10 - Kato

28 4 3
                                    

Kurze Klarstellung: eine Kitsune ist eine weibliche Kitsune, ein Kitsune ist ein männlicher Kitsune.

Schwer atmend stand der blonde Junge mir gegenüber. Schweiß perlte auf seiner Stirn ab, er sah aus, als wäre er einen Marathon gerannt. Seine Augen starrten mich an. Doch - das waren nicht seine Augen. Das geheimnisvolle aber auch warme Schwarz war verschwunden. Stattdessen erstrahlten sie in einem goldenen Licht.

„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?!" wiederholte er seine Frage. „Du hättest die Kontrolle verlieren können, verdammt noch mal! Du hättest sterben können, ist dir das eigentlich klar?!" Er klang so wütend wie noch nie zuvor. Etwas in seiner Stimme machte mir Angst. Meine Ohren legten sich flach an meinen Kopf. „Ich...", oh verfickt noch eins. Was sollte ich ihm sagen? „Ich bin nicht verrückt"

Schnellen Schrittes lief er auf mich zu. Ich wich zurück und bevor ich richtig überlegen konnte, spürte ich das Kribbeln in meinen Fingern und binnen Sekunden später das Katana. Ich umklammerte das kühle Metall, als wäre es ein Rettungsring. In gewisser Hinsicht war es das auch. Abrupt hielt Kato an und starrte fassungslos auf das Katana. Kuso. Panik erfasste mich und ich wich weitere Schritte zurück. Kuso, kuso, kuso, kuso! Er schien es zu bemerken und hob die Hände. „Nakamura-san, ich werde dich nicht verletzen. Mach dir mal darüber keine Sorgen, okay?", Ich schnaubte. Der hatte gut Reden.

„Woher soll ich das wissen?", rief ich quer über die Lichtung zurück, das Katana fest umklammert. „Ich...", Kato raufte sich die Haare. Er schien nach Worten zu ringen. „Du... Du bist eine Kitsune, oder?", fragte er.

In einem Film wäre jetzt vermutlich hinter mir der Hintergrund zersplittert und schwarz geworden. Denn genau so fühlte ich mich. Diese Fassungslosigkeit. Oder einfach das Nichts. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Wortschatz war weg. Alles, was mein Kopf zustande brachte war: Wie, wie, wie?

„Woher... woher weißt du das?!", brüllte ich ihm entgegen. Ich spürte wie sich die Luft hinter mir regte. Ich hatte meine Emotionen nicht unter Kontrolle, aber, mal ganz ehrlich, Scheiß drauf.

„Ich bin auch ein Kitsune."

Entschuldige mal - was?

Sollte das ein schlechter Scherz sein? Skeptisch beäugte ich Kato. Nein. Er sah komplett ernst aus. Keiner (glaubte ich zumindest) konnte so gut lügen, geschweige denn so Ernst bleiben. Nicht in so einer außergewöhnlichen Situation. Er seufzte, dann klatschte er in die Hände und an seinem Kopf und hinter seinen Beinen kamen Nebelschwaden hervor, die sich aber genau so schnell verzogen, wie sie gekommen waren und einen Blick auf zwei Fuchsohren, einen stetig hin- und herpendelnden Fuchsschwanz und zwei hellgelbe Augen warfen. Mir stockte der Atem. Er hatte nicht gelogen.

Der beliebteste Junge des ganzen Jahrgangs war ein Kitsune, eines der verhasstesten Geschöpfe der japanischen Mythologie. Innerlich lachte ich kurz auf. Die Ironie davon war einfach zu lustig.

Ich rang nach Worten. Es gab so viele Fragen, die ich stellen wollte, so viele Antworten, die ich brauchte. Ich schluckte. Kato näherte sich mir, langsam, aber sicher. Er hatte die Hände erhoben, sodass ich sehen konnte, dass er keine Bedrohung darstellte und auch keinerlei Waffen oder Ähnliches bei sich trug.

Als er nur mich wenige Zentimeter vor mir stand, begann er zu sprechen. Seine Stimme war tief und rau. Als ich in seine Augen blickte, sah ich, dass das aussagekräftiges Gelb mit goldenen Sprenkeln versehen war. Ich erkannte aber auch, dass der dunkle Fleck, der sich unmittelbar über seiner Augenbraue befand, kein Piercing, sondern schlichtweg ein Muttermal war.

Wie viele Mädchen würden töten, um jetzt mit mir Platz zu tauschen? Zu viele, um sie aufzuzählen. Ruri allen voran.

„Wie hast du das gemacht?", fragte er. „Was?", schoss ich zurück. Oh Gott, seine Nähe tat mir nicht gut. Ganz und gar nicht.

KitsuneblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt