Kapitel 9

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Vincent 

Mit einem leisen Seufzen klappe ich den Laptop zu und schiebe das Gerät von mir. Drei verdammte Stunden sitze ich jetzt schon an dieser beschissenen Projektarbeit und ich habe so gut wie GAR NICHTS. Da hilft es auch nicht, dass das Singen auf dem Flur seit einer guten Stunde verstummt ist. Entweder hat die Brünette den Versuch aufgegeben, ihre Wand in einer Farbe zu streichen, die andere mit Krankenhauskitteln oder sehr ungesunder Kotze gleichsetzen würden, oder sie hat sich doch dazu entschieden, Eintritt für ihr kleines Privatkonzert zu verlangen.

Mit Tessa durch die Wand ein komplettes Taylor Swift Album anzuhören, ist eine ganz besondere Foltermethode, aber gerade würde ich die komplette Diskografie der blonden Sängerin von 2006 an bis heute performen, wenn sich dadurch mein Problem lösen würde! Musiktheorie ist eben einfach ein beschissenes Fach, aber wenn ich meinen Abschluss wollte, musste ich eben da durch. Der einzige Lichtblick heute ist der Abend mit den Jungs - auch wenn bis dahin noch ein bisschen Zeit vergehen muss und ein Training sowie ein paar Nachhilfestunden dazwischen liegen. Nach der letzten Probe hatten wir beschlossen, dass es mal wieder für einen entspannten Abend ohne Party und ohne Arbeit war. Denn auch wenn ich wirklich gern Musik mit meinen Freunden mache, sind die Proben anstrengend und nervenaufreibend. Vor allem jetzt, kurz vor dem New Noise, wo jede Probe zählt und es unzählige Dinge gibt, die man verbessern könnte.

Ein Abend, an dem wir nur zusammensitzen, ein bisschen zocken und vielleicht ein Bier trinken, klingt deshalb nahezu perfekt. Unter anderem auch, weil wir noch auf Eriks und Sarahs Umzug anstoßen mussten. Schließlich hatte mein ältester Kumpel etwas geschafft, was ich in 23 Jahren noch nicht fertiggebracht habe - und wahrscheinlich in den nächsten 23 auch nicht fertig bringen werde, aber das ist ein anderes Thema. Doch bevor ich mich auf den wohlverdienten Feierabend freuen konnte, stand noch etwas anderes an. Ich greife mein Handy, was noch immer neben dem Laptop auf dem Schreibtisch liegt und entsperre es. In den letzten drei Stunden hatte ich keinen Blick darauf geworfen, weil ich versucht hatte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren; dass das Ganze nur semi erfolgreich war, sei mal dahingestellt. Allerdings hatte das Gerät immer mal wieder aufgeleuchtet, wenn eine neue Nachricht eingegangen war. Das ganze war schon gut drei Stunden her. Doch noch bevor ich dazu komme, einen Blick in meinen Kalender zu werfen, leuchtet mir das WhatsApp Icon auf meinem Handy entgegen, das 9 ungelesene Nachrichten ankündigt. Darunter einige von meinen Freunden und eine aus einer Gruppe für die Uni doch was mir als erstes ins Auge fällt ist der Chat meiner Schwester, in dem gleich mehrere Nachrichten aufploppen:

Juna ; 13:07 Uhr

Hast du angerufen?

Juna ; 13:12 Uhr

Vincent, Mom fragt, warum du dich nicht meldest.

Juna ; 13:17 Uhr

Vincent, bitte melde dich endlich bei Mom.

Juna ; 13:19 Uhr

Hallo?

Juna ; 13:41 Uhr

Scheiße, Vincent! Ruf endlich an! Mom i-

Ich schalte mein Handy aus. Mein Magen hat sich wieder zusammen gekrampft, während ich einen kurzen Moment nur auf die Tischplatte vor mir starre. Meine Hände ballen sich beinahe automatisch zu Fäusten, während ich die Kiefer schmerzhaft aufeinander presse. Die Wut, die sich in meinem Bauch sammelt, fühlt sich an wie kochende Lava, die meine Innereien verbrennt. Gepaart mit einem sengenden Gefühl von Ärger und einem dumpfen Ziehen, das ich nicht näher benennen kann.

Wieso?

Wieso verdammt noch Mal können sie es nicht einfach gut sein lassen?!

Und warum verdammt noch Mal muss ausgerechnet Juna sich da einmischen? Hat sie nicht eigentlich genug eigene Probleme?!

The BetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt