35 | Fragen und Antworten

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Lina bestellte sich ein Taxi und tauchte pünktlich am vereinbarten Treffpunkt auf. The Grove war ein schickes, kleines Shopping-Center in Beverly Hills unter freiem Himmel. Am äußersten Ende der Einkaufspassage befanden sich kleine Cafés und Restaurants rund um einen großflächigen Brunnen. Lina hatte einen Tisch im verabredeten Restaurant reserviert und nahm auf der Außenterrasse Platz.

Wenige Minuten später erhellte sich ihr Gesicht. Freudig fing sie an zu winken, als sich Christian ihrem Tisch näherte.

„Lang, lang ist's her", begrüßte er Lina.

Sie stand von ihrem Stuhl auf und schloss ihren ehemaligen Therapeuten in die Arme.

Christian war Mitte vierzig, hatte dichtes, dunkelgraues Haar und trug eine strenge Hornbrille. Sein seriöser Look wurde durch ein weißes Hemd zu einer dunkelblauen Chino abgerundet.

„Danke, dass du dir kurzfristig Zeit für mich genommen hast", sagte sie.

Christian setzte sich auf die gegenüberliegende Seite des Tisches und lächelte sie an: „Du bist schwanger. Ich fasse es nicht."

Lina trug ein lockeres Sommerkleid, um ihre Rundungen zu kaschieren. Außerdem versuchte sie mit einer großen Sonnenbrille ihr Gesicht zu verbergen. Nach den gestrigen Schlagzeilen, wollte sie möglichst vorsichtig sein und hoffte, in der Öffentlichkeit nicht aufzufallen.

„Wie hast du es bemerkt? Du kannst meinen Bauch in diesem Kleid doch garnicht richtig sehen", fragte sie überrascht.

„Meine Sekretärin ließt die L.A. Sun und hält mich über den neuesten Klatsch und Tratsch auf dem Laufenden", antworte Christian. „Als sie mir das Schmierblatt vors Gesicht hielt und ich dich in Ryan Turners Arm entdeckte, habe ich mir fest vorgenommen dich anzurufen. Leider war ich noch nicht dazu gekommen. Dann hast du dich plötzlich gemeldet."

Lina biss verlegen auf ihre Unterlippe: „Seit Morro Bay ist verdammt viel passiert", kündigte sie an.

„Bevor du anfängst zu erzählen - dies ist ein Treffen unter Freunden. Ich bin nicht mehr dein Therapeut", stellte Christian sicherheitshalber noch mal klar.

Sie nickte.

„Gut. Dann schieß mal los ..."


„Es passiert mir wirklich nur sehr selten. Aber ich bin sprachlos, Lina."

„Kann ich verstehen."

Christian wusste nicht, wie er so viele Informationen auf einmal verarbeiten sollte. Zudem war er tief betroffen, dass Lina einen dermaßen tragischen Autounfall erlitten hatte und im Anschluss mehrere Wochen im Koma lag.

„Warum hast du dich nicht früher bei mir gemeldet?", warf er ihr vor.

„Du bist ein viel beschäftigter Mann ..."

„Ja, ich habe immer viel um die Ohren. Aber trotzdem hätte ich gern gewusst, dass du fast verstorben wärest!"

„Es liegt nicht an dir", versuchte Lina sich zu erklären. „Du bist ein wunderbarer Mensch und Freund. Aber gleichzeitig verbinde ich mit dir die Zeit meiner Depression. Ich hatte Hemmungen mich bei dir zu melden, weil ich die Erinnerungen an all unsere Gespräche nicht mag und ..."

„Ich verstehe was du sagen willst", fiel ihr Christian ins Wort. „Ich bin dir nicht böse. Ich bin nur ... geschockt."

Lina nahm einen Schluck von ihrem Fruchtcocktail, den die Bedienung in der Zwischenzeit serviert hatte. Christian analysierte gedanklich Linas Situation, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Manchmal verfluchte er seinen Beruf, der ihn immer dazu verleitete zwischen den Zeilen zu lesen. Er konnte dieses Verhalten einfach nicht ablegen.

Morro Bay IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt