachdem die Piratenbande, oder vielmehr jetzt die Crew der Juliet das Manöver, von dem ich immer noch nicht wusste, wozu es gut war, beendet hatte, ließ ich mich auf eine hölzerne Sitzbank nieder. Obwohl ich kaum etwas getan hatte, konnte ich schlicht und einfach nicht mehr. Ich wollte nur noch in das weiche Bett in meiner Kabine... nein. Ich durfte jetzt nicht schwach werden. Das war genau das, was alle von mir dachten. Und ein paar Stunden an der frischen Luft nach mehreren Tagen auf viel zu wenig Raum hatte ich nun wirklich dringend nötig.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie jemand das Deck betrat. Ich drehte meinen Kopf und traute meinen Augen nicht. Vor mir stand mein Vater. Zweimal blinzelte ich, mit dem Gedanken, dass es nur eine Einbildung war. Jedoch stand er wirklich vor mir, mit zerzausten Haaren und schmutziger Offiziersuniform blickte er sich um. Als er den Kopf ein wenig neigte, konnte ich sein Gesicht sehen. Mir war nicht bewusst gewesen, wie schlimm es um meinen Vater stand. Seine Wangen waren eingefallen und er runzelte besorgt die Stirn. Ich schluckte, dann drückte ich mich enger an die Wand. Obwohl ich ihm am liebsten in die Arme gefallen wäre, hielt ich mich zurück. Es waren außer dem Steuermann, der uns den Rücken zugewandt hatte, keine Piraten an Deck, mein Vater durfte doch bestimmt nicht frei hier herumlaufen.

„Sorina." Beim Klang meines Namens zuckte ich zusammen. Er hatte mich entdeckt. Ich schluckte, dann sah ich auf. Er stand nur wenige Meter vor mir, ein gehetzter Ausdruck überschattete sein Gesicht.

„Geht es dir gut?" Bei der Frage zog sich mein Brustkorb zusammen. Es ging mir offensichtlich sehr viel besser als ihm. Meine Kleidung war nicht verschmutzt, und ich saß entspannt an Deck. Unbeaufsichtigt, von dem Steuermann mal abgesehen.

Schnell nickte ich. Seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, dann wandte er sich ab.

Schnell lief mein Vater auf das Steuerrad zu und griff nach einem großen Metallteil, von dem ich keine Ahnung hatte, wofür es gut war, und verpasste dem Schiffsführer einen Schlag auf den Hinterkopf. Ich wollte nicht hinsehen, wirklich nicht, aber ich konnte nicht anders. Der Mann ging schnell zu Boden, was meinem Vater die Gelegenheit gab, das Steuer zu übernehmen. Das tat er, jedoch hörte ich im selben Moment Gepolter. Könnten das die restlichen Gefangenen sein? Wenn einer von ihnen entkommen konnte, war es doch nicht unwahrscheinlich, dass die anderen das auch schaffen. Hoffnung machte sich in mir breit, jedoch stürmte in diesem Moment einer der Piraten an Bord. Er brüllte etwas über die Schulter und rannte auf meinen Vater zu. Ich schrie, aber es war zu spät. Der Matrose hatte ihn gepackt und vom Steuer weggezerrt. In diesem Moment stürmten weitere Piraten an Deck, an ihrer Spitze Aiza. Diese rief Befehle, woraufhin einer der Männer das Steuerrad übernahm, während ein anderer half, meinen Vater festzuhalten.

Ihre Stiefel klackerten laut, als Aiza auf mich zukam. Mit wenigen Griffen hatte sie meine Hände gepackt und hielt diese mit eisernem Griff fest, während sie sich so vor mir positionierte, dass ich nicht mehr aufstehen konnte.

„Ich habe nichts getan, wirklich", beteuerte ich, als sie meine Handgelenke mit einem Seil zusammenschnürte. Ihr Blick fand Meinen.

„Ich weiß." Aizas Antwort überraschte mich so sehr, dass ich meinen Widerstand aufgab. Sie jedoch hielt meine Hände weiterhin fest.

„Wieso lässt du mich dann nicht los?" Meine Stimme erinnerte mich an das Fauchen einer Katze, was mich selbst überraschte. So kannte ich mich nicht. Ihre Augenbrauen hoben sich minimal. Ich würde es nicht erkennen, wäre ich ihrem Gesicht nicht so nahe.

„Sicherheitsmaßnahme." Mit dieser Antwort konnte ich ja viel anfangen. Weiterhin sah sie mir unverwandt in die Augen. Ich hätte gerne weggesehen, jedoch wollte ich keine Schwäche zeigen.

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