Kapitel 9: Das Dorf der Kinder

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"Und jetzt?", raunte Hokusai leise. Sie standen in einem Halbkreis um die weiße Riesenblüte und beobachteten sie vorsichtig. Aus der Nähe konnte Celeste feststellen, dass sie ein wenig pulsierte. Die vier schneeweißen Blütenbblätter hoben und senkten sich in einem tiefen, langsamen Rythmus, der an seinem höchsten und tiefsten Punkt jeweils kurz innehielt. Es schien ihr beinahe so, als würde die Blüte schlafen.
"Äh, hallo du hübsche Blüte!", begrüßte Celeste die Pflanze laut und ihre Gefährten zuckten zusammen. Kyvn fingerte bereits wieder nach seinem Schwert und auch Hokusai ging in Deckung, nur Hiro stand gelassen neben ihr und beobachtete interessiert, was geschah.
Der Rythmus des Hebens und Senkens der Blätter erstarb. Stattdessen öffneten sich die vier großen Blütenblätter nach außen und gaben den Blick auf ihr Inneres frei. Während sie von außen strahlend weiß gefärbt waren, hatten die Innenseiten eine rote Färbung, wie von frischem Blut. Und in der Mitte der Blüte saß eine Hecke in Form eines Drachen, der sich streckte und ihnen den Kopf zuwandte.
"Nanu, wer seid ihr denn?", fragte der Drache und seine Stimme war so hoch und sanft, dass Celeste sich sicher war, dass dies kein männliches Exemplar eines Heckendrachen sein konnte. Sie hatte zwar noch nie einen Heckendrachen vorher gesehen, aber sicherlich war dies ein Weibchen, wenn Heckendrachen überhaupt ein Geschlecht haben konnten. "Hallo! Ich bin Celeste und das sind meine Freunde Hiro, Hokusai und Kyvn! Und wer bist du?" Der Drache legte den Kopf schief. "Ich bin der Hüter dieses Gartens, ich kontrolliere die Heckenwände und halte die Chaoskrieger davon ab, den Meister des Gartens zu erreichen." Der Kopf des Drachen kam ein Stückchen näher an sie heran. "Aber ihr seid keine Chaoskrieger! Wie seid ihr hierher gekommen?" "Also wir haben erst die Heckenwand - übrigens wirklich sehr schöne Hecken, die Ihr hier habt! - als Illusion gesehen, sind durch, dann standen wir hier im Irrgarten, sind den verschlungenen Wegen gefolgt und bis hierher gekommen", fasste Celeste ihre Situation nochmal zusammen. "Mh, das sollte aber eigentlich nicht passieren", antwortete der Drache ihr grübelnd. "Dieser Garten ist von meinem Meister so umgestaltet worden, dass nur Kreaturen die nicht in diese Welt gehören, die Chaosdämonen, hier eingesperrt und versteinert werden. Und ihr gehört nicht zum Chaos, ganz sicher nicht!" Kyvns Augen blitzten verstehend auf. "Ah, nun begreife ich. Seht werte Dame, wir sind auch nicht Teil dieser Welt. Wir kommen aus einer anderen Welt und wurden von unseren Göttern hierher geschickt, um diese Welt zu retten!" "Hach, die Götter", seufzte der Drache auf und Kyvns Augen blitzten erneut. "Sagt, kennt ihr die Götter dieser Welt?" "Durchaus. Ich selbst sowie der Meister des Gartens wurden von der Göttin Ilaria geschaffen. Früher waren hier viele Wunder in Stein verewigt und Ilaria wanderte oft zwischen ihnen hindurch. Doch dann blieb sie eines Tages einfach fort und hat uns seitdem nicht wieder besucht. Mein Meister hat die versteinerten Wunder verschwinden lassen und mich gebeten, diesen Irrgarten zu bauen. Seitdem fangen wir hier die Häscher des Chaos ein." Kyvns Stirn hatte sich in tiefe Falten gelegt. "Und sagt, wisst Ihr denn, wohin Eure Göttin gegangen sein könnte?" Der Drache ließ den Kopf ein wenig sinken. "Leider nein. Es ist, als wäre sie einfach verschwunden! Aber ich bin sicher, dass sie einfach zu viel zu tun hat, um wieder hier vorbeizuschauen, mit den ganzen Dämonen und dem Chaos." Kyvn nickte langsam und Celeste versuchte, ein nettes Lächeln aufzusetzen, auch wenn ihr gar nicht danach war. Nach allem was sie gehört hatte, würde dieser Heckendrache seine Göttin niemals wiedersehen können. Sie hoffte inständig, dass Kyvn genug Anstand besaß, um es dieser armen Kreatur nicht zu sagen.
"Könnt Ihr uns helfen, wieder aus diesem Irrgarten herauszukommen?", fragte Kyvn stattdessen und Celeste atmete erleichtert aus. Dann zog etwas an ihrem Inneren, kurz, aber mit Kraft. Der Drache vor ihnen legte erneut den Kopf schief. "Scheinbar kann ich euch vier hier nicht rauswerfen, tut mir leid. Ich denke, ihr müsste mit dem Meister des Garten sprechen, er kann euch auf jeden Fall helfen." Der Drache drehte sich in der Blüte zu einer Heckenwand weiter hinten und reckte den Kopf, woraufhin sich die Wand öffnete und den Blick auf eine seltsame Heckenformation eröffnete. "Dort ist er. Und grüßt meine Schwester von mir, sie lebt in dem Dorf, das der Garten bewacht."

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