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Estrella

"Machen sie sich keine Sorgen." Meine Hand streckt sich automatisch zu dem Herren vor mir sowie sich ein Lächeln auf mein Gesicht setzt. "Ich bin sehr zuversichtlich was diese Zusammenarbeit angeht und bin mir sicher, dass sie schon in einigen Monaten mit einem strahlenden Lächeln ihr perfektes Traumhaus betreten werden." Überfreundliches Gefasel, welches jeder unserer Kunden zu hören bekommt. Und doch hat unsere Firma den besten Ruf in dieser Stadt. "Daran zweifle ich nicht im geringsten. Ich habe nur gutes über sie und ihre Arbeit gehört." Natürlich hat er das, was sollte es auch schlechtes über meine Arbeit zu berichten geben? Ich bin nicht umsonst eine der besten Architektinnen New Yorks.

Vielleicht mag das eingebildet klingen, doch ohne das nötige Selbstbewusstsein, hat man in der Geschäftsbranche keine Chance. Die Konkurrenz ist groß, vor allem hier in New York. Da ist es nicht schwer, schneller von der Bildfläche verschwunden zu sein, als dass man ein kleines Einfamilienhaus entwerfen könnte. Und schon landet man als durchschnittlicher Architekt in einer unbedeutenden Firma, welche kaum einer kennt. Welche nur die einfachsten Projekte zu einem erschwinglichen Preis verwirklicht. Nichts besonderes. Es zählt nur das Geld. Aber wenn man in einer großen Firma arbeitest, welche auch außergewöhnliche Projekte entwirft, ist es einer der besten Jobs überhaupt.

Meine Hand löst sich aus der seinen und deutet in einer eleganten Bewegung zu meiner verglasten Bürotür. "Olivia wird sie hinausbegleiten." Ich gehe ihm zuvor und öffne die Tür. "Natürlich können sie mich jeder Zeit kontaktieren, sollte ihnen etwas bezüglich des Hauses auf dem Herzen liegen." Lächeln geht er durch die Tür. "So zuvorkommend, ich danke ihnen vielmals. Bis zum nächsten mal." Er schenkt mir ein letztes Nicken, ehe er sich umdreht und ich die Tür hinter mir schließe.

Mein Lächeln fällt von meinem Gesicht und erschöpft setze ich mich zurück an meinen Schreibtisch. Meine Ellenbogen stütze ich auf dem harten Holz ab und lege meinen Kopf in meine Hände. Wäre ich nicht bereits seit 26 Stunden auf den Beinen, würde es mir auch nicht so müde ergehen. Und das alles liegt nur an Papá, welcher mir eine Aufgabe nach der anderen in die Hände legt, als hätte ich nicht schon genug zu tun. Leider habe ich nicht die Möglichkeit abzulehnen, nicht dass Papá es sich noch anders überlegt und mir in ein paar Jahren, wenn er in den Ruhestand geht, nicht die Firma übergibt. Dann würde sie zwar an meinen Zwillingsbruder gehen, was ich ihm wirklich vom Herzen gönnen würde. Aber dieser CEO Posten wird mir schon versprochen, seit dem ich ein kleines Kind bin. Eine andere Möglichkeit stand nie zur Debatte. Ich habe mir nicht umsonst mein ganzes Leben lang den Arsch aufgerissen und alles dafür getan, damit Papá zufrieden mit mir ist. Wenn dieser Posten nicht an mich geht, war alles umsonst. Dann würde ein weiterer Teil meiner Welt zusammenfallen, bis ich das Gefühl habe, nur noch ein kleiner Haufen meiner Existenz zu sein.

Seufzend nehme ich mir ein Blatt Papier, einen Bleistift und ein Lineal zur Hand ehe ich auch schon damit beginne, die Skizze für einen meiner anderen Kunden anzufertigen. Er möchte eine moderne Villa, in welcher er mit seiner Frau und ihren drei Kindern wohnen kann. Ich ziehe die Grundlegenden Linien der Wände, bis ich an die zehn Zimmer eingezeichnet habe.

Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meiner Planung heraus. "Herein!", rufe ich, sodass sich zwei Sekunden später die Tür öffnet. Meine persönliche Assistentin Olivia tritt herein und schaut mich freundlich an. Ich bemühe mich dazu, einen nicht allzu strengen Blick aufzusetzen. Doch wenn ich so wie jetzt konzentriert in meiner Arbeit stecke und dazu auch noch unterbrochen werde, muss ich mich jedes Mal aufs neue daran erinnern, dass Olivia auch nur ihren Job macht. "Ihr Vater möchte sie sprechen." Wenn meine Assistentin diesen Satz zu mir sagt, gibt es eine fünfzig fünfzig Chance. Entweder er ist außer sich vor Wut und möchte mir die Hölle heiß machen, oder aber es ist etwas harmloses. In den meisten Fällen hat es etwas mit unserer Firma zu tun. Doch da ich mir diesmal keiner Schuld bewusst bin und nichts angestellt habe, kann ich mir nicht vorstellen, was er von mir möchte.

Terrible pasadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt