[TW weil wegen mentions of Krieg und Diskriminierung von Minderheiten]
Herzlich Willkommen, ich bin zurück aus meinem Loch gekrochen, aus der Versenkung wieder aufgetaucht, aus meinem Sarg geklettert, um nun hier auf protzig-überhebliche Weise das folgende Geschwätz mit dem Hot Take einzuleiten:
Apolitisch und unparteiisch sein ist zentristische (Achtung Kinder, Ohren zuhalten) Kackscheiße.
Danke für eure Aufmerksamkeit.
Aber worum geht es eigentlich? Nun, ich bin keine Filmkritiker*in (he, she, it, das Gendersternchen muss um Markus Söders Willen mit), aber ich schaue gerne und oft Filme und ich habe gerne und oft Meinungen zu bestimmten Filmen und manchmal ganz selten teile ich solche Meinungen in Reviews, die länger als nur ein paar Sätze sind, mit dem Internet.
Civil War (2024, nein, nicht Captain America) ist einer dieser Filme, über den man sicherlich sehr viel sagen kann und wird, der viele Fragen aufwirft und einiges an Interpretationsraum lässt. (An dieser Stelle sei angemerkt, dass meine Analysefähigkeit durch die Uni nicht besser geworden ist.)
Civil War von Alex Garland handelt von, wie es der Titel wohl vermuten lässt, einer alternativen Zukunftsvision, in der ein Bürgerkrieg in den USA ausgebrochen ist. Keine Zombies, keine Aliens, kein nuklearer Fallout, sondern ein Szenario, dass in Zeiten wie diesen erschreckend greifbar und tatsächlich möglich wirkt.
Umso enttäuschender, das ein Film, der von einem grundsätzlich politischen Thema handelt, so gänzlich unpolitisch bleibt.
Das wird gewollt sein, aber aus welchen Gründen, lässt sich spekulieren. Aus Garlands Film geht an vielen Stellen hervor, dass er einfach nur die Schrecken eines solchen Bürgerkrieges beleuchten möchte, dass der Film in seiner Gänze eine anti-Kriegs Message ist und dass im Krieg, wenn Menschen sterben, Seiten ja eigentlich egal sind.
Das funktioniert in diesem Film auch irgendwo, weil wir ja nicht wissen, welche politischen Ziele und Ideen die beiden Seiten (Die Seite des Präsidenten vs. Texas und Kalifornien) verfolgen. Dem Zuschauer wird nur der Krieg selbst gezeigt, losgelöst von sämtlicher übergeordneter Politik der Akteure.
Das ist etwas, was in der Realität nicht existiert und so auch nicht funktioniert. Und die anti-Kriegs Message fällt flach, wenn man, auf reale politische Konflikte in den USA bezogen, annimmt, beide Seiten wären in einem Krieg gleich schlimm, bzw. die Gewalt wäre gleich schlimm und die politische Ideologie dahinter irrelevant.
Denn was ist die aktuelle politische Situation in den USA? I'm so glad you're asking, da kann ich die Amerikanistik Student*in mal so richtig schön raushängen lassen.
In den USA tobt aktuell ein Kulturkampf sondergleichen. Auf der einen Seite Frauen, PoC, religiöse Minderheiten und queere Personen, die für ihre Rechte kämpfen, auf der anderen Seite Rechtskonservative und Christofaschisten, die diesen Gruppen ihre Rechte nehmen wollen.
Die meisten werden mitbekommen haben, dass in den vergangenen Jahren Roe v. Wade gekippt wurde und immer mehr Staaten immer strengere Abtreibungsverbote verabschiedet haben. Zuletzt in Arizona, wo jetzt wieder ein Abtreibungsverbot von 1864, also aus tatsächlichen Bürgerkriegszeiten, gültig ist. Gleichzeitig fordern republikanische Politiker öffentlich, und ich betone noch einmal, öffentlich, "die Auslöschung von Transgenderism aus dem öffentlichen Leben" (Michael Knwoles "transgenderism must be eradicated from public life entirely"), Health Care für trans* Personen wird verboten, trans* Kinder ihren Eltern weggenommen, rechtskonservative Richter der Supreme Court sprechen öffentlich darüber, dass man ja auch noch Verhütung und Gay Marriage wieder verbieten könnte. An anderer Stelle will man die No fault Divorce (Also Scheidung ohne "guten" Grund) kippen und Bücher, die kritische Themen wie Queerness und Critical Race Theory behandeln, werden en masse verboten. (Hhmmm, Bücher verbieten hat ja historisch noch nie auf eine ziemlich schlimme Entwicklung hingedeutet, da wird schon nix passieren.)
Außerdem hat Trump, falls er denn wiedergewählt wird, eine ganz eigene Agenda des Gruselns für 2025.
Trump ist überhaupt ein gutes Stichwort, denn der hat auch nach drei Jahren Niederlage und diversen Gerichtsverfahren immer noch eine kulthafte Gefolgschaft, die alles glaubt, was er sagt und zu der Fakten absolut nicht mehr durchdringen. Das sind übrigens auch die gleichen Menschen, die queere Personen als Groomer und p*dophil bezeichnen, weil diese Menschen es wagen, im öffentlichen Raum zu existieren. Das sind übrigens auch die gleichen Menschen, die Bombendrohugen an Grundschulen senden, weil irgend eine Lehrperson dort eine Pride Flagge im Klassenraum hängen hat.
Das ist der aktuelle Stand in den USA. Und dann einen Film zu machen, der ein Ereignis darstellt, das in der Zukunft durchaus möglich ist und ALLES davon unerwähnt zu lassen. Es so darzustellen, als wären Seiten nicht wichtig, weil Krieg an sich schrecklich ist. (Krieg ist schrecklich, versteht mich nicht falsch.)
Aber Seiten sind wichtig. Seiten geben Kontext und Tiefe und Kritik. Zentrismus kommt, in diesen Zeiten und besonders in den USA, vom priviligierten Standpunkt des Nicht-betroffen-seins. Der weiße männliche cishet Regisseur (der übrigens nicht mal Amerikaner ist, es kann also sein, dass er nicht mal in den USA lebt) kann es sich leisten, die aktuelle politische Situation und das Leiden von Minderheiten zu ignorieren, in favor einer anti-Kriegs Message.
Oder vielleicht wird das aktuelle politische Geschehen auch nur aus Angst vor einer Kontroverse ausgeblendet. Ich kann nicht hinter die Kulissen gucken. Ich finde den Film aber rückblickend durch seine Apoliticalness problematisch, auch, weil ich finde, dass es wichtig gewesen wäre, die amerikanischen Rechtskonservativen und Christofaschisten out zu callen, weil es wichtig gewesen wäre, Stellung zu beziehen und sich an die Seite der angegriffenen Minderheiten zu stellen.
Stattdessen bleibt ein Film, der es irgendwie schafft, ein so politisches Thema wie ein neuer Bürgerkrieg in den USA, zu de-politisieren.
Und auch, wenn man einen solchen Bürgerkrieg sicherlich nicht nur schwarz weiß sehen sollte, finde ich es doch, auf die Realität bezogen, hochgradig schwierig zu sagen, die Seite der Unterdrückten, die um ihre Rechte und ihr Leben kämpfen, wäre genauso schlimm wie die der Unterdrücker, weill Gewalt und Krieg sind ja schlecht. In einem solchen Denken gehen jegliche Nuancen verloren.
So yeah, schaut euch den Film selbst an, bildet euch eure eigene Meinung. Der Film hat auch noch andere Punkte, über die man nachdenken und die man analysieren kann, wie zum Beispiel die Frage nach Moral im (Kriegs)Journalismus. Ich fand ihn auch nicht scheiße, sondern einfach nur stressig und horrifying und im Nachgang angesichts der aktuellen politischne Situation im Amiland eben ein bisschen... strange.
(Man entschuldige die Anglizismen.)
(Support trans* people.)
(Abortion is health care.)
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Noch sone Meinung im Internet
RandomObligatorisches Meinungsbuch. Prepare for da memes.