Kapitel 5

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Vincent

" 'Cause Iam into deep, and Iam trying to keep above my head instead of going under-" Deryck Whibleys Stimme schmettert keine zwei Stunden später aus dem Lautsprecher meines Handys. Den ersten Versuch meines Handys mich aus dem Bett zu schmeißen habe ich erfolgreich ignoriert, doch auch nach dem dritten Mal Snoozen möchte ich das Telefon aus dem Fenster werfen, als der Wecker erneut losgeht. Mein Kopf dröhnt, als würde ein Haufen Bergarbeiter mit Spitzhacken gegen meine Schädeldecke hämmern.

Dabei dachte ich, dass ich heute Morgen, als ich mich aus der fremden Wohnung geschlichen habe, den Kater der letzten Nacht hinter mir gelassen habe. Aber anscheinend rettet eine Stunde Schlaf nach einer durchzechten nichts. Im Gegenteil. Ich fühle mich geräderter als vorher, verfluche mich innerlich bereits dafür, dass ich überhaupt dachte, mich nochmal aufs Ohr zu hauen wäre eine gute Idee.

Mit einem entnervten Stöhnen taste ich blind nach dem lärmenden Gerät, fege es mit einer ungelenken Handbewegung von meiner Kommode, sodass es scheppernd auf dem Boden landet. Leider sorgt das aber nicht dafür, dass die Musik verstummt, die mir aus dem Gerät heraus entgegen plärrt.

"Ach fuck it!" nuschle ich in mein Kissen und vergrabe mein Gesicht noch etwas mehr im Bezug. Als ob ich mich so wirklich vor der Welt verstecken könnte. Doch weder das grelle Licht, was durch mein Zimmerfenster hereinfällt, noch die Musik wollen verschwinden, sodass ich mich schließlich geschlagen gebe und mich langsam zur Seite rolle und kapituliere gegen den Wecker.

Es hilft ja alles nichts und auch wenn Tessa mit ihrer Vermutung bis 12 Uhr eine Zeit ist die eher mein natürlichen Biorhythmus entsprechen würde, gar nicht falsch liegt richtet sich die Uni leider nicht nach meinen Bedürfnissen. Noch mal zu fehlen kann ich mir allerdings nicht leisten, also reibe ich mir widerwillig die Augen und stemme mich schließlich von der Matratze hoch.

Müde setze ich mich auf.

Ich brauche dringend einen Kaffee... oder gleich 10... Denke ich, als ich auch das andere Bein über die Bettkante schwinge und mich bücke, um endlich den nervtötenden Wecker abzustellen. Zu meinem Glück hat mein Display nichts abbekommen. Ein neues Handy hätte ich mir diesen Monat nämlich nicht leisten können, oder überhaupt in den nächsten Monaten, jetzt wo mein Gehalt als Musiklehrer gekürzt wird, nachdem mir ein Schüler abgesprungen ist... Doch als ich den kleinen Schalter an der Seite betätige, leuchtet der Bildschirm auf. Mit einem erleichterten Ausatmen lasse ich die Hand mit dem Telefon sinken, stutze jedoch, als mir die Benachrichtigungen ins Auge fallen. Vier verpasste Anrufe und drei Nachrichten. Zwei davon von Juna und der Rest von einer Nummer, die ich nicht eingespeichert habe. Es genügt jedoch ein kurzer Blick auf die letzten drei Ziffern, um zu wissen, wer versucht hat, mich zu erreichen. Ich starre auf die Nummer.

21... 22... 23...

Drei Sekunden lang sitze ich da und starre vor mich hin. Unfähig mich zu bewegen oder einen klaren Gedanen zu fassen.

Dann, ganz plötzlich, überkommt mich ein Gefühl. Blanke Wut brodelt in mir hoch. Wie Lava in einem Vulkan, die blubbernd hochkocht, um sich heiß und brennend einen Weg nach draußen zu bahnen.

Wieso verdammt noch mal dachte ich es sei eine gute Idee aufzustehen? Ich bin gerade mal fünf Minuten wach und möchte schon wieder schlafen, oder auf irgendwas eindreschen.

Dass ich es trotzdem schaffe, mein Handy nicht mit voller Wucht gegen die Wand zu schmeißen, grenzt an Wunder und verlangt mir alles an Selbstbeherrschung ab, was ich aufbringen kann. Stattdessen atme ich einmal tief ein, dann wieder aus, stehe auf und werfe das Telefon dann auf mein Bett. Doch neben der Wut, die in meinem Bauch vor sich hin köchelt, mischt sich ein unangenehmes Ziehen darunter. Ein beklemmendes Gefühl, das sich schleichend in meiner Magengegend einnistet. Zum Glück kenne ich das beste Heilmittel dagegen: Verdrängung.

The BetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt