Kapitel 24

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H E L I O

Ich saß im Dunkeln auf der Bettkante und starrte zum offenen Fenster. Der Vorhang wog im hereinströmenden Luftzug sanft hin und her. Es roch nach Sommer und die weit entfernte Geräuschkulisse der Stadt hallte über die Dächer.

Wie es Daphne wohl ging? Es war erst ein paar Stunden her, dass sie in ihr Zimmer verschwunden war. Immer wieder schmeckte ich ihre Lippen, als wäre es erst gerade eben passiert, wollte zu ihr gehen und weitermachen, wo wir aufgehört hatten. Aber es wäre unvernünftig.

Ich wusste, dass sie es völlig überstürzt hatte. Ihr Vorschlag, miteinander zu schlafen war in völligem Übermut entstanden. Typisch für sie. Erst versperrte sie sich gegenüber einer Sache, und dann rannte sie mit Anlauf darauf zu. Sie war noch nicht so weit. Ich hatte es gewusst und war trotzdem darauf eingegangen. Die Versuchung war zu groß gewesen. Denn ich wollte sie spüren, lieben, ihr so nah sein, wie es auch nur menschenmöglich war. 

Da ich sie schon seit ihrer Geburt kannte, fühlte es sich seltsam an, mich zurückzuhalten. Ich vergaß immer wieder, dass ich ihr erst vor knapp einem Monat zum ersten Mal begegnet war. Weil wir zusammen wohnten, gemeinsam kochten, aßen, Filme schauten und zur Uni gingen, war unsere Beziehung während der kurzen Dauer intensiv geworden.
Aber trotzdem: Sie brauchte Zeit. Viel mehr Zeit. 

Dass Devil uns unterbrochen hatte, hatte sie möglicherweise davor bewahrt, es eines Tages zu bereuen. Und mich davor bewahrt, deshalb von ihr weggestoßen zu werden. Allein daran zu denken raubte mir die Luft. Meine Kehle wurde enger. Ich konnte mir nahezu nichts Schlimmeres vorstellen, als von ihr abgelehnt zu werden. 

Sie war der Grund für meine Existenz. Ihre Nähe gab mir Sinn. Ich war nicht mehr weit davon entfernt, dass sie sich in mich verliebte. Das spürte ich genau. Ich brauchte nur noch ein bisschen Geduld. 

Trotz der frischen Luft, die mein Zimmer erfüllte, blieb das Engegefühl in meiner Brust bestehen. Devil hatte Schuldgefühle geweckt, unter denen sich alles in mir verspannte. Mit seiner Bemerkung hatte er definitiv einen Nerv getroffen. Er hatte recht. Mein Verhalten wurde seinem immer ähnlicher. 

Der Schatten in mir war es, der Daphne vollkommen einnehmen wollte. Ich hatte mich ihr verschrieben und hielt es kaum aus, wenn sie auf Distanz war. Fast schon verzweifelt, wollte ich am liebsten jede Sekunde an ihrer Seite sein. Kein Wunder, schließlich war das als Engel mein natürlicher Zustand gewesen. Abstand zu ihr schmerzte.

Der Stich in mein Herz bahnte sich die enge Luftröhre hinauf einen Weg in meinen Hals. Ich legte mich wieder hin, zog die Decke über die nackte Haut meines Oberkörpers und verschränkte die Hände im Nacken. Obwohl ich wusste, dass Schuldgefühle das pure Gift für mein Energiesystem waren, fühlten sie sich mächtig an.

Sie hielten mir vor, dass ich mir selbst in gewisser Weise ergeben war.
Zumindest konnte ich mich davon reinigen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf das Loslassen meiner Verspannungen.
Einatmen. Halten. Ausatmen. 

Ein Schauer raste meine Wirbelsäule hinab. Es war okay. Ja, ich hatte nachgegeben, hätte der Versuchung widerstehen sollen. Ihrer Nähe widerstehen sollen. Aber ich musste mir vergeben. Ich war aktuell ein Mensch. Und würde ich das gleiche Verhalten nicht jedem anderen Menschen ebenso verzeihen?
Das würde ich, denn ich liebte die Menschen bedingungslos, genau wie Vater. Das Leben auf der Erde war kein Leichtes. 

Ich stellte mir vor, wie warmweiße Sonnenstrahlen mein Scheitel-Chakra erreichten und sich meine Wirbelsäule hinab durch jeden weiteren Energiepunkt, bis zu meinem Steißbein hindurchwindeten. Universelle, bedingungslose Liebe stand zu jeder Zeit zur Verfügung. Sie läuterte mich und löste endlich die Enge, die mich am Luftholen hinderte. 

Celesdeal - Ein himmlischer Pakt (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt