5. Kapitel

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„Sorina, wenn du nicht kooperieren willst, kann dir nicht helfen."

Ich nahm Aizas Worte kaum auf, sie drangen nur gedämpft zu mir durch. So, als wäre ich in tausend Daunendecken gehüllt.

Ich dachte nicht einmal mehr richtig.

Mein Körper hatte seit dem Moment an, als ich das Platschen meines Vaters gehört hatte, ohne mein Zutun agiert.

Inzwischen zitterte ich nicht einmal mehr bei dem Satz, den ich mir die ganze Zeit über gesagt hatte. Mein Vater ist tot. Und? Ich konnte es noch so oft sagen, vermutlich hätte ich es sogar schreien können. Alles betrachtete ich mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Das Bedürfnis zu weinen hatte ich längst nicht mehr.

Aiza wollte, dass ich mit ihr redete. Und? Was sollte passieren, wenn ich es nicht tat? Würde sie mich ebenfalls über die Planke schicken? Es kümmerte mich nicht.

Bis jetzt hatte ich etwas auf dem Schiff gehabt, für das es sich zu kämpfen gelohnt hatte. Dieser Umstand hatte sich nun geändert.

„Okay, wenn du nicht mit mir redest", die Stimme des Captains drang zu mir durch, „dann müssen wir dich wohl in eine der Zellen bringen." Sollte sie doch. Es war mir egal.

*****

Die Dielen des Bodens in der Zelle waren hart, jedoch bereute ich es kein bisschen, nicht mit Aiza gesprochen zu haben. Sie hatte meinen Vater ermordet. Was erwartete sie von mir? Das alles so blieb wie zuvor?

Die Gleichgültigkeit war nicht zur Gänze verschwunden. Nun hatte ich aber erneut Wut in mir. Wut auf Aiza dafür, dass sie meinen Vater zum Tode verurteilt hatte. Wut auf die restlichen Piraten, dass sie auf diese Entscheidung bestanden hatten.

Ich sah mich in der engen Zelle um. Keiner der anderen Gefangenen hatte versucht mit mir zu reden, obwohl zwei ihrer Zellen an die Meine angrenzten. Zwar waren mir nur wenige von ihnen bekannt, jedoch mussten sie wissen, wer ich war. Dass sie nicht mit mir sprachen, nahm ich nur als weiteres Zeichen dafür auf, wie erschöpft sie waren. Nicht, dass ich großartig versucht hatte, mit ihnen zu reden. Die meiste Zeit über schliefen sie, und ich wollte sie dabei nicht stören.

In diesem Moment vernahm ich ein Klackern aus Richtung der Tür. Hoffnungsvoll ging ich zum Gitter meiner Zelle. Obwohl ich es nicht zugeben wollte, hatte ich Hunger. Die Schuhe der Person, die gerade die Treppe hinunterstieg, klackerten laut, jedoch wusste ich sofort, dass es nicht Aiza war. Die Geräusche ihrer Schuhe waren immer rhythmisch und kontrolliert, sie wusste genau, wohin sie wollte. Diese Schritte jedoch klangen, als würde die Person taumeln.

Schnell erkannte ich, dass es einer der Schiffsjungen sein musste. Er trug keine Waffen bei sich, was ähnlich wie die Uniform in der Marine hier als Zeichen der Matrosen galt. Trotzdem kam er mir merkwürdig bekannt vor. Als er schließlich vor meiner Zelle stand, konnte ich mich erinnern, woher ich ihn kannte. Es war der Matrose, der an dem Tag der Übernahme zu einem Schiffsjungen herabgestuft worden war, da er vergessen hatte, Aiza ihren Hut zu bringen.

Offenbar hatte er kein Essen für mich, jedoch klimperte er mit einem Schlüssel. Aus meiner Ecke konnte ich erkennen, dass er mehrere Anläufe brauchte, um das Schlüsselloch zu treffen. Schließlich sperrte er die Zelle auf und machte einen Schritt hinein, geradewegs auf mich zu.

Meine Finger zitterten, als der Mann sich mir immer weiter näherte. Mit dem Rücken gegen die Wand gepresst konnte nicht mehr ausweichen. Er betrat die Zelle und ich konnte den Alkohol, welchen er offenbar gerade erst getrunken hatte, bis hierher riechen. Es ekelte mich an. Nicht, dass es im Anwesen meiner Familie keine betrunkenen Männer gegeben hatte. Das war sogar sehr oft der Fall gewesen, da mein Vater sich gern mit anderen Vertretern der Oberschicht getroffen hatte. Und niemand betrank sich öfter als die Adeligen. Ausgenommen vielleicht Piraten.

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