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-eine Woche später-

Julian PoV.:

Lustlos rühre ich in meinem Frühstücks-Joghurt herum, denn eigentlich ist mir, wie seit Tagen schon, überhaupt nicht nach Essen. Seit einigen Tagen versuche ich schon, meine Eltern oder meine Brüder zu erreichen, aber es herrscht Funkstille. Einerseits tut es mir natürlich weh, aber ebenso weiß ich, dass ich daran selbst Schuld bin. Ich bin mir sicher, dass nicht lang verborgen geblieben ist, was Jannis über meine angebliche Beziehung mit Ella herausgefunden hat, und dass es alle tierisch aufgeregt hat, dass ich nach der Vertragsauflösung selbst tagelang nicht ans Telefon gegangen bin und mich verschanzt habe.

Unweigerlich kommt mir dabei Ella wieder in den Sinn, denn ich kann mir gar nicht so wirklich ausmalen, wie das Gefühl sein muss, sein ganzes Leben schon mit dieser Funkstille konfrontiert zu sein. Schon vor meinem Zusammenbruch habe ich rückblickend viel zu wenig darüber nachgedacht, wie viel ich ihnen und auch meinen Freunden zu verdanken habe. Nie ist ihre Unterstützung abgerissen, erst als ich es selbst vermasselt habe.

Und dann taucht auf einmal jemand wie Ella auf, die ich anfangs als Feind geschworen habe und die sich jetzt trotz allem irgendwie als die Rettung erweist. Zu meinem Durcheinander, was meine Familie angeht, mischt sich jetzt auch das Durcheinander, was Ella angeht.

Ich konnte den Drang nicht unterdrücken, sie zu küssen, als wir da zusammen im Flur standen. Ich wünschte, ich könnte es erklären, aber es geht nicht. Ich habe meine Gefühle und Gedanken viel zu lange unterdrückt, als dass ich es ihr gegenüber jetzt wieder tue. Vielleicht ist es nur ne Übersprungshandlung, vielleicht bin ich einfach nur froh um jemanden, der mich verstehen kann und mir nicht seine vermeintlich guten Ratschläge aufdrücken will. Was ich aber weiß ist, dass ich zu lange die Augen davor verschlossen habe, dass auch andere ihren Kampf kämpfen und es für jeden einen Weg gibt, damit umzugehen, und nicht das zu tun, was ich veranstaltet habe. Es tut mir im Nachhinein auch leid für die Mädels, die ich mit nach Hause gebracht habe und dann nie wieder angerufen habe, aber auch das sind Dinge, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Ebenso wie aus einem Profivertrag rauszufliegen, weil man sich gehen lässt.

Seufzend lasse ich den Löffel in die Schale sinken und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Die Wochen und Monate, die ich suspendiert war, haben auch an meinem Körper und meiner Fitness Spuren hinterlassen und eigentlich sollte ich wohl wieder anfangen, auf mich zu achten, wenn ich einen neuen Vertrag unterschreiben will, aber es fehlt die Kraft. Vermutlich ist es auch besser, mich erstmal auf meine sozialen Vorhaben zu konzentrieren und dann erst wieder an Fußball zu denken. Auch jetzt jagt mir der Gedanke daran, dass mein Vater, in seiner Rolle als mein Berater, bisher kein einziges Wort über meine sportliche Zukunft verloren hat, einen unguten Schauer über den Rücken.

Frustriert vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Verfluchte Scheiße.

Am frühen Nachmittag habe ich mich schließlich aufgerafft, um mich für den anstehenden Termin fertig zu machen. Auch wenn mir der Schlaf- und Nahrungsmangel mehr als deutlich anzusehen ist, versuche ich noch das Beste daraus zu machen. Als ich meinen Rasierer zurück in dessen Halterung stecke, überkommt mich wieder der Gedanke an Ella. Eigentlich kann ich es mir kaum ausmalen, wie groß der Kampf mit sich selbst und den anderen sein muss, dass man als einzigen Ausweg nur die Selbstverletzung sieht. Automatisch angle ich mir mein Handy und rufe die Anrufliste auf. Die Zahlen hinter den Namen sind gefühlt bereits ins Unermessliche gestiegen, aber jeder einzelne dieser Anrufe blieb unbeantwortet. Auf gut Glück wähle ich also erneut die Nummer meiner Mutter, in der Hoffnung, dass wenigstens sie das Nachsehen hat. Aber ebenso wie die vergangenen zwanzig Mal klingelt es durch, bis schließlich die Mailbox anspringt. Ich drücke auf das rote Hörersymbol und donnere das Handy auf den Waschtisch. Ich erkenne, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als nach Hause zu fahren und zu hoffen, dass sie mich wenigstens an der Haustür nicht abweisen.

U N B R E A K A B L E - Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt