Dieses Mal spürte Celeste nicht, wie ihr Geist ihren Körper verließ. Stattdessen sah sie, wie die Wasseroberfläche sich kräuselte und veränderte. Die Sicht veränderte sich, flog über den Wald der Menschen, in den Süden durch die Chaoswüste und einem riesigen Berg entgegen.
Celeste hatte das schon einmal gesehen, doch Hiro und Hokusai sogen überrascht die Luft ein. "Das ist... wahrhaft erstaunlich", merkte Hokusai an und Celeste nickte. Sie hatte versucht, mit ihrer Kraft ihre Schwester zu finden und der Teich hatte ihren Wunsch noch verstärkt. Der Teich glühte gülden, seit die Macht ihrer Göttin in ihn hineingefahren war und offenbarte den anderen nun auch das, was sie bereits erlebt hatte.
Dieses Mal flog das Bild noch etwas weiter in den Süden als noch vor einem Tag und offenbarte den Anblick auf eine noch größere Armee von Chaoskriegern und Dämonen, die gemeinsam in Richtung Berg marschierten und in ihrer Mitte waren die Dämonin und Celestes Schwester zu sehen. Lillith sah noch etwas veränderter aus als vorher, ihre Augen waren zwar immer noch leer, doch mittlerweile waren sie umrandet von einem orangenen Taint, der aussah wie sich langsam bewegende Flammen. Ihre Haare waren nach wie vor schneeweiß, wenigstens waren die noch nicht orange geworden, und in ihren Augen selbst war ebenfalls noch nichts von einem dämonischen Einfluss zu sehen.
In diesem Moment blickte Lillith zusammen mit der Dämonin auf, doch während ihre Entführerin kurz schnaubte und den Blick wieder senkte, schien sich Lilliths Blick kurz zu klären. Die Leere trat aus ihren Augen und die orangenen Flammen um sie herum hörten auf sich zu bewegen. Dann war der Moment vorbei und ihr Blick wurde wieder glasig, als sich um sie herum wieder das Chaos zu bewegen begann. "Vielleicht sollten wir das lieber schnell beenden, bevor sie uns doch entdecken", sagte Celeste nervös und kappte die Verbindung. Sie hatte kurz überlegt, ob sie nicht ein Zeichen geben sollte, um die Dämonen an diesen Ort zu locken, fort von Adlerstein. Doch sie bezweifelte, dass der Irrgarten problemlos mit einer Armee des Chaos fertig werden würde und sie erinnerte sich an die orangenen Blitze, die sie in den Augen des Meisters gesehen hatte. Nachdem sie die Vision unterbrochen hatte spürte sie zu ihrer Überraschung noch die Kräfte ihrer Göttin in sich, doch sie ließen sich nicht noch einmal rufen.
"Hm, ich habe auch eine Idee", verkündete Hokusai, als Celeste wieder aus dem Wasser geklettert war und ihre Rüstung angelegt hatte. Er streckte seine Hand aus und über der Mitte des Teiches erschien eine Waage, die sich auf Hokusais Willen hin auszurichten schien. Die Wasseroberfläche veränderte sich und wurde zu einer farbigen Masse. Da war Grün und Blau und Orange, aber es schien weitestgehend im Einklang zu sein. "Hier im Dorf scheint es tatsächlich ein ziemliches Gleichgewicht zu geben", deutete Hokusai das Bild, "im Gegensatz zu allen anderen Orten, an denen wir bisher waren. Apropos." Die Farben wurden strahlender, gerieten in Wallung und mischten sich deutlich mehr miteinander. Das Wasser begann sich zu kräuseln und schlug gegen das Ufer, je voller die Farben wurden. Orange nahm nun den größten Teil der Oberfläche ein, Blau hielt noch ein wenig dagegen und Grün war fast völlig verschwunden. Andere Farbtupfer hatten sich ebenfalls eingemischt, doch sie schienen klein, verstreut und irrelevant.
Schließlich schlugen die Wellen des Teiches so hoch, dass sie die Füße von Celeste benetzten. Hokusai sah hochkonzentriert auf die Waage, die im Gegensatz zu vorher deutlich aus dem Gleichgewicht geraten war und brach sein Experiment schließlich ab. Keuchend entließ er die Waage ins Nichts und der Teich beruhigte sich wieder.
"Und? Was hatte das zu bedeuten?" Hokusai atmete tief durch und sah Celeste fest in die Augen. "Diese Welt ist fast vollständig aus den Fugen geraten. Ich habe versucht mehr herauszufinden, doch je weiter das Gebiet umfasst ist, das die Waage auf sein Gleichgewicht prüft, desto ungenauer sind die Informationen, die ich daraus bekomme. Aber es ist erstaunlich, dass ich mithilfe dieses Teiches die ganze Welt auf die Waage legen konnte. Das ist sonst nicht möglich." Celeste nickte beeindruckt. Dann wandte sie sich dem Mönch zu. "Hey Hiro, willst du es auch mal probieren?" Er sah sie irritiert an. "Na, deine göttliche Kraft einzusetzen und zu schauen, wie der Teich sie beeinflusst!" Hiro zögerte kurz, dann zuckte er mit den Schultern und begab sich wie Celeste zuvor in den Teich.
Gespannt beobachtete Celeste, wie Hiro seinen Bogen zog, die Augen schloss und einen Pfeil auflegte. Stumm formten seine Lippen schnelle Worte und das Gefieder hinten am Pfeil löste sich auf. Stattdessen formten sich zwei dunkel-lilane Schmetterlingsflügel und begannen langsam auf und ab zu wiegen, während Hiro den gespannten Bogen weiter festhielt.
Eine Weile passierte nichts weiter, dann vibrierte die Wasseroberfläche plötzlich und Hiros Körper fiel in die Vibration mit ein. Um den Pfeil herum begannen sich Streifen aus Licht zu winden, bald hatten sie den gesamten Pfeil in Beschlag genommen und Hiro hielt nun einen Strahl lila Lichtes zwischen den Fingern. Auch die Sehne seines Bogens begann hell aufzuleuchten und schließlich wanden sich aus seinen Schulterblättern mächtige Schmetterlingsflügel heraus. Auf seltsame Art und Weise sah Hiro in diesem Moment anmutig aus und Celeste fand ihn in dieser Form fast schon hübsch.
Auf der Wasseroberfläche zeichnete sich ebenfalls ein gigantischer Schmetterling ab, der in so vielen Lilatönen erstrahlte, dass Celeste die Augen etwas zusammenkneifen musste. Dann richtete Hiro seinen Bogen höher und ließ die Sehne los. Als der Strahl aus lilanem Licht losschoss, schlugen die Flügel des Schmetterlinges im Teich mit und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit schoss das Licht in den Himmel und war binnen Sekunden bereits nach Süden verschwunden.
Erstaunt sah Celeste dem Pfeil nach und wollte den Mönch gerade fragen wohin er geschossen hatte, als ihr Blick wieder auf den Teich fiel. Dort sah man, wie der Pfeil vorwärtsschoss, in die Chaoswüste hinein und eine Zeit lang sah es so aus, als würde der Lichtstrahl bis zum Berg fliegen, zu dem die Dämonen unterwegs waren. Dann wurde das Geschoss langsamer, verlor an Glanz und schließlich verwandelte es sich in einen normalen Pfeil mit Schmetterlingsflügeln hinten am Schaft zurück, der sich trotzdem zielsicher in einen der herumfliegenden Adlerkrieger am Himmel bohrte. Der Chaoskrieger zuckte kurz zusammen und fiel dann tot aus dem Himmel.
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Forsaken World
FantasyIn einer Welt von der sich die Götter abgewendet haben, gibt es nichts mehr, was das Chaos aufhält. Die Welt Ilaria kämpft seit mehreren hundert Jahren gegen die Vernichtung durch die Chaosdämonen an, doch ohne die Hilfe von Göttern verlieren sie im...