FAKE.

━ 𝟐𝟏 | Sturzregen & Ausreden

▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃
——————————JISUNG——————————
▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃

NERVOSITÄT. Nichts konnte meine Gefühlslage gerade besser beschreiben. Die ganze Nacht über bekam ich wieder kein Auge zu, da ich andauernd daran denken musste, wie mein Treffen mit Minho aussehen würde. Vielleicht war es ein wenig zu früh – okay, es war definitiv viel zu früh – aber ich hatte den Eindruck von mir selber, dass ich dieses Spiel, diese Wette nicht länger wie eine Wette sehen wollte. Mit jeder Nachricht, die Minho und ich austauschten, wurde immer mehr bewusst, was ich da eigentlich anstellte.

Ich würde mit den Gefühlen eines Unwissenden spielen, der wahrscheinlich noch nicht mal dasselbe fühlte wie ich. Er schwamm nicht auf meinem Ufer. Spielte nicht in meiner Liga. War nicht schwul. Was auch immer mir am besten einleuchten würde.

Und doch erwischte ich mich immer dabei, wie ich langsam, aber sicher immer mehr als nur Platonisches für diesen Mann empfand. Verrückt, denn kannten wir uns überhaupt wirklich? Wir tauschten Nachrichten aus, wir fingen immer mehr an, über tiefer gehende Dinge zu sprechen. Ich kannte sein wahrscheinlich größtes Geheimnis.

Aber machte uns das wirklich schon zu dem, was andere als "Mehr als Bekannte" betiteln würden? Denn ich würde es wirklich gerne so nennen, aber ich hatte zu viel Furcht davor, dass Minho etwas komplett anderes in mir sah.

»Du kannst ruhig früher Schluss machen, wenn du dich noch auf dein Date vorbereiten möchtest«, weckte Jeongin mich aus meinem Tagtraum, nachdem er den letzten Kunden bedient hatte.

Ein wenig Ruhe kehrte ein und ich schüttelte den Kopf, gleichzeitig einen Blick auf die Uhr werfend, welche sich über unseren Köpfen an der Wand befand. 14:50 Uhr.

»Die zehn Minuten werde ich auch noch aushalten«, lachte ich, wobei das Nervöse mehr Platz und Halt fand als die ursprüngliche Gleichgültigkeit, die ich ausstrahlen wollte.

Jeongin legte das Wechselgeld in die Kasse, fuhr sich einmal gekonnt durch seine kastanienbraunen Haare und sah dann über die Kunden hinweg, welche an den Tischen nahe am Eingang saßen.

Ich folgte seinem Blick und wir beide erkannten das gewollte Ziel, das nur wenige Meter vom besagten Eingang stand und auf seinem Handy herumtippte, vertieft in die Worte, die er zu schreiben schien. Mein Herz übersprang einen Schlag und ließ den nächsten umso intensiver gegen meinen Brustkorb schlagen.

»Sieht aber nicht so aus, als könnte er noch warten«, scherzte mein Kollege und machte Anstalten, an mir vorbei zu laufen. Auf meiner Höhe jedoch schlug er mir sanft spielerisch gegen die Schulter und fügte noch ein wiederholtes, »Geh schon« hinzu.

Meine Augen behielten sich noch für einen gewissen Moment auf Minho, welcher von seinem Telefon aufsah und direkt in meine Richtung.

Zuerst hielt ich es nur für einen komisch gefallenen Schatten, aber er hatte doch tatsächlich einen komplett blutunterlaufenen, blauen Fleck an der rechten Seite seines Kopfes. Ich musste nicht lange überlegen, um zu verstehen, wo er diesen her hatte.

Minho lächelte leicht und tippte dann auf seine imaginäre Armbanduhr, als wollte er mir sagen, "Beeil dich!"

Belustigt schüttelte ich den Kopf und sah zurück zu Jeongin, welcher in der kurzen Zeit schon seine nächste Beschäftigung gefunden hatte. Er räumte die dreckig hinterlassenen Tische ab und brachte das Geschirr vorerst zurück zur Theke, da er meine Frage anscheinend schon spüren konnte. »Ist es wirklich okay?«