Kapitel 3

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„Fayn!"Aiven stolperte den steilen Hang hinunter. „Alles in Ordnung mit dir?" Sein Freund erreichte ihn und ging neben ihm in die Hocke. „Bist du verletzt?" Fayn verneinte und rappelte sich eilig auf. Wie gebannt starrte er auf die Stelle, an der sein Verfolger noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte.
„Er...ist weg." „Fayn? Fängst du jetzt schon wieder damit an? Ich habe dir doch gesagt, dass uns niemand verfolgt. Langsam reicht es doch auch mal. Du...." „Ich habe ihn aber gesehen Aiven!" Fayn wusste selbst nicht, weshalb er diese Worte so laut ausgesprochen hatte, jedoch schienen sie Aiven wachzurütteln, denn seine Miene verfinsterte sich schlagartig.
„Es gibt keinen Grund mich so anzuschreien, Fayn. Du...du meinst das wirklich ernst, oder?" Er nickte, ohne Aiven anzusehen. Halluzinierte er? Nein. Der Mann war da gewesen. Fayn nickte. Die Schüsse. Er hatte sich diese doch nicht nur eingebildet. Oder?„Fayn." Aiven legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht..." „Da...ist er wieder." Wie aus dem Nichts war der Rothaarige wieder an der erdigen Kante aufgetaucht. Fayn wich zurück, machte auf dem Absatz kehrt und stieß gegen Aiven. „Fayn du bleibst hier!" Nein! Er konnte nicht hier bleiben! Der Mann würde wieder eine Kugel abfeuern und dieses Mal würde er treffen.
Fayn fing an zu rennen, doch Aiven erwischte ihn am Ärmel seiner Jacke und stieß ihn zu Boden. Unsanft landete Fayn mitsamt seinem Freund auf der Erde. „Lass mich sofort los, Aiven! Ich muss hier weg! Ich muss..." „Du musst gar nichts, hörst du? Dieser Mann, von dem du erzählst, existierst nicht!" Doch! Doch er existiert! Er existiert! Tränen traten Fayn in die Augen und es gelang ihm, sich von Aiven zu befreien.
Zitternd stellte Fayn fest, dass der Rothaarige abermals verschwunden war. Das war keine Einbildung gewesen? Das konnte einfach nicht sein. Er...er war doch nicht verrückt. Nein. Er war nicht verrückt. Nein. Oder doch? „Ist er wieder weg?", wollte Aiven wissen. „Ja...aber...er...war da." Er war da. Er war doch da. Fayn ließ die Schultern hängen und kniete einfach so da, verwirrt, ängstlich, mit einem Sturm von Gedanken im Kopf.
„Hey, Fayn." Aiven nahm seine Hände und umschloss sie mit den seinen. Die plötzliche Berührung ließ Fayn zusammen zucken. „Wir gehen jetzt gemeinsam zurück und warten auf die Polizei, okay?" Fayn nickte mechanisch und für einen kurzen Augenblick vergaß er aufgrund der weichen Finger, die seine Händeumgaben, in welch nervenaufreibender Lage er sich befand. Aiven erhob sich. „Kommst du?" „Ja.", gab Fayn leise zurück und rappelte sich schwerfällig auf. Sich gleich mit der Polizei unterhalten zu müssen, bereitete ihm schon jetzt Magenschmerzen.


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Völlig in Gedanken versunken folgte Fayn Aiven durch den dichten, nun wieder von Regentropfen heimgesuchten Wald. Ungläubig wandte Fayn sich nach allen Seiten um. War er wirklich so weit gerannt? Ein Knacken ließ den jungen Mann herum schnellen. Nichts. Keine Menschenseele war zusehen.
„Fayn. Hey. Da ist niemand. Es ist alles okay." Aiven war neben ihm aufgetaucht und legte ihm beruhigend eine Hand auf. „Ich...weiß. Ich sehe ja gerade auch niemanden. Ich..." Mitten im Satz erstarb Fayns Stimme. Eine gewaltige Gänsehaut hatte sich über seinen Rücken gelegt. Der Grund? Er spürte eine Hand in seinem Nacken, Finger, die seinen Hals von hinten umschlossen. Von Angst erfüllt drehte Fayn den Kopf so weit nach hinten, dass ersehen konnte, wer sich hinter ihm befand. Der Rothaarige!
„Fayn? Hey, was ist los? Ist er wieder da?" Aivens türkisblaue Augenblitzten während er sprach und Fayn kam es so vor, als würde er in einen tiefen, unzähmbaren Ozean blicken. Wäre die momentane Situation nicht so beängstigend gewesen, hätte er sich wahrscheinlich vollkommen in Aivens wunderschönen Augen verloren.„Fayn?" „Ja?" „Ist er wieder da?" Ein Blick über die Schulter reichte, um festzustellen, dass der Rothaarige abermals das Weite gesucht hatte.
„Jetzt...ist er wieder weg." „Okay Fayn, so geht das nicht.", meinte Aiven. „Wenn du wirklich jemanden siehst, der eigentlich gar nicht da ist, dann...dann musst du etwas unternehmen." Etwas unternehmen? Fayn malte mit dem Fuß eine Kreis in den erdigen Waldboden. Nein. Er würde zu keinem Psychater gehen. Außerdem, wer sagte denn überhaupt, dass dieser Mann nicht doch echt war und Aiven ihn bloß.... Fayn seufzte. Er wusste doch selbst, wie absurd dieser Gedanke war. Aber weshalb verfolgte ihn der Rothaarige? Er hatte doch noch nie, zu keinem Zeitpunkt seines Lebensunter Halluzinationen gelitten? „Hey. Jetzt warten wir doch erstmal ab, was die Polizei sagt und wie es dir morgen geht."
Aiven berührte ihn sanft am Arm und einen Wimpernschlag später sah sich Fayn von einer Menschenmenge umzingelt. Frauen, Männer, die Kleider und Hände blutbefleckt, die Gesichter zu einem breiten Grinsen verzogen. Sofort beschleunigte sich Fayns Atem. Wer waren diese Menschen? „Fayn? Was hast du? Siehst du wieder etwas?" Aiven sah ihm direkt in die Augen und Fayn nickte wie in Trance. „Der Mann?" „Nein." „Egal, was du siehst, es ist nicht real, okay." „Mir kommt es aber...ganz real vor." Fayns Stimme zitterte leicht und er versuchte die Gesichter um sich herum auszublenden. Vergeblich. Was sollte das Ganze? War es nicht genug, dass er den Rothaarigen halluzinierte? Mussten es nun auch noch irgendwelche unheimlichen Gestalten sein?
„Schau mich an Fayn." Aiven trat näher und nahm Fayns Gesicht unerwartet in beide Hände. Augenblicklich klopfte das Herz des jungen Mannes schneller als es ohnehin schon pochte und Fayn spürte, wie sich seine Wangen rot färbten. „Konzentriere dich auf mich, hörst du?", sprach Aiven weiter, während der Regen wieder stärker wurde. Glitzernde Tropfen wirbelten durch die Luft, ehe sie als Pfütze zu einem wurden oder im aufgeweichten Boden versickerten. Befreit atmete Fayn auf, sowie die zwielichtigen Gestalten endlich verschwanden. „Siehst du noch was?", wollte Aiven wissen. Fayn schüttelte den Kopf und sein Freund zog ihn in eine Umarmung. „So habe ich mir meine Ankunft hier nicht vorgestellt.", gab Aiven zu. Fayn schwieg, schloss die Lider und genoss mit jagendem Puls die Wärme, die sein Gegenüber ausstrahlte.


Das Grauen von Daisy Village🌼Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt