Vincent
So leise wie möglich schiebe ich die Bettdecke zur Seite und schwinge die Beine über die Bettkante. Ich habe absolut keine Ahnung, wie spät es ist, aber dem dämmrigen Lichtstreifen nach zu urteilen, der durch den schmalen Spalt zwischen den Gardinen fällt, und das Aufgehen der Sonne ankündigt, muss es inzwischen Morgen sein.
Ich muss wohl eingeschlafen sein, ohne dass ich es richtig bemerkt habe. Das würde zumindest meine schmerzenden Muskeln und das Dröhnen in meinem Kopf erklären. Mein Mund fühlt sich trocken an und meine Gelenke sind steif vom Liegen. Ich strecke mich ausgiebig und taste dann auf dem kleinen Tischchen nach meinem Telefon.
Ein kurzer Blick auf das Display bestätigt meine Vermutung: es ist 05.03 Uhr.
Fuck, jetzt aber schnell.
Hastig schlage ich die Decke vollkommen zur Seite und versuche in der Dunkelheit des fremden Zimmers nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, als ich nach meinen Sachen Ausschau halte, die auf dem Boden verstreut liegen.
Die kalte Luft im Raum lässt mich frösteln, aber ich ignoriere das, als ich in der Dunkelheit meine Boxershorts und Jeans aufklaube, um hinein zu steigen.
Macy neben mir gibt ein leises Seufzen von sich, als sie die Decke fester um sich wickelt und sich auf die andere Seite rollt. Alarmiert halte ich in der Bewegung inne. Mein Blick wandert zu der Brünetten hinüber, die sich tief in ihre Bettdecke kuschelt, trotzdem verharre ich eine Sekunde in meiner Position, um sicher zu gehen, sie nicht doch zu wecken. Erst, als die Brünette sich nicht weiter bewegt, fahre ich damit fort, mich anzuziehen und so leise wie möglich die Tür des fremden Schlafzimmers hinter mir zu zu ziehen.
Mit einem leisen Seufzen lehne ich mich gegen das Holz. Ich fische mein Handy aus der Hosentasche und checke meine Nachrichten, bevor ich einen Fahrplan aufrufe und die Haltestelle in der Nähe unseres Wohnhauses eingebe. Die nächste Haltestelle scheint sich nur zwei Häuserblocks weiter zu befinden und zu meinem Glück kommt der nächste Bus bereits in einer viertel Stunde. Genug Zeit, um eine Zigarette zu rauchen.
Die frische Morgenluft füllt meine Lungen, kaum, dass ich wieder aus dem Bus steige. Am Horizont zeichnet sich inzwischen ein heller, rot - glühender Streifen ab und die ersten Autos quälen sich die Straße entlang. Inzwischen ist es nicht mehr ganz so kalt, zumindest bilde ich mir das ein. - Vielleicht spüre ich die Kälte aber auch einfach nicht, als ich die Straße überquere und zielsicher auf die Tür unseres Wohnblocks zusteuere, denn der einzige Gedanke, den ich gerade habe ist der, dass ich mich nach einer heißen Dusche sehne. Die Nacht mit Macy war schön, keine Frage, aber ich hatte nicht die Absicht, etwas längerfristiges daraus zu machen. Ein weiterer Grund, warum ich nie jemanden mit in die WG nahm, der über Nacht blieb: es war einfach unkomplizierter. Ich konnte selbst entscheiden, wann der beste Zeitpunkt war, um zu gehen. Niemand nahm ein Shirt von mir mit, um es mir "später irgendwann mal zurückzugeben", keine "vergessenen" Schmuckstücke und nicht der geruch von fremdem Parfüm in meinen Laken, der mich noch am morgen danach daran erinnerte , dass ich die Nacht nicht allein verbracht hatte. Es war einfacher so. Es gab keine Erwartungen und niemand wurde am Ende enttäuscht. Ich umging das Risiko, dass sich aus einem harmlosen One Night Stand plötzlich mehr wurde und dann irgendwer verletzt wurde.
Die einzigen Erinnerungen an unsere gemeinsame Nacht sind meine Klamotten vom Vorabend, das Ziehen in meinen Muskeln und der Geruch von Schweiß und Rauch in meinen Klamotten und Haaren, den ich gleich abwaschen würde. Das und die Kopfschmerzen, die sich jetzt wieder einmal mehr bemerkbar machen.
Gerade bin ich dabei, den Schlüssel aus meiner Hosentasche herauszufischen, um die rettende Tür aufzuschließen, da kündigt das Vibrieren meines Handys eine Nachricht an. Ich halte in der Bewegung inne, ziehe nun doch mein Handy heraus und werfe einen kurzen Blick auf das Display, doch in dem Moment, als die Nummer meiner Schwester aufleuchtet, wünsche ich mir fast, ich hätte es nicht getan. Allein die Nachrichtenvorschau reicht mir dafür aus.
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The Bet
RomanceEin Neuanfang, das ist alles was Tessa sich wünscht, als sie nach der Trennung von ihrer ersten großen Liebe in der WG ihres Bruders unterkommt. Sie will sich endlich auf sich und ihre große Leidenschaft konzentrieren : Das Schreiben. Am besten ohn...