31 | Unter Verdacht

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Lina stellte die Flasche auf dem Tisch ab und setzte sich aufs Sofa. Sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Ihr erster Impuls war es, Jax sofort zur Rede zu stellen und griff zum Telefon. Doch dann machte sie einen Rückzieher. Sie durfte ihn jetzt nicht unüberlegt mit ihrem Verdacht vor den Kopf stoßen. Während ihrer Einarbeitung in der Entzugsklinik wurde ihr vermittelt, dass Suchtpatienten geschickt die Wahrheit verzerren konnten. Diese Unterhaltung sollte sie besser nicht am Telefon mit ihm führen.


Zwei Stunden später hatte Maria ihre Arbeit beendet und war gegangen. Lina saß am Esstisch und versuchte sich auf ihr Buch zu konzentrieren. Doch sie brachte keinen einzigen, sinnvollen Satz zustande. Die Wodka-Flasche gab ihr keine Ruhe. Schließlich erhob sie sich von ihrem Stuhl und ging zum Festnetztelefon. Sie zögerte kurz, bevor sie den Hörer von der Station nahm und den letzten eingegangen Anruf anwählte.

„Du kriegst nicht genug von mir, hm?", meldete sich Ryan am anderen Ende. Er hatte Jax' Nummer im Telefon eingespeichert und war sicher, dass es um diese Uhrzeit nur Lina sein konnte.

„Ich ... ich habe eine Wodkaflasche unter dem Sofa gefunden", entgegnete sie mit zittriger Stimme.

Es herrschte Stille auf der anderen Seite der Leitung. Ryan musste die Information erst kurz verarbeiten. „Ich bin gleich da", antwortete er schließlich und legte auf.

Zwanzig Minuten später klopfte es an der Haustür. Lina machte auf. Ihre Augen füllten sich sofort mit Tränen, als sie in Ryans besorgtes Gesicht blickte. Er verstand ihre aufgewühlten Gefühle und nahm sie in den Arm. Sie war sehr dankbar für seinen Beistand und umarmte ihn zurück.

„Wir wissen nicht, ob es das ist, was wir vermuten", versuchte er sie zu trösten. „Es gibt vielleicht eine simple Erklärung dafür."

Sie schaute zu ihm hoch, ohne ihn loszulassen: „Dein Gesichtsausdruck sagt was völlig anderes."

Er löste seine Arme von ihrem Körper, um mit seinen Daumen die Tränen von ihren Wangen zu wischen. Lina war über diese liebevolle Geste sichtlich überrascht.

Er lächelte sie an: „Ich kann keine Mädchen weinen sehen. Hör' bitte auf, okay?"

Sie stellte fest, dass sie ihn unnötig weiter fest hielt. Dann nickte sie und nahm ein wenig Abstand von ihm.

„Bevor wir Jax damit konfrontieren, macht es Sinn, den Rest des Hause absuchen", erklärte er.

Lina machte große Augen: „Glaubst du ... er hat ..."

„Falls er wieder trinken sollte, was ich nicht glaube, dann werden wir noch mehr davon finden", fiel er ihr ins Wort.

Linas Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ryans Theorie machte durchaus Sinn, aber sie fühlte sich jetzt nur noch schlechter.

„Komm", sprach er weiter. „Wir fangen im Keller an ..."


Eine Stunde später ließen sich Lina und Ryan nebeneinander aufs Sofa fallen. Sie hatten das ganze Haus gründlich nach Alkohol abgesucht und nichts gefunden. Beide waren sichtlich erleichtert.

Ryan schaute zu ihr rüber: „Hast du heute schon was gegessen?"

„Nein."

„Glaubst du, das Baby wächst von Luft und Liebe?"

Sie hob ihre Augenbrauen: „Willst du etwa, dass ich wieder für dich koche?"

„Ist das eine Option?"

„Nein."

Er lächelte sie an. Dann stand er vom Sofa auf, griff ihre Hände und zog sie hoch: „Komm', ich lade dich auf die besten Pancakes der Stadt ein."


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