Tessa
"Er hat WAS?" Violas Stimme überschlägt sich fast am anderen Ende des Telefons und zum ersten Mal an diesem Morgen sieht meine beste Freundin von ihren Nägeln auf und blickt direkt in die Kamera. Bis eben hatte Vi es sich noch auf ihrer Tagesdecke gemütlich gemacht, die verschiedenen Fläschchen mit buntem Nagellack vor sich aufgereiht und hatte prüfend mit dem Pinsel ihre Nägel mit einer Hingabe bepinselt, als wäre sie dabei ein Kunstwerk von Picasso zu malen, doch jetzt hält sie in der Bewegung inne. Ihre Augen fixieren mich selbst durch das Display hinweg. Einen Moment sagt sie gar nichts. Ich seufze und lasse mich gegen die Lehne meines Schreibtischstuhles sacken. Nach unserer Auseinandersetzung in der Küche hatte ich mich schnellstmöglich in mein Zimmer verzogen. Einerseits, weil ich nicht besonders scharf darauf war, noch mal Vincent oder seinem Betthäschen zu begegnen, andererseits, weil sich mein kurzweiliger Sieg über das Territorium Küche nicht mehr ganz so glorreich angefühlt hatte nachdem mir mein Mitbewohner diese unschönen Dinge an den Kopf geknallt hatte. Das eigentlich Schlimme daran ist jedoch, dass ich mir nicht so sicher bin, ob dieser Einwand nicht doch berechtigt war. Denn auch, wenn Vincent in meinen Augen ein idiotischer und nerviger Kerl ist, mit dem ich mir leider eine Wohnung teile und mich sein Verhalten aufregt, wäre es ziemlich unfair gewesen sowas zu sagen. Aber hatte ich das überhaupt?
"Man Vi, ich weiß doch auch nicht, was da abgelaufen ist. Er hat mich einfach aufgeregt," brumme ich und schließe für ein paar Sekunden meine Augen in der Hoffnung, ich könnte meine Gedanken sortieren, doch die Erkenntnis, auf die ich warte, bleibt aus.
„Tessa? Bist du noch da?" Violas Stimme dringt durch die Schallmauer meiner Gedanken. Ich öffne die Augen und finde den Blick auf den Bildschirm gerichtet, der sich vor mir verkrampft hat. „Du kannst nicht einfach so aufhören zu reden, wenn du an der interessantesten Stelle bist. Also erzähl weiter!" Ich schnaufe leise in mich hinein. "Was gibt es denn da noch zu erzählen?" Will ich ein bisschen zu genervt wissen, bevor ich mir eines der flauschigen Kissen vom Ende des Bettes angle und anfange den Stoff in den Händen zu kneten. " Offenbar lebe ich nicht nur ordnungstechnisch mit zwei hormongesteuerten Teenagern zusammen, sondern auch was die emotionale Ebene betrifft. Die beiden denken nämlich nicht mit ihrem Kopf sondern ausschließlich mit ihren Penissen. Viola zieht ihre Nase kraus. "Du glaubst die beiden hatten was miteinander?" Ich lache freudlos auf. "Wir reden hier von Vincent, was sollen sie denn sonst gemacht haben? Ich bezweifle, dass er und diese Lena gestern Nacht Karten gespielt haben." Die Furche auf der Stirn meiner besten Freundin wird tiefer. " Dann bist du sauer, weil dein Mitbewohner Sex hatte?" Fragt sie skeptisch und legt den Kopf schief. "Was hast du erwartet, Tess? Eine schriftliche Einladung?" Entgeistert reiße ich die Augen auf. "WAS?! Gott, Himmel nein!" Protestiere ich sofort und schüttle heftig den Kopf. "Ich will gar nicht wissen, was da läuft! Ich will es mir nicht mal vorstellen !" Viola lacht laut auf. "Du weißt aber schon, dass Vincent erwachsen ist." Frage wie amüsiert grinsend, bevor sie sich wieder ihren Nägeln widmet. Mit einer geübten Bewegung streicht sie die Farbe auf ihre Finger. Ein helles fast giftiges Grün. "Er hat Sex, genau wie ich, oder du und Aaron. Was ist also das Problem?"
Ich hebe das Kissen in die Höhe und presse es mir aufs Gesicht, als würde das helfen Vi nicht zuzuhören. "Hör auf zu sagen, dass mein Bruder Sex hat!" nuschle ich in den Stoff hinein, was meine beste Freundin nur noch mehr zum Lachen bringt. "Ach komm. Die ganze Welt hat Sex, Tessa." Sagt sie. Ich linse über den Rand meines Kisses hoch. "Eltern, Geschwister und Mitbewohner sind die Menschen von denen man das aber NICHT wissen will, Vi." Sage ich bestimmt. "Außerdem geht es nicht darum, dass Vincent Sex hat. Mir ist das schon bewusst. Aber darum geht's nicht. " Viola gebt den Kopf. "Und worum geht's dann?" Fragt sie und pustet auf ihre Nägel, ehe sie den kleinen Pinsel andächtig zurück in das kleine Fläschchen tunkt. Ja, das ist eine verdammt gute Frage. Etwas ratlos hebe ich die Schultern, knietsche den Stoff dann wieder in meinen Schoß. "Er ist einfach unmöglich!" Grummle ich und vergrabe meine Faust im Kissen.
"Er ist einfach Vincent! Er nimmt nichts ernst was ich sage und er ist einfach immer sooo überheblich und von sich selbst überzeugt und trotzdem bin ich immer seinen Augen diejenige, die verklemmt und kindisch ist!" Ich verziehe das Gesicht was ich wieder dieses fiese Stechen in meiner magengegend bemerkbar macht. Immerhin habe ich mich jetzt genug in Rage geredet, als dass ich die Wut spüren kann die in mir hochkocht. "Nur weil ich früh nicht neben einem halbnackten, knutschenden Pärchen Kaffee trinken will, bin ich doch lange noch nicht verklemmt! Ich wette, er wäre auch nicht begeistert, wenn mein One Night Stand einfach seine Sachen benutzt und dann in der Küche vor ihm herumstolziert, aber sobald ich versuche ihm das klarzumachen, tut er so, als wäre ich das Problem. Weißt du, was das Schlimmste daran ist?" sage ich, meine Stimme immer noch scharf. „Er dreht es immer so, dass ich am Ende diejenige bin, die überreagiert, oder die 'verklemmt' ist." Ein erneuter Faustschlag landet frustriert im Kissen. "Er tut so, als ob er alles wüsste, als ob nichts ihn jemals aus der Ruhe bringen könnte. Und ich... Ich bin immer diejenige, die sich aufregt und dann auch noch schlecht dabei aussieht. Es ist einfach... frustrierend. Dabei scheint sein einziger lebensinhalt zu sein mir auf die Nerven zu gehen. Sei es weil ich "uncoole" Musik höre, oder es eben nicht einsehe die nächsten Monate in einer Müllhalde zu Hausen oder weil ich mich einfach nicht mit der uralten Kaffeemaschine auskenne die man schon lange gegen eine neue austauschen könnte!" Und das ist noch diplomatisch ausgedrückt.
„Klingt, als ob dich ziemlich beschäftigt, was er von dir denkt", sagt Viola plötzlich und ich spüre, wie sich mein Magen zusammenzieht. Sie hat recht, auch wenn ich es nicht zugeben will. Vincent weiß genau, wie er mich aus der Fassung bringt, und das tut er mit einer Leichtigkeit, die mich noch mehr ärgert. Aber warum wurmt es mich überhaupt so sehr, was er von sich gibt? Es könnte mir doch eigentlich egal sein oder nicht?!
Ich verschränke die Arme und lasse mich zurück nach hinten in den restlichen Kissenberg fallen. „ Nein. Mir ist egal was er denkt! Es ist nur.......Es ist einfach unfair. Ich meine, klar, wir teilen uns eine Wohnung und ich erwarte nicht, dass alles perfekt läuft. Aber er könnte doch wenigstens mal ein bisschen Rücksicht nehmen, oder?"
Viola mustert mich für einen Moment, dann seufzt sie leise. "Ich verstehe dich T," sagt sie gedehnt, während sie mit den grünen Fingernägeln durch die Luft wischt, als würde sie versuchen, Fliegen zu verscheuchen, um den Lack zu trocknen. Seltsamerweise steht meiner besten Freundin diese Farbe, die an fast jedem einfach nur grässlich aussehen würde, überraschend gut. "Aber ich... ach vergiss es. " Ich kneife die Augen zusammen. "Was? Sag schon."
Viola seufzt erneut, sieht mich an, dann sagt sie schließlich: "Du weißt, ich stehe immer hinter dir; und du hast Recht du wohnst jetzt auch dort und dass er das alles so abtut ist scheiße....aber du weißt auch, dass du nicht immer ganz fair bist..." Entrüstet setze ich mich auf. Das Kissen raschelt leise, als ich es zur Seite lege und direkt in die Kamera schaue. " Dann ist es also meine Schuld, dass er sich wie ein idiotischer Macho aufführt?!" Vi schüttelt entschieden den Kopf. "Nein!" Sagt sie schnell und hebt jetzt abwehrend eine Hand. "Das habe ich nicht damit sagen wollen. Klar ist es bescheuert dass er dir die ganze Zeit irgendwelche dummen Sprüche drückt und ich verstehe auch dass sich die Situation heute morgen aufgeregt hat. Ich hätte sicher auch allergisch reagiert, wenn jemand einfach meine Sachen benutzt, aber ..... du schießt auch oft gegen Vincent, und das bringt ihn vermutlich nur noch mehr dazu, dich zu provozieren."
Ich starre meine beste Freundin einen Moment beinahe fassungslos an, während sie spricht, und versuche, ihre Worte zu verarbeiten. „Du meinst, ich sollte einfach alles schlucken, was er tut?"
„Nein, das meine ich nicht", sagt sie sanft. „Aber vielleicht könntest du ihm mal eine Chance geben, ohne sofort das Schlimmste zu denken. Womöglich ist er gar nicht so übel, wie du denkst. Immerhin hat er dir doch auch beim Streichen geholfen, oder nicht?" Ich presse die Kiefer aufeinander.
"Ja, er hat mir beim Streichen geholfen," murmele ich widerwillig. „Aber das bedeutet nicht, dass er plötzlich ein Heiliger ist. Außerdem war das auch eher unfreiwillig. Ich habe einfach das Gefühl, er kann mich überhaupt nicht ausstehen. Immerhin hat er selbst gesagt, dass er sich den Tag meines Auszugs rot im Kalender markiert hat, dabei bin ich wohl eher diejenige, die eine Party veranstaltet, sobald sie endlich aus diesem Höllenloch raus ist! Es ist ja nicht so, als hätte ich mir das hier freiwillig ausgesucht." Viola sieht mich ein Moment an, dann lächelt sie schief. "Ich will nicht einen auf Psychologen machen oder Vincent in Schutz nehmen, aber ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass es ihm vielleicht genauso geht? Schließlich seid ihr beide ja nicht unbedingt glücklich mit dieser Situation..." Viola lehnt sich vor und sieht mich ernst an: "Klar, er ist kein Heiliger, aber du bist auch nicht unschuldig daran, dass ihr euch ständig in die Haare kriegt." meine rechte Augenbraue wandert in die Höhe. Die Brünette hebt beschwichtigend die Hände.„Ich sage nur, dass ihr beide in dieser Situation festsitzt, die keiner von euch wollte. Und anstatt einen Weg zu finden, es halbwegs erträglich zu machen, macht ihr es euch gegenseitig schwer. Vielleicht fühlt sich Vincent genauso eingeengt wie du."Wahrscheinlich sollte ich protestieren doch irgendwie macht sich ein kleines stimmchen in meinem Hinterkopf bemerkbar das mir zuraunt, dass meine beste Freundin vielleicht ein klitzekleines bisschen recht hat, mit dem was sie sagt. Mag schon sein, dass Vincent nicht unbedingt viel dazu beigetragen hatte unser erzwungenes Zusammenleben harmonisch zu gestalten, doch wenn ich so an unser letztes Gespräch zurückdenke, muss ich mir selbst leider eingestehen, dass ich nicht viel besser war als er. Denn anders als beim letzten Mal hatte es wirklich nicht viel gebraucht, um mich vollkommen ausrasten zu lassen. Vielleicht war es aber auch der angestaute Frust über die Kolumne, die Wohnsituation, Dylan und den Uni-Stress der sich über die letzte Zeit angesammelt hatte. Das es nicht fair war, meine Wut an Vincent auszulassen, auch wenn er sich vielleicht wie ein idiotisches Arschloch aufführt, wird mir in diesem Augenblick noch einmal mehr bewusst. Ich ziehe die Unterlippe zwischen meine Zähne. Meine Hand findet wieder das Kissen, während ich anfange, an der Ecke herum zu knibbeln, ehe ich die Schultern hochziehe. Ich seufze und lasse den Kopf gegen die mintgrüne Wand sacken. „Vielleicht. Aber es ändert nichts daran, dass er mich einfach nervt. Er weiß genau, wie er mich provozieren kann, und es funktioniert jedes Mal."
Viola lächelt leicht. „Vielleicht, weil du es ihm so leicht machst. Oder weil ihr nicht miteinander redet. Ihr müsst ja nicht die besten Freunde werden, aber eventuell würde es alles zumindest ein wenig einfacher machen, wenn ihr einfach mal Klartext redet. Ihr habt beide Scheiße gebaut und wenn du den ersten Schritt machst kommt er vielleicht auch auf dich zu. "
Ich denke einen Moment darüber nach und nicke schließlich langsam. „Vielleicht hast du recht. Es könnte nicht schaden, es mal anders zu versuchen. Aber wenn er mir nochmal blöd kommt..."
„...dann kannst du ihm immer noch einen Spruch drücken", ergänzt sie grinsend. "Aber jetzt noch mal was anderes, was ist eigentlich mit der Einzugsparty dieses Wochenende?" Ein leises Seufzen kommt über meine Lippen. Die Party hatte ich für einen Moment vollkommen vergessen. Vielleicht hatte ich es auch einfach verdrängt, weil die Idee, meinen Einzug zu feiern, zu 90% von meinen Freunden und zu den anderen 10% von meinem Bruder ausging, hatte ich das Thema bisher so gut es ging vermieden. Vielleicht auch, weil sich ein Teil von mir immer noch nicht damit beschäftigen wollte, wie meine Zukunft in den nächsten Monaten aussehen würde. Vor ein paar Tagen hatte ich mich zusammengenommen und erneut einen Blick in die Wohnungsanzeigen geworfen. Doch die durchforstung sämtlicher Internetseiten und sogar einiger Zeitungsartikel und ebay Kleinanzeigen war wenig erfolgreich.
Zwar hatte Aaron mir versichert , dass ich so lange bleiben konnte wie ich wollte, doch neben dem Umstand, dass ich dauernd mit einem meiner Mitbewohner aneinander geriet, fühlt es sich einfach immer noch seltsam an zu wissen, dass das Aus meiner Beziehung kein böser Traum sondern bittere Realität war. Zumal sich Dylan nicht mal nach mir erkundigt hatte, seitdem ich die letzten Kisten aus unserer gemeinsamen Wohnung geholt und bei Allys Eltern im Keller gelagert hatte. Die Carters wohnten direkt in der Nähe und hatten mir schon nach der Trennung angeboten den stauraum den das riesige Familienanwesen bot zu nutzen. Im Angebot auf das ich mehr als gerne zurückgekommen war, denn die sechs Stunden Autofahrt in meine Heimat wollte ich mir vorerst sparen. Für meinen Ex schien unsere Trennung wirklich keine große Sache zu sein. Bisher hatte er mir nur zweimal geschrieben, um mich zu fragen, ob ich unser Geschirr, dass ich ebenfalls in einer Kiste im Keller eingelagert hatte, wo es wahrscheinlich verstauben würde, bei Ikea oder im Internet gekauft hatte. Dass er den Verlust einer Schüssel mehr betrauerte als meinen Auszug, war irgendwie bitter, andererseits machte es die Sache vielleicht leichter, denn ganz offensichtlich war Dylan nicht der Mensch, mit dem ich glücklich bis ans Ende meiner Tage werden würde, auch wenn ich das eine lange Zeit geglaubt hatte. Und trotzdem tut es jedes mal verdammt weh wenn ich nur darüber nachdenke. Vielleicht stelle ich mich deswegen auch dem Gedanken an eine Feier die meinen Einzug in eine andere Wohnung darstellen soll gegenüber quer. Es wäre irgendwie so endgültig dabei...ist es das vielleicht sogar schon?
Offensichtlich habe ich einen ganzen Moment lang nichts gesagt, denn das Räuspern meiner besten Freundin am anderen Ende der Leitung lässt mich ein wenig zusammenzucken. " Ehm..." ich blinzle und schüttle gleich darauf den Kopf. " Sorry. Ich war gerade in Gedanken, ich muss mich noch mal mit Aaron und Vincent abstimmen, aber an sich sollte das kein Problem sein. Ich muss mir nur etwas einfallen lassen um die Jungs aus der Wohnung zu bekommen." Ich grinse schief. "Oder du fragst sie ob sie einfach mitfeiern das wäre zumindest die einfachste Lösung." Entgegnet Vi mit einem Schulterzucken. Ein heiseres Lachen kommt über meine Lippen. "Und Vincent damit die Bestätigung geben, dass ich klischeehafte Mädchen Partys veranstalte, auf denen es Sekt gesichtsmasken und abends Sex in der City gibt? Nein danke. Das ist unser Abend und den möchte ich auch mit euch feiern, wenn wir diesen Aufwand schon betreiben und zwar ohne mir anzuhören das alles was ich mache scheiße ist." Meine beste Freundin nickt. "Na wenn du meinst. " Sagt sie. "Ich muss jetzt auch Schluss machen, mein Herz hat mir gerade verraten dass mein Essen fertig ist aber wir können später noch mal telefonieren. Es gibt Auflauf." Ich lächle ein wenig. "Klingt fantastisch, pass auf, dass ich mich nicht selbst zum Essen einlade." Viola schmunzelt. " Der ist leider nicht so gut wie deiner, aber ich komme langsam in die Nähe."sagt sie dann stoppt sie jedoch kurz. "Wirst du mit ihm reden?" Fragt sie. Nun ist es an mir die Schultern zu. "Mal sehen."
Sie lächelt schief. "Überleg nicht zu lange Tess. Bis später."
Nachdem ich aufgelegt habe, sinke ich auf mein Bett zurück und starre an die Decke. Violas Worte hallen noch in meinem Kopf nach. "Wirst du mit ihm reden?"
Vielleicht sollte ich das wirklich. So, wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. Es macht keinen Spaß, ständig auf Kriegsfuß zu stehen – weder für mich noch für ihn. Aber die Vorstellung, den ersten Schritt zu machen, fühlt sich trotzdem irgendwie unangenehm an. Schließlich war es nicht nur ich, die das Feuer immer wieder geschürt hat. Er ist schließlich genauso schuld.
Ich drehe mich auf die Seite, ziehe die Decke unter meinem Hintern hervor und lege sie über meine Beine nur um den Stoff dann enger um mich zu ziehen und seufze tief. Morgen. Vielleicht morgen, wenn die Stimmung passt und wir nicht schon wieder wegen irgendwas aneinandergeraten.
Doch kaum habe ich den Gedanken gefasst, merke ich, wie unrealistisch er ist. Es gibt bei uns keine „guten Momente". Alles, was zwischen uns passiert, scheint wie ein ständiger Schlagabtausch zu sein, bei dem keiner nachgeben will. Vielleicht muss ich es einfach durchziehen, bevor ich es mir wieder anders überlege. Und Viola hat recht – es wäre zumindest einen Versuch wert. Wenn er danach immer noch ein Arschloch sein will,kann ich mich zumindest davon freisprechen, nicht alles versucht zu haben.
Kurzentschlossen richte ich mich auf und strample den soeben gebauten Kokon von meinen Füßen. In einer energischen Bewegung durchquere ich mein Zimmer und laufe über den Flur schnurstracks, bis ich vor Vincents Zimmertür Halt mache. Ich habe die Hand schon gehoben, um gegen das Holz zu klopfen, zögere aber doch. Was genau soll ich überhaupt sagen? Was wenn er mich wegschickt oder noch schlimmer, was wenn Lena immer noch da ist? Ich starre auf die Maserung des Holzes. Das Blut rauscht mir plötzlich in den Ohren während ich mit mir selbst ringe ob es das Beste wäre, auf dem Absatz kehrt zu machen und so zu tun, als ob nie etwas passiert ist oder ob ich die Zähne zusammenbeißen und das hier durchziehen soll. Ich presse die Fingernägel gegen meine Handfläche. Los jetzt gib dir einen Ruck verdammt! Schelle ich mich selbst doch gerade als ich die Hand hebe höre ich eine Stimme hinter mir: "Suchst du jemanden?"
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The Bet
RomanceEin Neuanfang, das ist alles was Tessa sich wünscht, als sie nach der Trennung von ihrer ersten großen Liebe in der WG ihres Bruders unterkommt. Sie will sich endlich auf sich und ihre große Leidenschaft konzentrieren : Das Schreiben. Am besten ohn...