FAKE.

━ 03 | Zufallsbegegnung

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ES war nicht sonderlich einfach für mich einzuschätzen, wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich nach Hause gegangen, dort angekommen, etwas gegessen und dann duschen gewesen bin. Normalerweise wäre das ein Ablauf, der nicht länger als eine Stunde dauern würde, aber als ich nach einer sehr langen Dusche aus dem Badezimmer herauskam, war Chris' Schnarchen schon aus seinem Zimmer zu hören. Ein Wunder, dass er überhaupt mal Schlaf bekommen könnte.

Mit nassen Haaren – was ich definitiv morgen bereuen werde – schlurfte ich durch den kleinen Flur unseres Dorms und letztendlich auf die Tür zu, die mich in mein Zimmer bringen würde. Dort fiel mein Blick auf meine Gitarre, die förmlich danach schrie, dass ich auf ihr spielen sollte. Aber meine Müdigkeit hatte die Oberhand, und ich ignorierte das leise Verlangen tief in mir drin. Stattdessen ließ ich mich auf mein Bett fallen und versenkte meinen Kopf in das Kissen, worauf mir ein erschöpftes Seufzen entfloh.

Dieselbe Luft zog ich aber wieder stark ein und hob meinen Kopf wieder an, um meine noch übrige Aufmerksamkeit auf mein Handy zu wenden, das ich im selben Moment aus meiner Hosentasche gezogen hatte.

Die ganze Zeit über, wo ich in der Dusche war, kam alle zwei Minuten ein neuer Benachrichtigungston. Ich war es nicht sonderlich gewohnt, dass mein Handy fast schon glühte aufgrund dieser Nachrichten, und ich hatte auch direkt festgestellt, warum dem so war.

Diese gottverdammte Dating-App. Ich hatte bestimmt fünfzig Benachrichtigungen, und von den Namen her waren es alles nur Männer. Soweit ich das verstanden hatte, konnten auch keine Frauen mein Profil zu Gesicht bekommen, da Changbin bei dem Erstellen meines Profils angegeben hatte, dass ich nur auf das männliche Geschlecht stehe.

Nichtsdestotrotz bestand mein Benachrichtigungsfeld komplett aus diesen Männern, die mich in die Matches gewischt hatten. Ich fühlte mich leicht geehrt, das musste ich schon zugeben.

Es bereitete mir jetzt schon Angst, dass ich mich mit mindestens fünf von ihnen unterhalten und sie kennenlernen musste. Mein Plan war es, dass ich mich so oberflächlich und dämlich wie nur möglich anstellen würde, damit die meisten hoffentlich schnell das Interesse verlieren.

Ich öffnete die App und scrollte bei allen durch. Jeder von ihnen bekam dieselbe, simple und kurze Eröffnungsnachricht, "Hi". Nicht sonderlich einfallsreich oder in irgendeiner Weise interessenweckend, aber ich wollte mir auch nicht die Mühe machen, jedem eine individuelle Nachricht zu hinterlassen. Die meisten würden sowieso nicht mehr antworten, so war es doch immer.

Ich kämpfte mich durch diese Nachrichten bis zum Ende durch, bis zum allerletzten. Bei dem Anblick seiner Eröffnungsnachricht bekam ich ein wenig Röte ins Gesicht. "Cutie". Und mit einem Blick auf sein Profil konnte ich sofort feststellen, dass ich es am liebsten erwidern würde.

Nach etwa einer halben Stunde und zehn Männern, mit denen ich sicherlich keine seichteren Unterhaltungen hätte führen können, kam ich mir selber dann tatsächlich ziemlich dämlich vor. Bei jeder noch so kleinen anzüglichen, flirterischen oder positiven Nachricht rumorte mein Magen und mein Gesicht wurde immer heißer. Nur selten hatte ich es erlebt, dass ein Mann meiner Sexualität solche Sachen zu mir gesagt und sie dann wirklich ernst gemeint hatte.

Keine dieser Unterhaltungen ging wirklich in die Tiefe, und mir war nach drei Nachrichten klar, dass es ihnen nicht darum ging, etwas Festes zu finden. Ich wollte sie auch nicht verurteilen, aber mein Herz hoffte doch irgendwo darauf, dass ich jemanden finden könnte, der so war wie ich. Oder jemanden, der mich akzeptieren könnte, wie ich bin.