Kapitel 18

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D A P H N E

Helio nahm die erste Position ein. Er legte die Hände in den Nacken, richtete den rechten Ellbogen zum Boden zeigend und den linken diagonal zur Decke aus. Sein Blick folgte. 
Durch die lässig zur Seite gelehnte Hüfte bildete sein Unterkörper ein Dreieck. Jeder Muskel an seinen Beinen und Armen spannte sich an.

Zudem zog er haltungsbedingt den Bauch ein, sodass seine V-Muskulatur und die Wölbungen seines Sixpacks noch stärker zum Vorschein kamen. Wäre der Anblick nicht schon atemberaubend genug, rundete das indirekte Licht, das über die Dachfenster in den Raum hineinschien, die Szene perfekt ab. 

Unglaublich. So unglaublich, dass ich meinen Mund davon abhalten musste herunterzuklappen und mich umzusehen, um sicherzugehen, dass ich nicht tagträumte.
Unvermeidlich glitt mein Blick in seinen Schritt.
Da ich meinem natürlichen Impuls wegzusehen nicht nachgeben konnte, tasteten meine Augen sich vorsichtig hinab.

Sein Phallus hing recht gerade herunter und verdeckte teilweise, was sich dahinter befand. Ich konnte eine Ader erkennen, die sich daran hinaufzog. Genau, wie die samtig aussehende Vorhaut, die die Eichel bedeckte.
Währenddessen fiel mir auf, dass Helios Körperbehaarung unauffällig war. Hellbraune Haare bedeckten seine Unterarme sowie seine Beine. Aber auf seiner Brust oder über seinem Glied waren keine zu sehen. 

Auf den ersten Blick schien er keinerlei Makel zu besitzen. Helio hatte einen perfekten Körper. Als hätte man ihn von oben bis unten gephotoshoppt oder aus Marmor gemeißelt, um der Welt ein Anschauungsobjekt davon zu geben, was man aus dem menschlichen Körper herausholen konnte.
Schwer schluckend ließ ich den Anblick sich in meine Netzhaut brennen. 

Sein Ausdruck war voller Weisheit, kriegerischer Stärke, Ehrlichkeit und Dankbarkeit. Er strahlte wie ein Anführer, unter dessen Schutz man sich niemals sorgte. Und obwohl er mich nicht einmal direkt ansah, konnte ich jeden einzelnen Ausdruck seines Blickes in meinem Herzen fühlen. 

Seelenruhig stand er da und ließ sich von mir betrachten, wie ein Anschauungsobjekt. Und ich schämte mich ein wenig. Keine Ahnung, ob es Fremdscham war, weil er – hinter Tüchern versteckt – nackt in einem Vorlesungssaal Modell für mich stand, oder das Schamgefühl für meine perversen Gedanken, die sich fragten, wie es sich wohl anfühlte, mit der Hand über einen so perfekten Waschbrettbauch zu streichen. 

Unsicher legte ich die Hand an meinen Hals und spürte mein Herz wie wild gegen meine Handinnenfläche hämmern. Dabei wurde mir die Stille bewusst, die im Kursraum entstanden war.
Da sich mittlerweile alle konzentrierten, hatte sich eine angenehme Geräuschkulisse aus leisen Gesprächen gebildet. Ich hörte Zeichenkohle, die über Papier rieb sowie ein Rascheln der Taschen, aus denen die Kunstschaffenden ihre Materialien kramten.

Helio drehte den Kopf und warf mir einen verständnisvollen Blick zu.
»Tief durchatmen«, sagte er und musterte mich, bevor er sich in seiner Position wieder korrigierte. »Tu einfach, was du immer tust. Erschaffe ein Kunstwerk.«
Ich nickte, zog die nach Kreativität und Inspiration duftende Raumluft in die Nase und pustete sie durch den Mund wieder aus. 

Dann schnappte ich mir die Zeichenkohle und fokussierte seine Schultern. Mit einem geraden, sanften Strich, deutete ich in etwa die diagonale Linie an, der seine Arme folgten. Eine gleiche, entgegengesetzt diagonale Linie zeichnete ich – grob geschätzt – auf Hüfthöhe. Wie bei einer Gliederpuppe aus Holz skizzierte ich seine Brust als Trapez, gefolgt von einem liegenden Oval. Seine Hüfte. 

Mit einem großen Dreieck tastete ich mich an die Form seiner Beine heran, dessen Ausrichtung ich anschließend wieder mit langgezogenen Ovalen andeutete. Stück für Stück fing ich seine Proportionen ein und verglich immer wieder den vor mir posierenden Körper mit der Zeichnung. Je mehr ich in meinem Tun versank, desto ruhiger wurde ich. 

Celesdeal - Ein himmlischer Pakt (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt